Kirchenkirnberger bleiben selbstbewusst

Später änderte sich auch das Ortsbild. Die Stadt Murrhardt baute 1985 die Gemeindehalle (schräg gegenüber der Kirche mit großem roten Dach), 2002 erfolgte schließlich der Ausbau der Ortsdurchfahrt inklusive Kreisel bei der Kirchenkirnberger Kirche (oben links). Foto: F. Muhl

© Florian Muhl

Später änderte sich auch das Ortsbild. Die Stadt Murrhardt baute 1985 die Gemeindehalle (schräg gegenüber der Kirche mit großem roten Dach), 2002 erfolgte schließlich der Ausbau der Ortsdurchfahrt inklusive Kreisel bei der Kirchenkirnberger Kirche (oben links). Foto: F. Muhl

Von Elisabeth Klaper

Murrhardt. Zur Entwicklung nach der Gemeindereform berichtet Stadtrat Rolf Kirschbaum, dass man bei der Schulreform 1973 die Einklassenschule in Unterneustetten und die Grundschule in Kirchenkirnberg auflöste. Das Schulhaus baute man zum evangelischen Kindergarten mit Verwaltungsstelle um, die die Stadt 2002 wegen zu geringer Inanspruchnahme schloss. 1978 kaufte das Land das alte Gasthaus Krone in der Ortsmitte und riss es ab, um die Kreuzung der Landesstraßen1149 und 1150 zu verbessern. Dort baute die Stadt Murrhardt 1985 die Gemeindehalle, doch erst 2002 erfolgte der Ausbau der Ortsdurchfahrt und des Kreuzungsbereichs mit Minikreisel und beidseitigen Gehwegen durch das Land mit finanzieller Beteiligung der Stadt.

1978, vor der Gemeinderatswahl 1980, änderten Stadtverwaltung und Stadtparlament die Hauptsatzung und schafften die unechte Teilortswahl ab, die dem Stadtbezirk zwei Sitze im Murrhardter Gemeinderat garantierte. Somit war Kirchenkirnberg nach der Gemeinderatswahl nicht mehr im Gemeinderat vertreten. Im Juli 1980 erhoben die Kirchenkirnberger Bürger Heinrich Dieterich und Erich Wohlfarth beim Landratsamt Einspruch gegen das Ergebnis der Gemeinderatswahl in Murrhardt am 22. Juni. Sie beantragten, die Wahl für ungültig zu erklären, eine Neuwahl anzuordnen und dem Stadtbezirk die diesem zustehenden zwei Sitze im Gemeinderat zu garantieren. Sie argumentierten, durch die Änderung der Hauptsatzung mit Abschaffung der unechten Teilortswahl sei das Gerechtigkeitsgefühl der Bürger von Kirchenkirnberg verletzt worden.

Die Bürgerschaft organisiert das Salzkuchenfest, das es bis heute gibt

Indes war der Einspruch erfolglos und führte zur Gründung des Vereins Bürgerschaft Kirchenkirnberg am 14. November 1980 durch 58 Bürger. Dessen Ziel ist es, die Interessen des Stadtbezirks gegenüber der Stadt zu vertreten. Wichtige Vereinsaufgaben sind die Vertretung der Bürgerschaft gegenüber den Organen der Stadtverwaltung, Aufstellung und Vertretung von Wahlvorschlägen, Initiierung und Durchführung von Bürgerbegehren und -entscheiden. Der Verein setzte sich teils erfolgreich dafür ein, einen örtlichen Vertreter in den Gemeinderat zu wählen. Ein wichtiges Anliegen ist auch die Pflege der Dorfgemeinschaft, wozu der Verein das Salzkuchenfest organisierte, das Gefallenendenkmal auf dem Friedhof ausbaute und gemeinnützige örtliche Einrichtungen und Vereine mit Zuschüssen unterstützt.

Zeitzeuge Erich Wohlfarth, Gründungsmitglied und langjähriger Vorsitzender des Vereins Bürgerschaft Kirchenkirnberg, erinnert sich: „Bei der Gemeindereform waren zahlreiche Einwohner für eine Eingemeindung nach Gschwend. Allerdings befürchteten sie verschiedene Nachteile, wenn Kirchenkirnberg zum Kreis Schwäbisch Hall oder zum Ostalbkreis zugeordnet worden wäre, auch da Gschwend eine eher ländliche Kommune war, Murrhardt hingegen eine Stadt mit städtischen Einrichtungen.“ Laut Wohlfarth diskutierte man im Sommer 1980 über die Einführung einer Ortschaftsverfassung und eines Ortschaftsrates für Kirchenkirnberg als Ersatz für die weggefallenen Gemeinderatssitze, aber der Murrhardter Gemeinderat lehnte dies mehrheitlich ab.

