Klartext vom Mann am SG-Mikrofon

Seit mehr als zwei Jahrzehnten ist Tankred Volkmer nun Stadionsprecher bei Großaspachs Fußballern. Der 53-Jährige hat in der Zeit die vier Aufstiege hoch in die Dritte Liga ebenso miterlebt wie die zwei Abstiege binnen zwei Jahren und die damit verbundene Rückkehr in die Oberliga.

Nach dem Regionalliga-Abstieg brauchte Tankred Volkmer Trost vom sportlichen Leiter Benedikt Röcker (links). Dabei fehlt es dem Mann am Mikrofon sonst selten an klaren Worten. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Nach dem Regionalliga-Abstieg brauchte Tankred Volkmer Trost vom sportlichen Leiter Benedikt Röcker (links). Dabei fehlt es dem Mann am Mikrofon sonst selten an klaren Worten. Foto: Alexander Becher

Von Uwe Flegel

„Ich bin immer dabei, sofern ich nicht im Urlaub bin oder selbst einen Wettkampf habe“, sagt Tankred Volkmer. Deshalb wird er sich morgen trotz des Großaspacher Abstiegs auf den Weg zur Partie bei Rot-Weiß Koblenz machen. Der 53-Jährige, als Team-Welt- und -Europameister sowie Einzel-Vizewelt- und -Vizeeuropameister im Poolbillard für Rollstuhlfahrer selbst ein erfolgreicher Sportler, ist am Ball, wenn die Fußballer der SG Sonnenhof ab 14 Uhr im Stadion Oberwerth ihren vorerst letzten Regionalliga-Auftritt haben. So, wie es der Stadionsprecher schon seit der Zeit tut, in der die Elf aus dem Fautenhau noch in der Landesliga um Punkte kämpfte.

Seit mehr als zwei Jahrzehnten ist der in Althütte aufgewachsene und dort immer noch wohnende Volkmer bei den Schwaben der Mann am Mikrofon. Er, der beim TSV Althütte selbst Fußball spielte, bis ihn ein Autounfall in den Rollstuhl zwang, hat seither alle Aufstiege inklusive der sechs Jahre Dritte Liga mitgemacht und er hat nun binnen zwei Jahren die ersten beiden Abstiege der Klubgeschichte miterlebt. „Jetzt sind wir wieder da, wo wir vor 15 Jahren auch waren“, bilanziert er trocken. Nach dem 3:1 gegen Ulm vergangenen Samstag und den gleichzeitigen Punktgewinnen der Konkurrenz aus Frankfurt und Hoffenheim sah sein Gefühlsleben ein wenig anders aus. Tankred Volkmer brauchte selbst Trost. „Es hat mich einfach übermannt“, blickt er auf die Minuten nach dem Spiel zurück. Kurz zuvor hatte er übers Mikrofon den Fans noch Mut zugesprochen und gesagt: „Ich verspreche, die SG Sonnenhof kommt wieder zurück.“

Tankred Volkmer kann sich den Einbruch in dieser Saison selbst nicht erklären

Bleibt die Frage, weshalb die SG überhaupt runtermusste von der vierten Liga? „Ich kann es mir nicht erklären. Am Anfang der Saison und gegen Ulm haben die Spieler ja gezeigt, dass sie es können“, antwortet er, der durchaus bekannt dafür ist, Klartext zu reden. Wie Mitte Dezember, als er nach dem 0:4 im letzten Heimspiel gegen den damals ebenfalls noch abstiegsgefährdeten FC Astoria Walldorf die Fans sowie Spieler in die Winterpause verabschiedete und dabei dem einen oder anderen Fußballer empfahl, sich doch bis zum Wiederbeginn einen anderen Verein zu suchen, wenn er sich mit der SG nicht identifizieren wolle. Fünf Monate später sagt er dazu: „Das hätte ich in der Form nicht sagen dürfen. Es ist einfach so aus mir rausgebrochen.“ So wie es einem halt manchmal passiert, wenn er Woche für Woche am Spielfeldrand mitleiden muss.

