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Insolvenzantrag von Stuttgart Surge – so reagieren die Spieler auf das Aus
Stuttgart Surge hat jüngst den Titel in der European League of Football (ELF) gewonnen, steht aus finanziellen Gründen nun aber vor dem Aus. Wie reagieren die Spieler?
© Pressefoto Baumann
Die Spieler von Stuttgart Surge stehen buchstäblich im Regen – weil es aus finanziellen Gründen beim Football-Team nicht weitergeht.
Von Jochen Klingovsky und Dirk Preiß
Finale, Halbfinale, Titelgewinn – so verliefen die vergangenen drei Jahre für Stuttgart Surge. Und rein sportlich sah es danach aus, als könne die Erfolgsgeschichte fortgeschrieben werden. Doch nun gegen nur wenige Wochen nach dem Sieg im Championship-Game der European League of Football (ELF) wohl die Lichter aus auf der Waldau.
Den Spielern wurde am Sonntag mitgeteilt, dass die Franchise einen Insolvenzantrag gestellt hat. Der finanzielle Druck war zu groß geworden, die Zukunft blieb zu unsicher. Für die Spieler, die teilweise liebend gerbe unter dem Trainer Jordan Neuman für Stuttgart Surge gespielt hätte, war es eine bittere Nachricht. Wie reagieren Sie darauf?
Wir haben mit einigen von ihnen gesprochen – und ihre Reaktionen in unserer Bildergalerie zusammengefasst.
© Pressefoto Baumann
<b>Reilly Hennessey (29), Quarterback seit 2023 (Karriereende nach dem Finale):</b> „Es ist ein trauriger Tag. Traurig für die Jungs, die es geliebt haben, für Stuttgart Surge zu spielen. Traurig für die Trainer, die es geliebt haben, Football auf höchstem europäischem Niveau zu unterrichten. Und vor allem traurig für die Fans, die uns in guten wie in schlechten Zeiten selbstlos unterstützt haben. Was mir wichtig ist: Das schmälert nicht unsere Leistung in dieser Saison. Das ist es, was mir von der Surge in Erinnerung bleiben wird: die jubelnden Fans, das Lächeln auf unseren Gesichtern, die Freudentränen, als wir alle unser Ziel erreicht haben. Stuttgart Surge bleibt europäischer Champion!“
© Pressefoto Baumann
Nick Wenzelburger (26), Defensive Back seit 2021: „Die Situation ist sehr niederschmetternd, unschön und unbefriedigend. Es gibt bei Surge einige Spieler wie mich, die vom ersten Tag an dabei waren, den Aufschwung seit 2023 mitgemacht und am Ende die Meisterschaft gefeiert haben. Es ist ganz bitter, dass es nun so endet. Wir Spieler wussten zwar von den Problemen, wollten den Ernst der Lage aber nicht wahrhaben. Es ist ja auch in der Vergangenheit immer eine Lösung gefunden worden – selbst nach der 2022er-Saison mit zwölf Niederlagen in zwölf Spielen. Jeder von uns hat gehofft, dass es in Stuttgart weitergeht und wir den nächsten Titel angreifen. Auch ich wollte bei Surge bleiben. Jetzt muss ich schauen, welche Türen sich öffnen. Ich will auf jeden Fall auf möglichst hohem Niveau weiter Football spielen.“
© Pressefoto Baumann
Florian Lengauer (28), Wide Receiver seit 2023 (Karriereende nach dem Finale): „Es ist eine traurige Nachricht. Wir als Mannschaft waren zusammen mit den Coaches und dem Teammanagement ein eingeschworener Haufen, der gezeigt hat, dass man mit Zusammenhalt Titel gewinnen kann. Deshalb tut dieses Ende umso mehr weh – vor allem natürlich für die Trainer, bei denen die Existenz dranhängt. Aber auch für die Stuttgarter Jungs, die noch jung sind und weitermachen wollen tut es mir sehr, sehr leid. Sie müssen jetzt überlegen, wie es bei ihnen weitergeht. Überrascht hat mich die finanzielle Notlage nicht. Es gab in der Vergangenheit immer mal wieder späte Überweisungen und für 2025 bei dem einen oder anderen Spieler auch Gehaltskürzungen. Dass wir trotzdem Meister geworden sind, zeigt, wie viel Bock wir hatten, unter Coach Jordan Neuman zu spielen. Andere Teams hatten einen deutlich höheren Etat. Uns ging es nie ums Geld – sondern um die Mannschaft und den Erfolg.“
© Pressefoto Baumann/Julia Rahn
Luca Siebert (25), Linebacker seit 2023: „Die Lage ist richtig mies, wir Spieler hatten bei dem Meeting am Sonntag auf gute Nachrichten gehofft. Ich wäre in Stuttgart geblieben, das Teamgefüge hier war super. Wie es jetzt weitergeht, weiß ich noch nicht. Es gab ein, zwei Kontakte mit anderen Clubs, aber nichts Konkretes. Ich will auch nächste Saison Football spielen, am liebsten zusammen mit möglichst vielen Stuttgarter Jungs.“
