Nahost-Konflikt
Iran bereit für Verhandlungen?
Teheran bietet seine Rückkehr zu Atomgesprächen an, sofern Israel seine Angriffe einstellt.

© Sara Lemel/dpa
Dicht gedrängt harren Israelis während iranischer Raketenangriffe in einem Luftschutzbunker in Tel Aviv aus.
Von Thomas Seibert
Eine „neue Methoden“ bei Raketenangriffen verwirre die israelische Flugabwehr, erklärte die iranische Revolutionsgarde am Montag. Die israelischen Abfangsysteme attackierten sich selbst statt die anfliegenden iranischen Raketen, weshalb mehr Geschosse ihr Ziel erreichten: Noch heftigere Angriffe würden folgen, kündigte die Garde an. Das iranische Regime signalisiert Kampfbereitschaft, zugleich aber auch den Willen zu Verhandlungen.
Kein Volksaufstand gegen das Mullah-Regime
Seit dem Beginn der israelischen Angriffe am Freitag hat sich das iranische Militär als widerstandsfähiger erwiesen als von Israel erwartet. Die Iraner schicken jeden Tag hunderte Raketen nach Israel, obwohl die israelische Luftwaffe im Iran ungehindert Stützpunkte bombardieren kann. Der von Israel erhoffte Volksaufstand gegen das Mullah-Regime ist bisher ausgeblieben. Umgekehrt kann Teheran den Gegner nicht besiegen, sondern nur empfindliche Schläge austeilen und hoffen, dass Israel aufgibt.
Weltweit steigende Ölpreise und die Gefahr, dass sich der Krieg auf die ganze Region ausweitet, bringen die internationale Diplomatie auf Trab. Potenzielle Vermittler von China über Russland und die Türkei bis Europa bieten ihre Dienste an. US-Präsident Donald Trump behauptet sogar, eine iranisch-israelische Vereinbarung sei „leicht“ zu erreichen. Bundesaußenminister Johann Wadephul erwartet innerhalb der kommenden Tage eine Initiative zur Deeskalation.
Den ersten Versuch startete das EU-Land Zypern, das weniger als 300 Kilometer von Israel entfernt liegt und deshalb besonders exponiert ist. Präsident Nikos Christodoulides hat nach eigenen Angaben „einige Botschaften“ des Iran erhalten, die er an Israel weiterleiten will. Teheran dementierte zwar, dass es solche Botschaften gibt. Unbestreitbar ist aber, dass es hochrangige Kontakte zwischen Zypern und Iran gibt. Die Außenminister beider Länder, Constantinos Kombos und Abbas Araghci, sprachen bereits wenigen Stunde nach den ersten israelischen Angriffen am Freitag miteinander.
Beide Seiten schwer getroffen
Russland, das gute Beziehungen zu beiden Kriegsparteien hat, bot sich am Montag ebenfalls als Vermittler an. Arash Azizi, Iran-Experte an der Universität Boston, sieht Raum für Bewegung, weil „beide Seiten schwer getroffen worden sind und kaum Aussichten haben, einen Durchbruch zu erzwingen“, wie er unserer Zeitung sagte.
Die offizielle Kriegsrhetorik beider Seiten bleibt vorerst unversöhnlich. Die iranische Revolutionsgarde gibt als Ziel die „komplette Zerstörung“ des jüdischen Staates aus. Netanjahu sagte, eine Deeskalation stehe nicht zur Debatte.
Teheran stellt aber klar, dass Verhandlungen möglich sind. Außenminister Araghci sagte, der Iran werde den Raketenbeschuss einstellen, wenn Israel nicht mehr angreife. Präsident Massud Peseschkian betonte, sein Land strebe keine Atomwaffen an. Damit signalisierte die iranische Führung, dass sie zu einer Fortsetzung der Atomverhandlungen mit Trumps Regierung bereit ist, wenn Israel das Feuer einstellt.
Der Iran hatte die für das vorige Wochenende geplante Fortsetzung der Verhandlungen wegen des israelischen Angriffs abgesagt. „Wenn für die iranische Führung eine gesichtswahrende Rückkehr zu Verhandlungen ermöglicht wird, könnten die Gespräche wieder beginnen“, sagt Gerhard Mangott, Experte für Internationale Beziehungen an der Universität Innsbruck. Es gebe aber mächtige Gruppen, die keine Verhandlungen wollten, etwa die Revolutionsgarde.
Entscheidend ist die Haltung der USA
Das letzte Wort auf iranischer Seite hat Regimechef Ajatollah Ali Chamenei, der als vorsichtiger Taktiker einen großen Krieg und eine existenzielle Bedrohung für die Islamische Republik vermeiden möchte. Präsident Peseschkian schlägt jedenfalls bereits Pflöcke für neue Gesprächsrunden ein: Der Iran bestehe auf dem Recht zur Urananreicherung für zivile Zwecke, sagte er. Das iranische Parlament baut Verhandlungsmasse auf, indem es ein Gesetz zur Aufkündigung der iranischen Mitgliedschaft im Atomsperrvertrag auf die Tagesordnung setzt.
Anders als Peseschkians Regierung lässt Israels Führung bisher nicht erkennen, dass sie einen Ausweg sucht. „Israel hat kein Interesse an einer Verhandlungslösung, sondern will das iranische Nuklearprogramm zerstören und, wenn möglich, auch einen Regimewechsel im Iran herbeiführen“, sagte Mangott unserer Zeitung.
Entscheidend ist die Haltung der USA. Trump lehnt bisher Netanjahus Forderung ab, sich am Krieg gegen den Iran zu beteiligen. Sollten steigende Öl- und Benzinpreise die Konjunktur in den USA gefährden und Wähler des Präsidenten verärgern, könnte Washington versuchen, Druck auf Israel zu machen. Trump hält ohnehin am Ziel einer Verhandlungslösung fest und hofft darauf, dass ein militärisch geschwächter Iran kompromissbereiter sein wird.
Auch andere westliche Staaten zeigen kein Interesse, zusammen mit Israel in den Krieg zu ziehen. Wenn der Westen deutlich macht, dass Israel auf sich alleine gestellt ist, könnte das der Regierung in Jerusalem zu denken geben. Auch Sicherheitsexperte Mangott sieht eine Chance: Ein international isoliertes Israel könnte neue Atomverhandlungen zwischen den USA und Iran akzeptieren.