Urlaubsland an der Adria

Kroatiens Angst vor leeren Hotelbetten

Gestiegene Preise und die rückläufige Auslastung in der Vorsaison lassen das Touristenmekka an der Adria um die Hochsaison bangen.

Malerisches Dubrovnik: Doch zuletzt kamen deutlich weniger Touristen nach Kroatien.

© imago//Fokke Baarssen

Malerisches Dubrovnik: Doch zuletzt kamen deutlich weniger Touristen nach Kroatien.

Von Thomas Roser

Endlich hat die Sommersaison im Hafen von Split begonnen. Geschäftig dirigieren die Helfer in den weißen T-Shirts mit wedelnden Armen die anrollenden Blechkolonnen in die richtigen Warteschlangen. Laut rumpeln vollgepackte Familienvehikel, Busse und Lkw über die Rampen in die Rümpfe der mächtigen Inselfähren. Im Laufschritt und mit schaukelnden Rollkoffern im Schlepptau eilt eine Gruppe verspäteter Nachzügler über den sengenden Asphalt zur abfahrtsbereiten Fähre nach Vis.

Alle Fähren seien „voll besetzt“, die Inseln „gut besucht“, vermeldete zum Beginn der Sommerferien in Kroatien und den ex-jugoslawischen Nachbarstaaten am vergangenen Wochenende eine Sprecherin der staatlichen Fährgesellschaft „Jadrolinija“. 45 000 eingeflogene Touristen am Flughafen von Split und 47 000 abgefertigte Reisende im Hafen zeigten, „dass die diesjährige Saison auf Touren kommt“, zieht auch die staatliche „Hina“-Agentur nach dem ersten Ferienwochenende zufrieden Bilanz.

„Kroatien ist zu teuer“

Zwar spricht Kroatiens Tourismusministeriums hoffnungsfroh von einem „vielversprechenden“ Juni-Beginn. Doch eher sorgenvoll blicken die meisten Medien in die nahende Hochsaison. „Die Ferienunterkünfte füllen sich langsamer als letztes Jahr“, titelt besorgt die Zeitung „Jutarnji List“: „Kroatien ist zu teuer. Bringt die Saison 2025 die Ernüchterung?“

Es sind die unerwartet starken Besuchereinbrüche im Mai, die dem Adriastaat die bis dahin noch recht ordentliche Bilanz der Vorsaison verhagelt haben und die Tourismusbranche vor unbelegten Betten und einem Sommer der Enttäuschungen bangen lassen. Gegenüber dem Vorjahr sank die Zahl der Touristen im sonst so besucherstarken Mai um fünf Prozent, die der Übernachtungen gar um 14 Prozent.

Nur die kräftig angezogene Zahl der einheimischen Besucher vermochte dabei die starken Einbrüche bei den ausländischen Gästen etwas zu kompensieren. Rückläufige Gästezahlen wurden ausgerechnet aus den mitteleuropäischen Stammmärkten vermeldet, in denen das nahe Kroatien auch wegen der leichten Erreichbarkeit per Auto traditionell eines der populärsten Mittelmeerziele ist: Deutschland, Österreich, Polen und Ungarn.

Der Anteil der Besucher aus Deutschland hat sich fast halbiert

Machten die Deutschen im Mai 2024 noch 30 Prozent der Gäste aus, hat sich ihr Anteil ein Jahr später mit 16,5 Prozent fast halbiert. Laut Erhebungen der ETC, dem europäischen Dachverband nationaler Tourismusverbände, ist ausgerechnet das stark vom Tourismus abhängige Kroatien neben Island der einzige von 29 Staaten, der in diesem Jahr bislang rückläufige Besucherzahlen aufweist. „Albanien könnte Kroatien bei der Zahl der Touristen bald überholen“, unkt düster das Webportal „index.hr“.

Bei der Suche nach den Gründen, warum Kroatien an touristischer Zugkraft eingebüßt zu haben scheint, sind sich die Marktbeobachter einig. Einerseits ist der Adriastaat dank der starken Preissprünge in den letzten beiden Jahren selbst im Vergleich zu Mittelmeerkonkurrenten wie Spanien, Griechenland oder Portugal keineswegs mehr ein besonders günstiges Reiseland. Andererseits hält die Qualität der touristischen Dienstleistungen nicht immer Schritt mit dem kräftig angezogenen Preisniveau.

Seit der Pandemie wartet Kroatiens Tourismusbranche alljährlich mit neuen Besucherrekorden und Rekordumsätzen auf. Doch Trittbrettfahrer im Handel machten mit überzogenen Preiserhöhungen nach der Euro-Einführung 2023 ebenso ihren Schnitt wie manche der zu stark an der Preisschraube drehenden Gastronomen. Die kritisierte Branche begründete die Preissprünge der letzten Jahre hingegen mit der Inflation, den stark angezogenen Lohnkosten für die karg gewordenen Saisonkräfte, aber auch mit der erhöhten Steuer- und Abgabenlast.

Heimische Konsumenten haben zu Jahresbeginn mit empörten Käuferboykotten auf die galoppierenden Preise im Handel reagiert. Ausländische Touristen mit begrenztem Reisebudget schauen sich derweil nach günstigeren Reisezielen um. Die Kosten für Kroatienreisen seien in den letzten drei Jahren um 50 Prozent, die für Ferien in Griechenland oder Spanien hingegen nur um 15 bis 20 Prozent gestiegen, rechnet das britische Boulevardblatt „Daily Express“ vor: „Der steile Anstieg der Preise gefährdet den Ruf Kroatiens als bezahlbares Reiseziel.“

Zwar sollen laut Branchenverbänden zumindest zwei Drittel der Vermieter von Ferienwohnungen in dieser Saison keine weiteren Preiserhöhungen planen. Doch obwohl sich das Preisniveau laut der Regierung mittlerweile „stabilisiert“ hat, könnte dem Adriastaat in diesem Sommer eine schmerzhafte Quittung für das Verprellen seiner weniger begüterten Stammgäste drohen.

Vor allem im Juli und August boomt der Tourismus

Zwar versichert Kroatiens Tourismusministerium alljährlich, mehr auf Qualität statt auf Masse und stärker auf hochwertigeren und nachhaltigen Tourismus und eine bessere Auslastung in der Vor- und Nachsaison setzen zu wollen. Doch wenn in der Hochsaison die gewohnten Zuwächse ausbleiben, werden nicht nur Gastronomen und Hoteliers, sondern auch die Würdenträger in Zagreb nervös: Denn wie bisher wird an der Adria vor allem im Juli und August Kasse gemacht.

War der Mai wie von Zagreb erhofft nur ein Ausrutscher oder setzt sich der Trend rückläufiger Gästezahlen im Hochsommer fort? Langfristig sei das hohe Preisniveau nicht haltbar, da es auch nicht den gebotenen Leistungen entspreche, warnt der Ökonom Damir Novotny. Auf der Rekordzahl von 21,7 Millionen Touristen und 15 Milliarden Euro Umsatz im Vorjahr könne sich der Sektor nicht ausruhen, so die mahnende Botschaft von Premier Andrej Plenkovic: „Auch andere Länder haben Meer, Inseln und Strände. Wir sind nicht das einzige Reiseziel und müssen daher klug bei der Gestaltung unserer Preise sein.“

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Erstellt:
24. Juni 2025, 11:38 Uhr
Aktualisiert:
24. Juni 2025, 16:22 Uhr

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