© Pressefoto Baumann/Julia Rahn
Nikolas Knoblauch (30), Linebacker seit 2022: „Es war ein Schock, als ich vom Insolvenzverfahren gehört habe. Es kommt im Sport ja nicht oft vor, dass ein Team die Meisterschaft gewinnt und es kurz danach zu Ende geht. Ich hatte fest damit gerechnet, dass es bei Surge gelingt, eine Dynastie aufzubauen und die Erfolgsgeschichte weiterzuschreiben. Wir haben einen Standard gesetzt – und den wollten wir Jahr für Jahr neu erfüllen. In den vergangenen Wochen hat uns das Management zwar transparent und fair über die Lage informiert, doch jeder von uns Spielern hat stets optimistisch gedacht. Viele aus dem Meister-Team wollten zusammen mit den Trainern bei Surge bleiben, jetzt müssen wir schauen, ob dies woanders möglich ist. Ich plane, noch eine Saison zu spielen und hoffe, dass ich einen Verein finde, bei dem ich meinen Beruf als Lehrer, der Priorität hat, und Football vereinen kann.“
© Pressefoto Baumann
Emmanuel Häfele (26), Offensive Tackle seit 2023: „Die Entwicklung ist jammerschade. In den Aufbau von Stuttgart Surge wurde total viel Zeit und Arbeit gesteckt – spätestens mit dem Gewinn der Meisterschaft war für jeden zu sehen, was hier geleistet wurde und was wir geschaffen haben. Umso mehr schmerzt, dass dieses Projekt und die persönlichen Beziehungen, die entstanden sind, nun zu Ende sind. Trotzdem überwiegt bei mir das Gefühl der Dankbarkeit für alles, was das Team-Umfeld getan hat. Die Meisterschaft ist ein großes Trostpflaster und etwas, das uns für immer verbinden wird. Ich hätte auch nächste Saison für Surge gespielt, die Zusage stand – die Trainer hier sind so besonders, dass ein Wechsel kein Thema gewesen wäre. Ich studiere Internationale Soziale Arbeit, werde im Frühjahr ein Auslandssemester in Schweden machen. Ich muss schauen, wo ich die Saison dann ab Mitte Juli zu Ende spielen werde.“
© Pressefoto Baumann/Hansjürgen Britsch
Lars Heidrich (24), Quarterback seit 2024: „Ich hätte bestimmt auch nächste Saison in Stuttgart gespielt. Ansonsten ist die Nachricht so frisch, dass ich mich zu dem Thema noch gar nicht äußern kann und will.“
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Konstantin Katz (30), Defensive Back seit 2023: „Die Entwicklung ist sehr schade und super traurig. Wir Spieler haben bis zum Schluss auf die Wende gehofft – denn die große Mehrzahl hat hier für die Idee, für das System und für die Trainer gespielt, nicht für Geld. Für die vielen Stuttgarter Jungs, die hier eine Dynastie hätten aufbauen können, tut mir dieses Ende extrem leid. In der Mannschaft hat alles super gepasst, ein Großteil wäre sicher bei Surge zusammengeblieben. Das Coach-Team hat etwas Überragendes aufgebaut, das noch weiter hätte wachsen und vielleicht sogar auf die Jugendarbeit der Scorpions hätte ausgeweitet werden können. Nun werden viele Vereine außenherum von dieser Insolvenz profitieren. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es aus Stuttgart Spieler-Fahrgemeinschaften irgendwohin geben wird. Wie es bei mir weitergeht, weiß ich noch nicht. Im Nationalteam lief es für mich zuletzt sehr gut, bei Surge hätte ich auf jeden Fall gerne noch eine Saison drangehängt. Jetzt muss ich schauen, was passiert.“
© IMAGO/Eibner
Ben Wenzler (25), Defensive Back seit 2021: „Es ist sehr, sehr schade. Alles, was wir aufgebaut haben, vor allem in den vergangenen drei Jahren, ist nun auf einen Schlag vorbei. Es ging gewissermaßen von 100 auf Null. Wir hatten so viel Talent im Team, so viele herausragende Trainer, so tolle Mitarbeiter – es ist bitter, auch für den gesamten Großraum Stuttgart, dass es hier nun keine Football-Mannschaft auf diesem Niveau mehr geben wird. Es hat sich zwar abgezeichnet, dass es finanziell schwierig werden würde, die Insolvenz kam dann aber doch überraschend. Wobei mir eines sehr wichtig ist: Stuttgart Surge hat sich den Erfolg ganz sicher nicht mit Geld erkauft, das nicht vorhanden war. Wir wurden Meister, weil wir eine außergewöhnliche Mannschaft waren, mit Jungs, die nicht wegen des Geldes Football spielen. Wie es bei mir weitergeht, ist offen. Ich hatte Kontakt mit ein, zwei Vereinen, aber keiner hat für mich die Attraktivität von Surge. Ich bin aus Stuttgart – und es ist einfach etwas Besonders, in einem Team aus Freunden zu spielen.“
