Schauspielerin Bayan Layla
In jeder ihrer Rollen steckt auch die Kämpferin
Stark, authentisch, emotional: Bayan Layla ist eine der derzeit spannendsten jungen Schauspielerinnen – und an diesem Sonntag (23. November) im Stuttgart-„Tatort“ zu erleben.
© SWR/Benoît Linder
Bayan Layla als Nelly in einer Szene aus dem „Tatort – Überlebe wenigstens bis morgen“.
Von Kathrin Waldow
Ihr Gesicht ist eines, das man derzeit häufiger in Film und Fernsehen („Informant“) sieht. Bayan Layla hat Nachwuchspreise abgeräumt, spielt in Kinoproduktionen („Im Rosengarten“) mit und beim „Tatort“ aus Stuttgart am kommenden Sonntag. Ihr Spiel und ihr spürbarer Antrieb hinterlassen einen bleibenden Eindruck. Oft wird sie für junge, weibliche Figuren besetzt, die innere Konflikte austragen, und solche zwischen unterschiedlichen Kulturen.
Wie etwa in „Elaha“ von Milena Aboyan. Darin spielt die syrisch-deutsche Darstellerin eine junge Frau mit zwiegespaltenem Verhältnis zum Thema Jungfräulichkeit, überlagert vom traditionstreuen Familienideal. Die Verkörperung dieser Rolle hat ihr 2024 die Nominierung in der Kategorie beste weibliche Hauptrolle beim Deutschen Filmpreis gebracht.
„Wenn ich etwas wirklich will, bleibe ich dran.“
Im Gespräch mit unserer Zeitung fällt auf, wie offen und überlegt die 29-Jährige ist. Inwiefern trifft das kämpferisch-emanzipatorische, kulturell-zwiespältige auch privat auf sie zu? „Ich denke, das Kämpferische ist in meiner Persönlichkeit sehr tief verankert. Und dann kommen bei mir äußerliche Faktoren hinzu: Wenn man in einem Land ankommt, die Sprache nicht spricht, offen für das Leben ist, wie ich es bin und war, und dann Erfahrungen in einem fremden Land macht, sich sprachlich zwischen Englisch, Deutsch und Arabisch bewegt und sich beruflich orientiert, dann kommt einem vielleicht alles wie ein Kampf vor“, sagt sie.
Sie bringt ihre eigene Perspektive in die Filmprojekte ein
Bayan Layla kam 2014 zum Studieren aus Syrien nach Deutschland, ohne Familie, mit Visum und mit dem Flugzeug – wie sie selbst hinzufügt. In Leipzig macht sie einen Deutschkurs und studiert Politikwissenschaften, Arabistik und Deutsch als Fremdsprache, nachdem sie in Syrien bereits mit Architektur begonnen hatte. „Ich habe schon immer viel geschrieben, auch Drehbücher. In Leipzig bin ich dann zu einer Theatergruppe gestoßen, daraufhin habe ich mich in München an der Schauspielschule August Everding beworben. Wenn ich etwas wirklich will, bleibe ich dran – vor allem bei Castings“, sagt sie.
Und ergänzt: „Bei Castings kann es manchmal schwierig sein, sich durchzusetzen, außer man erfüllt bestimmte Quoten – aber diesen Eindruck hatte ich an der Schauspielschule nicht. Dort habe ich mich von Anfang an sehr wohlgefühlt, weil es nicht nur um Technik ging, sondern auch darum, unsere eigenen Perspektiven einzubringen und zu entdecken, was wir als Künstlerinnen und Künstler zu erzählen haben.“
Bayan Layla wird häufig für Rollen besetzt, die Migrationshintergrund abbilden sollen, kulturelle Konflikte und Identitätskonflikte widerspiegeln. Ein zu enges Korsett? „Ich will auch nicht nur Lisa und Laura spielen“, sagt sie dazu. „Ich habe überhaupt kein Problem damit, echte Charaktere darzustellen. Wichtig ist vor allem, wie die Rollen gestaltet sind. Ideal ist es, wenn sie facettenreich und lebendig angelegt sind, sodass sie mehr zeigen als nur gängige Klischees oder Vorurteile“, so Layla und spielt auch auf ihre Rolle der Nelly Schlüter im neuen „Tatort“ aus Stuttgart an.
Migrationshintergrund spielt dabei keine Rolle. Dafür hat die Figur Schwierigkeiten mit Beziehungen. Und dann spricht Layla über Einsamkeit. Ein Thema, das sie seit langem begleitet. „Ob es daran liegt, dass ich aus Syrien nach Deutschland gekommen bin oder ob ich einfach als Mensch so fühle, das weiß ich nicht. Aber ich glaube, dass jeder Mensch sich schon einmal einsam gefühlt hat und jeder geht anders damit um. Auch dafür gibt es kein Abziehbild.“
Der „Tatort“-Dreh sei für sie „einer der emotionalsten bisher“ gewesen, sagt sie. „Mit Milena ist es am Set immer intensiv und sehr schön, wir haben ein starkes Vertrauensverhältnis, und wenn jemand noch mehr Kampfgeist hat als ich, dann ist es Milena“, so die Schauspielerin. Gemeint ist Milena Aboyan, die Regisseurin des „Tatorts -Überlebe wenigstens bis morgen“; sie hat zuvor mit Bayan Layla auch „Elaha“, „Drei Kameradinnen“ und „Wovon sollen wir träumen“ gedreht und schwärmt ihrerseits von ihr. Sie komme perfekt vorbereitet und voll konzentriert ans Set, bringe eigene Ideen mit, wie sie unserer Zeitung dazu erzählte.