Grund zur Abschaffung der unechten Teilortswahl war „die Reduzierung der Gemeinderatssitze. Zugleich wollte man den Stadtbezirken und Teilorten mehr Chancen einräumen, einen Stadtrat zu wählen und eigene Listen aufzustellen, aber dazu waren weder deren Einwohner noch die Parteien in der Lage“, erklärt Altstadtrat Rolf Schweizer. In Kirchenkirnberg „gab es aus unterschiedlichen Gründen Abneigungen gegen die Walterichstadt, etliche Einwohner wollten trotz großer Finanzprobleme der Gemeinde auch nicht zu anderen Nachbarkommunen und die Selbstständigkeit beibehalten“.

Zwar hatten am 4. April 1971 bei der Bürgeranhörung rund 94 Prozent für den Anschluss an Murrhardt gestimmt. Allerdings waren damals auch nur 58 Prozent der Wahlberechtigten zur Abstimmung gekommen. Es ist zu vermuten, dass sich unter den restlichen 42 Prozent auch diejenigen befanden, die Rolf Schweizer beschreibt. Er ergänzt außerdem, dass die Bürger der Kirchenkirnberger Teilorte Weidenbach, Weidenhof und Bruch für die Eingemeindung nach Kaisersbach stimmten.

Die wichtigsten Punkte der Vereinbarung über die Eingliederung

Das örtliche Brauchtum Kirchenkirnbergs soll erhalten bleiben und das kulturelle Eigenleben sich auch weiterhin frei entfalten können.

Die Stadt Murrhardt wird die bestehenden kulturellen und sportlichen Vereinigungen fördern und unterstützen.

Die unechte Teilortswahl wird beibehalten: Kirchenkirnberg und die Teilorte erhalten zwei Sitze, für die zwei Wahlbezirke gebildet werden.

Die Stadt richtet im künftigen Stadtbezirk eine örtliche Verwaltungsstelle ein. Sie nimmt alle Aufgaben wahr, die dort erledigt werden können, um der Bevölkerung den Weg zum Rathaus nach Murrhardt zu ersparen.

Am 1. Juli 1971 tritt die Hauptsatzung der Stadt Murrhardt im Stadtbezirk Kirchenkirnberg in Kraft. Die Steuersätze der Stadt Murrhardt gelten ab 1. Januar 1972. Dasselbe gilt für die Gebühren, Beiträge und sonstigen öffentlichen Abgaben, soweit nicht Übergangs- oder Ausnahmeregelungen vereinbart sind. Die übrigen ortsrechtlichen Bestimmungen der Stadt Murrhardt treten jeweils am Tag nach der öffentlichen Bekanntmachung im Stadtbezirk Kirchenkirnberg in Kraft. Die Stadt Murrhardt berücksichtigt besondere Wünsche und gibt besondere Zusicherungen: Sie ist auf Dauer verpflichtet, alle im Stadtbezirk Kirchenkirnberg bestehenden und neu anfallenden Aufgaben zu erfüllen.

Sie wird den Bebauungsplan für das Gebiet Strut aufstellen, umsetzen und das Gebiet erschließen. Voraussetzung für eine weitere bauliche Entwicklung ist die Abwasserbeseitigung mit einer Kläranlage und der erforderlichen Flächenkanalisation. Die Baumaßnahmen sollen innerhalb von sechs Jahren abgeschlossen sein. Die Wasserversorgung im Stadtbezirk und den Teilorten wird sichergestellt und die in Planung befindliche Verbesserung im Teilort Mettelbach zügig vollendet. Für eine Übergangszeit bis zum 31. Dezember 1974 bleiben Trinkwasser- und Abwassergebühren in der bisherigen Höhe bestehen, danach gelten die Gebührensätze der Stadt Murrhardt.

Der Sportplatz wird der Sportvereinigung Kirchenkirnberg auf Dauer zur Verfügung gestellt und der begonnene Ausbau des Vereinsheims mit Umkleidegebäude auf der Grundlage der bisherigen Finanzierung fertiggestellt.

Die Feuerwehr im Stadtbezirk und in den Teilorten wird organisatorisch als Abteilung in die Feuerwehr der Stadt Murrhardt eingegliedert.

Die Fremdenverkehrsaufgaben des Stadtbezirks werden fortgeführt und bestmöglich gefördert. Bei Industrieansiedlungen werden nur Betriebe zugelassen, die den Fremdenverkehr nicht stören.

Das Freibad darf ohne zwingenden Grund nicht aufgegeben werden.

Die Rücklage zum Bau einer Leichenhalle wird bestimmungsgemäß verwendet.

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Erstellt:
31. August 2021, 06:00 Uhr

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