Nun, nachdem das Kind in Aspach das zweite Mal binnen zwei Jahren in den Brunnen gefallen ist, findet das Mitglied des Vereinsbeirats erneut deutliche Worte. Zum Beispiel bei der Anmerkung, dass rein rechnerisch die Rettung mithilfe eines 8:0 beim Sechstletzten Koblenz noch möglich ist. „Hör mir auf“, gibt der 53-Jährige kurz und knapp zurück. Redseliger wird er bei der Frage, wie’s zu der Negativentwicklung kommen konnte. „Für mich hat es mit dem Abstieg aus der Dritten Liga begonnen und ist eng mit dem Namen Markus Lang verbunden.“ Er glaubt, dass die SG mit dem mittlerweile für den Oberligisten FSV 08 Bissingen tätigen 46-jährigen Coach den Turnaround geschafft hätte, wenn der Klub den damaligen Co-Trainer zum Chef befördert hätte. Auch, weil der ehemalige Meistermacher der TSG Backnang den Verein und die Region bestens kenne. So wie der künftige Trainer Evangelos Sbonias (39). „Seit ich weiß, dass er den Posten übernimmt, verspüre ich wieder Zuversicht.“

Lang und Sbonias verströmen für Tankred Volkmer die Form der Regionalität, die ein Verein wie die SG Sonnenhof einfach brauche. Egal in welcher Liga. Und deshalb merkt er noch an: „Der neue Co-Trainer Julian Schieber ist zum Glück auch von hier.“ Seine Forderung: „Wir müssen wieder ein Verein mit Perspektive werden“– auch für Spieler aus der Region. Seine Überzeugung: „Wir haben im Laufe der Drittliga-Jahre unsere DNA verloren und nie zurückbekommen.“ Seine Forderung für den Neuaufbau nach dem Neuaufbau und den geschätzten sechs Umbrüchen zuvor: „Weniger Schickimicki“ und wieder mehr Dorfklub.

Spieler mit dem Herzen und der Mentalität eines Dominik Salz oder des Abwehrvorkämpfers Kai Gehring wünscht er sich und sagt: „Wir brauchen Typen, die für Verein und Team einstehen. Wir haben lauter nette Kerle, aber wir brauchen welche, die’s auch mal knallen lassen.“ Wobei der Altgediente weit davon entfernt ist, die Misere nur der sportlichen Leitung in die Schuhe zu schieben: „Deren Job möchte ich nicht machen. Joannis Koukoutrigas zum Beispiel war für mich immer ein Zauberer und ich frage mich auch heute noch, wo der damals die ganzen Spieler hergebracht hat, die uns weitergeholfen haben.“ Er sieht sich und den gesamten Klub in der Pflicht. Wichtig ist für ihn, zu begreifen, „dass wir kein Dritt- und kein Regionalligist mehr sind, sondern Oberligist“. Dort will Volkmer seinen Verein aber vorne mitspielen sehen und will eine Mannschaft erleben, die sich als Einheit präsentiert. Denn: „Ich habe kein Problem, wenn man verliert, obwohl man sich den Hintern aufgerissen hat. Das aber erwarte ich und das wird am Ende immer belohnt.“ Egal, ob in der dritten, vierten oder künftig wieder fünften Liga. Einer Spielklasse, die für ihn durchaus Reize hat: „Ich freue mich auf die Spiele gegen Backnang und finde den Weg klasse, den die TSG hinter sich hat.“ Eine Entwicklung, die für ihn sogar ein Novum mit sich bringt. Bei seinem Einstieg als SG-Stadionsprecher vor 22 Jahren war das Duell weit weg von der Oberliga. Damals war es die Landesliga.

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Erstellt:
13. Mai 2022, 06:00 Uhr

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