82-jährige stirbt in Italien an West-Nil-Virus
Infektion durch Mücken: Tödliche Gefahr auch in Deutschland?
Ein Surren und eine juckende Quaddel an der Haut signalisieren: Stechmücken sind wieder aktiv. Exotische Arten wie die Asiatische Tigermücke können gefährliche Erreger wie das West-Nil-Virus übertragen. Ein Überblick über die Verbreitung und Gefährdungslage in Deutschland.

© Imago/Dreamstime
Eine Stechmücke sitzt beim Blut-Schmaus auf menschlicher Haut: Mit einer hochauflösenden Kamera aufgenommen, sehen die das West-Nil-Virus übertragende Stechmücken noch bedrohlicher aus.
Von Markus Brauer/dpa
In Italien ist eine 82 Jahre alte Frau an den Folgen einer Infektion mit dem West-Nil-Virus gestorben. Die Rentnerin aus der Gemeinde Nerola nördlich von Rom war vergangene Woche mit Fieber ins Krankenhaus eingeliefert worden, wie die Behörden mitteilten.
Nach offiziellen Angaben gibt es aktuell in der Region rund um die italienische Hauptstadt noch sechs weitere bestätigte Fälle von West-Nil-Virus-Infektionen. Zwei Patienten im Alter von 63 und 72 Jahren befinden sich demnach in kritischem Zustand in Kliniken.
Registrierte Fälle in Europa
Zur Erinnerung: In den ersten sieben Monaten 2024 hatte es insgesamt 79 gemeldete lokal erworbene West-Nil-Virus-Infektionen in Europa gegeben, von denen acht tödlich endeten. Das berichtet das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC).
- In Griechenland wurden mit 31 Infektionen die meisten Fälle gemeldet. Laut ECDC hat es dort fünf Todesfälle gegeben.
- In Italien, mit 25 Fällen das am zweithäufigsten betroffene Land, sind ebenfalls zwei Todesfälle gemeldet worden.
- Eine weitere Todesmeldung kommt aus Spanien, wo von fünf Infektionen berichtet wurde.
- Weitere West-Nil-Virus (WNV)-Fälle gab es in Österreich, Ungarn, Serbien, Frankreich und Rumänien.
Es gibt keine antivirale Therapie
Das West-Nil-Fieber wird dem Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin zufolge rein symptomatisch behandelt. Es gibt keine spezifische antivirale Therapie. Laut RKI erstreckt sich die Saison hierzulande meist von Juli bis Ende September. In Deutschland wurden in diesem Jahr noch keine autochthonen (einheimischn, ortsansässigen) Fälle beim Menschen gemeldet.
So ist die Lage in Deutschland seit den ersten Infektionen
Nach RKI-Angaben wurden im Spätsommer 2019 erste Infektionen in Ostdeutschland bekannt (insgesamt 5 Infektionen). Seitdem traten in den Sommer- und Herbstmonaten weitere Erkrankungsfälle auf (2020: 22 Infektionen; 2021: 4 Infektionen; 2022: 17 Infektionen, 2023: 7 Infektionen, 2024: 26 Infektionen).
Die Infektionen traten überwiegend in Ostdeutschland (Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen) auf. 2024 wurden zudem einzelne Fälle in anderen Bundesländern registriert (Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen).
Erkrankungen verlaufen meistens symptomfrei
Da etwa 80 Prozent der Infektionen beim Menschen ohne Symptome verlaufen, ist mit einer hohen Dunkelziffer von Infizierten zu rechnen. Zudem verlaufen viele symptomatische Fälle ähnlich einer Grippeerkrankung und sind nicht so schwerwiegend, dass Betroffene einen Arzt aufsuchen. Oft kommen Mediziner auch nicht auf die Idee, für einen Tests auf den West-Nil-Virus Blut abzunehmen.
Nach RKI-Angaben gibt es bei knapp 20 Prozent der Fälle milde, unspezifische Symptome wie Fieber oder Hautausschlag. Auch diese bleiben häufig unbeachtet.