Dass sie im vergangenen Jahr dann doch nicht den Deutschen Filmpreis namens Lola bekam, hat Bayan Layla gut verarbeitet: „Es war schon verrückt, vor zehn Jahren konnte ich noch kein Wort deutsch, und dann plötzlich in der Kategorie der etablierten Schauspielerinnen nominiert zu sein neben Corinna Harfouch und Hannah Herzsprung, das war unglaublich und eine große Ehre. Aber natürlich hatte ich die Hoffnung an dem Abend, die Lola mit nach Hause zu nehmen.“ Corinna Harfouch hat den Preis schließlich bekommen. „Ich habe mich extrem für sie gefreut, dachte aber auch: Hey, ich bin ja erst 28, vielleicht werde ich irgendwann noch mal nominiert, dann kann ich eines Tages auch meine Lola mit nach Hause nehmen.“ Da ist sie wieder, die Kämpferin.
Bayan Layla spricht offen über Schattenseiten im Leben
Akribische Vorbereitung ist eine ihrer großen Stärken. „ Ich kann auf Deutsch und Arabisch schnell viel Text lernen, weil ich beide Sprachen beherrsche. Es gibt aber auch Ausnahmen: für die aktuelle Rolle zum Beispiel, bei der ich eine Kurdin darstelle, muss ich zu 90 Prozent auf Kurdisch spielen. Dafür musste ich die Sprache neu lernen und habe mir viel Zeit genommen, bis alles wirklich saß.“ Die Rede ist von der Rolle der Farida Khalaf, einer jungen Jesidin, die vom IS verschleppt und versklavt wurde, und der Verfilmung ihres Buches „Das Mädchen, das den IS besiegte“: Layla wird sie spielen.
Einsamkeit, Kampfgeist, Lob und Anerkennung begleiten Layla, seitdem sie in Deutschland lebt – aber auch Alltagsrassismus. „Ich bin sehr gern in Berlin; hier habe ich die meisten meiner beruflichen und privaten Kontakte.“ Dennoch erlebe sie hin und wieder Ausgrenzung, sowohl beruflich als auch privat. „Wir sind alle in rassistischen Strukturen aufgewachsen, und es ist wichtig, sich damit auseinanderzusetzen und daran zu wachsen. Glücklicherweise habe ich ein starkes privates Netzwerk, mit dem ich offen darüber sprechen kann“, gibt sie Preis.
Dieser offene Umgang zieht sich ins Berufliche. „Ich weiß sehr zu schätzen, wie privilegiert ich bin, diesen Beruf ausüben zu dürfen – und zwar ohne nebenbei etwas völlig anderes machen zu müssen. Trotzdem gibt es immer wieder Phasen, in denen kein Job da ist. Galas und Preisverleihungen machen Spaß, aber mein Lieblingsort ist das Set. Und ich finde es wichtig, auch über Absagen zu sprechen; einfach, um ein realistisches Bild unseres Berufsalltags zu vermitteln.“
„Ich glaube daran, dass Kunst die Welt verändern kann“
Die politische Stimmung im Land nimmt Bayan Layla mit Sorge wahr. „Ich weiß, wie anspruchsvoll und langwierig der Weg zur Einbürgerung und zur deutschen Staatsbürgerschaft sein kann, selbst wenn man als so genannte Vorzeige-Migrantin gilt. In der öffentlichen Debatte klingt es manchmal so, als würde einem die Staatsbürgerschaft einfach geschenkt – das stimmt überhaupt nicht. Ich finde es schade, wenn manche Debatten so arrogant geführt werden,“ sagt sie.
Besonders betroffen hätten sie Aussagen über die Rückführung von Menschen nach Syrien. „Ich finde solche Äußerungen unmenschlich. Gleichzeitig bin ich dankbar für meinen Job und glaube daran, dass Kunst Menschen berühren kann. Mein Ziel ist es, in die Wohnzimmer der Leute zu kommen, wirklich in Austausch zu treten – denn daraus entsteht Hoffnung. Ich bin überzeugt davon, dass Kunst die Welt verändern kann.“ Da ist sie wieder, die Kämpferin in Bayan Layla. Auf dass die Welt ihr zusieht.
Aufmerksamkeit
Vita Bayan Layla hat an der Bayerischen Theaterakademie August Everding in München Schauspiel studiert und bekam währenddessen ein Engagement am Badischen Staatstheater in Karlsruhe. Heute lebt sie in Berlin.
Im Fokus Für ihre Hauptrolle in dem Film „Elaha“ wurde Layla 2023 mit mehreren Nachwuchspreisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem New Faces Award als Beste Nachwuchsschauspielerin und mit dem bayerischen Filmpreis als Beste Nachwuchsspielerin. 2024 wurde sie für den Deutschen Filmpreis in der Kategorie beste weibliche Hauptrolle nominiert sowie für den Deutschen Schauspielpreis.
TV „Tatort – Überlebe wenigstens bis morgen“, 23. November, 20.15 Uhr, ARD.
