Kunstvolle Koloraturen, filigrane Figuren

Das Vokalensemble Decantata und zwei Musiker spielen beim Konzert zum Karfreitag in der Murrhardter Stadtkirche.

Das Vokalensemble Decantata bilden Jeanne Seguin, Daniel Kartmann, Ute Gerteis, Thomas Meyer, Andreas Gerteis, Lisbeth Rasmussen Juel (sehend von links), Thomas Langlois mit der Tiorba und Victor Meriaux mit der Viola da Gamba (vorne kniend). Foto: Elisabeth Klaper

Das Vokalensemble Decantata bilden Jeanne Seguin, Daniel Kartmann, Ute Gerteis, Thomas Meyer, Andreas Gerteis, Lisbeth Rasmussen Juel (sehend von links), Thomas Langlois mit der Tiorba und Victor Meriaux mit der Viola da Gamba (vorne kniend). Foto: Elisabeth Klaper

Von Elisabeth Klaper

Murrhardt. Faszinierend schöne Vokal- und Instrumentalkompositionen aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts interpretierte das Vokalensemble Decantata authentisch und ästhetisch beim Konzert zum Karfreitag in der nahezu voll besetzten Stadtkirche. Das Programm beinhaltete keine Passionsmusik, sondern hochkarätige, vielschichtige und emotional berührende deutsche geistliche Motetten und Madrigale. Diese mehrstimmigen Tonkunstwerke zu Versen aus Psalmen, Worten von Propheten des Alten Testaments und geistlichen Texten verschiedener Autoren dienen zur Einkehr und Besinnung über zentrale Glaubensthemen. Diese gestalteten die Mitglieder des Vokalensembles aus dem Großraum Stuttgart, das Thomas Meyer leitet, in Interaktionen teils gemeinsam, teils in kleinen Gruppen mit klaren, lyrischen und anmutigen Stimmen, die ideal harmonieren.

Im Zentrum stehen zwei feierlich ernste Motetten von Heinrich Schütz

Ute Gerteis (Sopran I) und Jeanne Seguin (Sopran II) meisterten souverän komplexe Koloraturen mit sehr hohen Tönen und bildeten auch bezaubernde Duette. Lisbeth Rasmussen Juel imponierte mit warmer, nuancenreicher Altstimme, Andreas Gerteis mit hellem, klangvollem Tenor und Daniel Kartmann mit elegantem, dezentem Bass. Die Begleitung gestalteten die Musiker Thomas Langlois mit der italienischen Tiorba, einem Instrument der Lautenfamilie, und Victor Meriaux auf der Viola da Gamba, dem Gamben-Pendant zum Violoncello. Beide sind Absolventen der Schola Cantorum Basel, Institut für Alte Musik der dortigen Musikhochschule.

Im Zentrum standen zwei feierlich ernste Motetten von Heinrich Schütz, komponiert während des Dreißigjährigen Kriegs und veröffentlicht im Jahr des Westfälischen Friedens 1648. Heute sind sie bedrückend aktuell durch Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine mit immensen Zerstörungen, unermesslichem Leid und unzähligen Opfern. Innig und zugleich energisch boten die Künstler „Verleih uns Frieden“ dar, eine Vertonung des bekannten Gebets von Martin Luther nach der Antifon „Da pacem, Domine“. Ohne Pause folgte „Gib unsern Fürsten Fried“ zu einer Dichtung nach Worten aus dem zweiten Brief des Paulus an Timotheus.

In reizvollem Wechsel interpretierten die Künstler Werke verschiedener Komponisten mit einer großen Bandbreite der Emotionen und Stimmungen von Trauer und Klage bis zu Freude und Liebe klanglich differenziert, stimmungs- und würdevoll. So die facettenreiche Motette „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen“ zu Psalm 90 aus der Sammlung „Israelsbrünnlein“ von Johann Hermann Schein. Geradezu zärtlich wirkte „Herzlich lieb hab ich dich, Herr“, ein geistliches Madrigal von Tobias Michael aus der Sammlung „Musicalische Seelenlust“. Auf Jesu Kreuzigung bezieht sich der Vers „Und sie gaben mir Gallen zu essen und Essig zu trinken“ aus Psalm 69 in Melchior Francks klagendem „Die Schmach bricht mir mein Herz“ mit ineinander verwobenen Stimmen aus der Chorwerkesammlung „Paradisus Musicus“. Alle Kompositionen sind im virtuosen italienischen Stil gestaltet, der Vorbild für viele europäische Meister war. Er zeichnet sich aus durch kunstvolle, ornamentale melodische und harmonische Verflechtungen der Stimmen.

Mit Koloraturen ausgeschmückte, reich figurierte Passagen wechselten mit choralartigen Abschnitten, die in einigen Werken den Beginn und Abschluss bildeten. Emotionen und Stimmungen wurden durch unterschiedliche Ausdrucksformen und Klangfarben, Tempi und Rhythmen dargestellt. Die Musiker trugen zwei stilistisch ähnlich virtuose Instrumentalkompositionen vor. Victor Meriaux gestaltet die Melodiestimme auf der Viola da Gamba, die Tiorba untermalt sie mit filigranen Figurationen. „Susana Passeggiata“, etwa „Spaziergang zu Rosen oder Lilien“ des Spaniers Bartolomeo de Selma y Salverde, besteht aus reich ausgeschmückten Variationen zu Liedmelodien in verschiedenen Tanzrhythmen mit emotionalen Wirkungen. „Joissance vous donnerai“, etwa „Vergnügen werde ich euch schenken“ des Italieners Vincenzo Bonizzi wirkt zunächst schwermütig, dann entwickelt sich eine melodisch heitere Kantilene mit kunstreichen Verzierungselementen. Mit lang anhaltendem Applaus dankte das Publikum den Mitwirkenden für ihre überzeugend empfindungsreichen Interpretationen. Indes gab es auch Kritik: Das Programm sei zu lang und „immer dasselbe“ zu hören gewesen.

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Erstellt:
11. April 2023, 06:00 Uhr

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