Schwere Verläufe vor allem bei Älteren und Vorerkrankten
Schwerere oder gar tödliche Verläufe betreffen meist ältere Menschen mit Vorerkrankungen. Nur etwa ein Prozent der Infektionen führen zu schweren neuroinvasiven Erkrankungen. Da Tests und damit gesicherte Nachweise meist nur bei solchen Verläufen erfolgen, ist für Deutschland von einer sehr viel höheren Zahl an jährlichen durch heimische Mücken übertragenen Infektionen auszugehen.
Nur bei einem sehr kleinen Teil der Erkrankten tritt zudem eine Hirnhautentzündung (Meningitis) auf, die meist gutartig verläuft. In seltenen Fällen entwickelt sich eine Enzephalitis (Entzündung des gesamten Gehirn-Gewebes oder Teilen davon), die Spätfolgen nach sich ziehen kann, sowie eine Entzündung des Herzens oder der Leber.
Größere saisonale Erkrankungswellen zu befürchten
Weil der Erreger in Stechmücken in Deutschland überwintern kann, rechnen Experten in den kommenden Jahren mit zunehmenden Fallzahlen bis hin zu größeren saisonalen Erkrankungswellen. In süd- und südosteuropäischen Ländern gibt es schon seit Jahren solche Ausbrüche.
Drei Fälle von West-Nil-Virus bei Tieren
Dem Nationalen Referenzlabor, dem Friedrich-Loeffler-Institut (FLI), zufolge hatte es im vergangenen Jahr drei registrierte Fälle bei Tieren in Deutschland gegeben:
- Der erste Fall dieses Jahres war ein im Januar entdeckter Greifvogel in Brandenburg.
- Bei einem Habicht in Berlin war am 23. Juli eine Infektion mit dem West-Nil-Virus festgestellt worden.
- Beim dritten Fall ist das Virus bei einem Mitchell-Lori in einem Berliner Tierpark festgestellt worden. Alle fünf Tiere dieser Papageienart seien zwischen dem 14. und dem 29. Juli gestorben. Bei mindestens einem Lori sei eine Infektion mit dem West-Nil-Virus bestätigt worden, hatte die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz am 9. August mitgeteilt. Die Tiere bewohnten ein Innen- und Außengehege. Dort waren sie möglicherweise den übertragenden Stechmücken der Gattungen Culex, Aedes und Ochlerotatus ausgesetzt. Auch die Asiatische Tigermücke kommt als möglicher Überträger infrage.
Stechmücken übertragen Erreger
Das West-Nil-Virus wird nach FLI-Angaben von blutsaugenden Stechmücken übertragen, die wichtigsten Wirte sind Vögel. In selteneren Fällen kann es auch auf Menschen und Pferde übertragen werden. Für Vögel und Menschen gibt es, anders als für Pferde, keinen Impfstoff. Zoovögel, wie Greifvogelarten, seien grundsätzlich gefährdet, heißt es.
Seit einigen Jahren ist bekannt, dass heimische Stechmücken den Erreger des West-Nil-Fiebers übertragen können. Der Osten (Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen) ist neben Bayern Hot-Spot für die Verbreitung. „Warum, wissen wir noch nicht“, erklärt Doreen Werner, Biologin am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (Zalf) in Müncheberg (Märkisch-Oderland). Betroffen seien außerdem Thüringen, Sachsen Anhalt, Sachsen und Brandenburg.
„Virus ist eine ernst zunehmende Krankheit“
Ursprünglich kommt das West-Nil-Virus vor allem in wärmeren Regionen der Erde vor. Wissenschaftler des Friedrich-Loeffler-Instituts hatten allerdings heimische Hausmücken als Überträger des Erregers identifiziert. Das Virus kann in Stechmücken überwintern. „Je wärmer es dann wird, umso besser können sich die Krankheitserreger weiterentwickeln“, erläutert Doreen Werner.
Der Tropenmediziner Tomas Jelinek stuft das Virus als „eine ernst zunehmende Krankheit“ ein, aber man müsse „kein massenhaftes Auftreten in Deutschland erwarten“. Allerdings sei es durchaus wahrscheinlich, dass es in Zukunft auch hierzulande zu kleineren West-Nil-Ausbrüchen kommen werde.