Kommentar: Vier-Tage-Woche ist längst passé
Kommentar: Vier-Tage-Woche ist längst passé
Von Matthias Schiermeyer
Stuttgart - Nicht alles, was nach Neuigkeit aussieht, ist auch eine: „Gewerkschaften fordern keine Vier-Tage-Woche mehr“, titelt ein Boulevardblatt mit Bezug auf die IG Metall – und viele Medien greifen es auf. Das Problem ist, dass dies seit Langem bekannt ist. Während der Ex-Gewerkschaftschef Jörg Hofmann die 32-Stunden-Woche noch als Modell der Zukunft propagiert hatte, war es mit dem Führungswechsel im Oktober 2023 erledigt. Praktisch von Beginn an hat sich seine Nachfolgerin Christiane Benner davon gelöst.
Seit Ausbruch der Wirtschaftskrise hat die IG Metall dringlichere Probleme zu lösen. Seither besteht überhaupt kein Verteilungsspielraum für eine Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich, um die es hier tatsächlich geht, sodass diese auch in der Tarifrunde 2024 keine Rolle gespielt hat.
Warum also kocht das Thema jetzt wieder hoch? Insbesondere Kanzler Friedrich Merz war zuletzt verstärkt gegen die Vier-Tage-Woche zu Felde gezogen – in seinen Augen ist sie das Symbol einer nicht mehr angemessenen Arbeitsmoral in Deutschland, die in der brenzligen Wirtschaftslage eher vom Ärmelhochkrempeln als vom Drang nach einer Work-Life-Balance geprägt sein sollte. Ihm ist entweder entgangen, dass sich die großen Gewerkschaften längst von dem alten Ziel abgewandt haben – oder er hat bewusst einen Popanz aufgebaut, der von den wichtigen Herausforderungen für die Bundesregierung in puncto Arbeit ablenken soll.