Genetische Spurensuche
Kolumbiens frühe Jäger verschwanden vollständig
Neue Erkenntnisse zur Besiedlung Südamerikas: Forscher untersuchen Erbgut aus dem alten Kolumbien und entdecken eine bisher unbekannte frühe Population.

© Ana María Groot/Universidad Nacional de Colombia
Skelette zweier Jäger- und Sammlerindividuen, die in der archäologischen Stätte von Checua (Bogotá Altiplano) ausgegraben wurden.
Von Markus Brauer
Der Mensch besiedelte Südamerika von Norden kommend. Auf dem Gebiet des heutigen Kolumbiens betraten die ersten Jäger und Sammler den Kontinent, um sich von dort weiter auszubreiten.
Bisher unbekannte frühe Population
Genetische Hinweise auf eine bisher unbekannte frühe Population fand jetzt ein internationales Forscherteam der Universität Tübingen, des Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment und der Universidad Nacional de Colombia in Bogota.
Diese frühen Siedler des Altiplano, der Hochebene um Bogotá, die auf die Zeit vor 6000 Jahren datiert werden, stellen eine bisher noch nicht beschriebene Population dar. Sie verschwand vor spätestens 2000 Jahren und wurde von einer zweiten Migration aus Zentralamerika ersetzt. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift „Science Advances“ veröffentlicht.
A 6000-year-long genomic transect from the Bogotá Altiplano reveals multiple genetic shifts in the demographic history of Colombia | Science Advances https://t.co/pU8BgJeLjZ — Fabrício (@fabricioicirbaf) May 29, 2025
Erste Genomdaten aus Kolumbien
Die Forscher untersuchten das Erbgut von 21 Individuen aus fünf archäologischen Ausgrabungsstätten in der kolumbianischen Hochebene. „Dabei handelt es sich um die ersten jemals veröffentlichten menschlichen Genomdaten aus Kolumbien“ erläutert Cosimo Posth von der Universität Tübingen, Seniorautor der Studie.
Die Genproben wurden aus Knochen und Zähnen gewonnen und decken einen Zeitraum von fast 6000 Jahren ab, bis kurz vor Beginn der spanischen Kolonisierung. Die ältesten Individuen stammen aus der Ausgrabungsstätte Checua, nördlich von Bogotá, auf einer Höhe von rund 3000 Metern.
Vollständiger Wechsel der Bevölkerung
Das genetische Material aus der Ausgrabung in Checua gehört zu Individuen aus einer vergleichsweise kleinen Population von Jägern und Sammlern auf dem Altiplano.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Checua-Individuen von der frühesten Population abstammen, die sich innerhalb kürzester Zeit über Südamerika verbreitet und ausdifferenziert hat“, erläutert Kim-Louise Krettek vom Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment, Erstautorin der Studie.
Was die Forscher überraschte: Das Erbgut dieser Menschen verschwand vollständig aus der Bevölkerung und ist bereits bei etwa 2000 Jahre alten Individuen aus der Region nicht mehr nachweisbar.
Frühe Jäger-Bevölkerung hatte keine Nachfahren
„Wir konnten keine Nachfahren dieser frühen Jäger und Sammler der kolumbianischen Hochebene belegen. Das Genmaterial wurde nicht weitergegeben. Das heißt: Im Gebiet um Bogotá kam es zu einem vollständigen Wechsel der Bevölkerung“, erklärt Krettek.
Die genetischen Untersuchungen legten den Schluss nahe, dass die nachfolgende Kultur des Altiplanos durch Menschen aus zentralamerikanischen Regionen dorthin gelangte.
„Die Menschen dieser zweiten Migrationsbewegung brachten neben technologischen Entwicklungen, wie der Keramik, wahrscheinlich auch die Chibcha-Sprachen mit ins heutige Kolumbien. Ableger dieser Sprachfamilie werden heute noch in Zentralamerika gesprochen“, berichtet Mitautorin Andrea Casas-Vargas von der Universidad Nacional de Colombia.
Keine genetische Kontinuität
„Dass die genetischen Spuren einer ursprünglichen Population ganz verschwinden, ist ungewöhnlich, insbesondere in Südamerika“, sagt Casas-Vargas. Bisher sei in der Bevölkerung der Anden und des Südkegels von Südamerika über lange Zeiträume und kulturelle Veränderungen hinweg eine starke genetische Kontinuität beobachtet worden.
„So war es auch in der auf die Jäger und Sammler folgenden Populationen im kolumbianischen Altiplano bis zum Eintreffen der europäischen Eroberer vor etwa 500 Jahren, obwohl es in diesem Gebiet mit der Entwicklung der Muisca-Kultur einen massiven kulturellen Wandel gab“, sagt Casas-Vargas.