Kirchenkirnberger favorisieren Murrhardt
50 Jahre Gemeindereform in Murrhardt (4): Das Land wollte die Gemeinde eigentlich Gschwend und dem Kreis Schwäbisch Hall zuordnen, aber die Bürger fühlten sich der Walterichstadt verbunden. Sie wurden von sich aus aktiv und ihr Ort konnte sich Murrhardt anschließen.

So sah das Rathaus in Kirchenkirnberg im Jahr 1955 aus. Mit der Eingemeindung richtete man aber eine Verwaltungsstelle ein, sodass die Bürger nicht unbedingt nach Murrhardt mussten. Foto: Stadtarchiv Murrhardt
Von Elisabeth Klaper
Murrhardt. Die Einwohner Kirchenkirnbergs wehrten sich bei der Gemeindereform gegen die Zielplanung des Landes und setzten ihren Willen durch. Im Frühjahr 1970 informierte Bürgermeister Friedrich Krauss den Gemeinderat über die Vorschläge des Landratsamts Backnang zur Zielplanung. Danach sollte Kirchenkirnberg nach Gschwend eingemeindet und dem neuen Kreis Schwäbisch Hall, später dem Ostalbkreis zugeordnet werden.
Damit waren aber die Kirchenkirnberger nicht einverstanden: Nach dem Willen eines Großteils der Bevölkerung sollte die Gemeinde in die Stadt Murrhardt eingegliedert werden, ausgenommen die Ortsteile Bruch, Weidenbach und Weidenhof, die nach Kaisersbach und Welzheim orientiert waren. Zwischen Kirchenkirnberg und Murrhardt bestanden viel mehr Beziehungen und bessere Verkehrsverbindungen als nach Gschwend, auch war in der Stadt die Bahnstation für den Personen- und Güterverkehr und ein Teil der Schüler besuchte Murrhardter Schulen.
Darum lehnte der Gemeinderat den Vorschlag des Landratsamts ab und schlug stattdessen die Zuordnung zum künftigen Rems-Murr-Kreis vor. Dies begründeten die Räte damit, dass die wirtschaftlichen und geschäftlichen Verbindungen Kirchenkirnbergs sowie die verkehrsmäßige Erschließung nach Murrhardt ausgerichtet seien, das zuständige Amtsgericht und Finanzamt sich in Backnang befänden und kein Einziger der 200 Auspendler im Kreis Schwäbisch Hall arbeitete.
Kirchenkirnbergs Bürgermeister Krauss kündigte an, nicht mehr zu kandidieren
Kirchenkirnberg müsse sich freiwillig in die Stadt Murrhardt eingliedern, um der Zuteilung zum Kreis Schwäbisch Hall zu entkommen, verdeutlichte Bürgermeister Krauss in nicht öffentlicher Gemeinderatssitzung am 27. Januar 1971. Seine Amtszeit ende im Januar 1973, und er werde sich nicht mehr zur Wahl stellen. Daher stellte der Gemeinderat direkt an den Landtag den Antrag, die Gemeinde Kirchenkirnberg dem künftigen Rems-Murr-Kreis zuzuordnen. Zugleich sollten Verhandlungen mit der Stadt Murrhardt mit dem Ziel der Eingliederung aufgenommen werden. Dazu arbeiteten Bürgermeister Krauss und Vertreter der Stadtverwaltung gemeinsam eine Eingliederungsvereinbarung aus. Deren Entwurf vom 10. Februar billigte der Gemeinderat am 24. Februar 1971, und in einer Bürgerversammlung am 5. März stellte man ihn vor und zur Diskussion.
Am 4. April folgte die Bürgeranhörung mit Abstimmung über die Frage: „Sind Sie mit der Eingliederung der Gemeinde Kirchenkirnberg in die Stadt Murrhardt einverstanden?“ Daran beteiligten sich 58 Prozent der (Wahl-)Berechtigten, und das Ergebnis war eindeutig: 320 Bürger, rund 94 Prozent, stimmten mit Ja, nur 20 Bürger mit Nein. Dies zeige, „dass der Gemeinderat, der mit der Eingliederung in die Stadt Murrhardt das Bestmöglichste für die Gemeinde herausholen will, die volle Unterstützung der Bürger hat“, hob Bürgermeister Krauss hervor. So votierte der Gemeinderat für die Eingemeindung Kirchenkirnbergs nach Murrhardt.
Am 5. Mai 1971 wählte der Gemeinderat Gerhard Bernlöhr und Friedrich Schuh als Vertreter Kirchenkirnbergs im Stadtparlament. Am 15. Mai unterzeichneten die Bürgermeister Friedrich Krauss und Helmut Götz den Eingliederungsvertrag bei einer gemeinsamen Sitzung beider Gemeinderäte. Dabei hob Bürgermeister Helmut Götz die guten Beziehungen zwischen der Stadt und der Gemeinde hervor und lobte die Haltung des Kirchenkirnberger Gemeinderats, der sich entschieden gegen eine Zuordnung zu einem anderen Kreis wehrte. „Das Ja der Kirchenkirnberger Bürger ist ein Beispiel von Einsicht, Entschlossenheit, Vertrauen und Verbundenheit“, betonte Götz und versicherte „allen Bürgern von Kirchenkirnberg, dass wir uns alle Mühe geben werden, uns dieses Vertrauens würdig zu erweisen“. Bürgermeister Krauss erzählte aus Kirchenkirnbergs Geschichte: Die Gemeinde „war ab 1809 selbstständig und zuvor mit Kaisersbach verbunden. Das Pfarrdorf im Schwäbischen Wald war kirchlicher Mittelpunkt eines weiten Umkreises, zu dem auch Gschwend gehörte.“ 1182 wurde der Ort erstmals urkundlich erwähnt, als ihn das Kloster Murrhardt ans Kloster Adelberg verkaufte. „Die Gemeinde mit 20 Ortsteilen lag stets am Rand des jeweiligen übergeordneten Verwaltungsbezirks, früher dominierte die Landwirtschaft, seit einigen Jahrzehnten wandelte sie sich zur Arbeiterwohngemeinde. Nach dem Zweiten Weltkrieg wuchs die Einwohnerzahl von 700 auf 950“, so Friedrich Krauss.
Zwischen Kirchenkirnberg und Murrhardt bestehe eine „gute Nachbarschaft von altersher“. Kirchenkirnberger Gemeinde- und Murrhardter Stadträte bekräftigten: „Alle Anliegen und Wünsche der Einwohner Kirchenkirnbergs werden wohlwollend geprüft und bisherige Gepflogenheiten respektiert.“