Proteste in Kalifornien

Kaliforniens Gouverneur wird immer mehr zum Anti-Trump

Gavin Newsom schärft im Widerstand gegen die Entsendung der Nationalgarde und des US-Militärs nach Los Angeles sein Profil als Gegner des US-Präsidenten.

Gavin Newsom bringt sich politisch  in Stellung.

© imago/Newscom World

Gavin Newsom bringt sich politisch in Stellung.

Von Thomas Spang

Es war nach halb zwei in der Nacht an der Ostküste, als Donald Trump und Gavin Newsom am Samstag miteinander telefonierten. Der Präsident hatte dem Gouverneur des größten Bundesstaates zuvor eine Nachricht auf seinem Anrufbeantworter hinterlassen. Newsom wollte Trump versichern, dass die Lage in Los Angeles nach den Protesten gegen die Abschieberazzien der Einwanderungspolizei ICE unter Kontrolle sei. Doch Trump hörte Newsom gar nicht zu und drohte mit einer Intervention.

Newsom hatte versucht, genau das zu vermeiden. Er weiß, Einwanderung ist kein Thema für seine nationale Profilierung. Anders als im Latino-geprägten Kalifornien unterstützt eine Mehrheit der Amerikaner Trumps geplante Massenabschiebungen. Das schmälert Newsoms Ambitionen, 2028 als Präsidentschaftskandidat der Demokraten das Weiße Haus zurückzugewinnen.

Kalifornischer Lieblingsfeind

Trump erkannte zielsicher Newsoms Schwachstelle, der nach seiner Zeit als Bürgermeister von San Francisco seit 2019 an der Spitze Kaliforniens steht – dem unter seiner Führung zur viertgrößten Volkswirtschaft aufgestiegenen Bundesstaat. Indem Trump gegen den Willen des Gouverneurs 4000 Nationalgardisten mobilisierte und 700 US-Marines nach Los Angeles schickte, um Proteste gegen seine Abschieberazzien niederzuschlagen, zwang er ihn zum Handeln.

David Axelrod, der frühere Berater Barack Obamas, brachte Newsoms Dilemma auf den Punkt. Wenn er sich bei den Vorwahlen als Kandidat der Demokraten durchsetzen wolle, „muss er diesen Provokationen verdammt noch mal etwas entgegensetzen“. Newsom schlug hart zurück und fand sich in einem Kräftemessen mit einem Präsidenten wieder, der nichts so sehr liebt wie den politischen Straßenkampf. Trump wechselte nahtlos von seinen Attacken gegen den in Ungnade gefallenen Elon Musk zu Angriffen auf seinen kalifornischen Lieblingsfeind. Der Schlagabtausch kulminierte in der Empfehlung an den für die Massendeportationen zuständigen Tom Homan, den Demokraten festzunehmen. „Ich würde es machen, wenn ich Tom wäre“, sagte Trump.

Als ein Reporter Trump am Montag fragte, welche Straftat Newsom vorgeworfen werden sollte, antwortete der Präsident, sein Hauptverbrechen sei seine „so schlechte Arbeit“ für Kalifornien. „Was er diesem Staat angetan hat, ist wie das, was Biden diesem Land angetan hat.“

Politischer Märtyrer der Demokraten

Newsoms Strategie, sich als Kandidat der Demokraten für 2028 zu positionieren, läuft das entgegen. Die sah vor, sich von dem linken Flügel seiner Partei abzusetzen und Trump gleichzeitig hart zu kritisieren. Seit Februar dieses Jahres moderiert Newsom den Podcast „This is Gavin Newsom“, in dem er bewusst kontroverse Gäste wie Steve Bannon und Charlie Kirk einlädt.

Nach den verheerenden Großbränden in Los Angeles hatte Newsom noch versucht, Trump milde zu stimmen, obwohl dieser ihm schon damals mit erfundenen Vorwürfen bezüglich des Wassermanagements gekommen war. Der Präsident hatte fälschlicherweise behauptet, Los Angeles habe nicht genug Wasser zum Löschen, weil Kalifornien einen „wertlosen Fisch namens Stint“ schützen wolle. Newsom hieß ihn dennoch persönlich am Flughafen willkommen.

Mit diesem Drahtseilakt ist nun Schluss. Newsom findet sich in der Rolle des Anti-Trump wieder. Und stilisiert sich zum politischen Märtyrer der Demokraten. „Der Präsident der Vereinigten Staaten hat gerade zur Festnahme eines amtierenden Gouverneurs aufgerufen. Das ist ein Tag, den ich in Amerika nie erleben wollte“, postete er nach den Drohungen Trumps gegen ihn. Dies sei ein „unverkennbarer Schritt in Richtung Autoritarismus“. Nicht entschieden ist, wie dieses Kräftemessen ausgeht, das Risiken für beide Seiten birgt.

Den Preis zahlt im Moment Los Angeles, das Trump zum Schauplatz einer inszenierten Krise macht, in der Tausende Soldaten gegen die eigenen Bürger aufmarschieren.

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Erstellt:
10. Juni 2025, 18:04 Uhr

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