Wettlauf um Zukunftstechnologien
Land investiert kräftig in KI und Robotik
Das Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme bekommt in Stuttgart einen Erweiterungsbau für rund 50 Millionen Euro. Die Landesregierung trägt die Hälfte der Kosten.

© Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme
Tastsinn für Roboter: Eine künstliche Hand im Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme.
Von Werner Ludwig
Ein Roboter, der die Spülmaschine ein- und ausräumt, ohne dass was zu Bruch geht – oder ein Exoskelett, dass es auch 85-Jährigen ermöglicht, ohne Probleme Ski zu fahren. Das sind für Christoph Keplinger nur zwei von zig Beispielen, wie Künstliche Intelligenz (KI) und Robotik unseren Alltag verändern könnten.
Keplinger ist Geschäftsführender Direktor am Max-Planck-Institut (MPI) für Intelligente Systeme, das in Tübingen und Stuttgart angesiedelt ist und zu dessen Forschungsschwerpunkten unter anderem von der Natur inspirierte Roboter gehören.
Das Institut ist ein Gründungsmitglied des Cyber Valley, dass im Jahr 2016 gemeinsam vom Land Baden-Württemberg und Partnern aus Industrie und Wissenschaft ins Leben gerufen wurde. Beteiligt am Cyber Valley sind unter anderem auch die Universitäten in Stuttgart und Tübingen, das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), die Fraunhofer-Gesellschaft sowie Unternehmen wie Amazon, Bosch oder Mercedes. Erklärtes Ziel der Initiative ist es, den Südwesten bei der Zukunftstechnologie KI an die Spitze zu bringen.
7400 Quadratmeter für Forscher, Gründer und Roboter
Nun folgt ein weiterer Schritt auf diesem Weg: Das MPI für Intelligente Systeme erhält an seinem Standort Stuttgart-Büsnau einen Erweiterungsbau für rund 50 Millionen Euro. Das Gebäude soll bis zum Herbst 2027 bezugsfertig sein und auf 7400 Quadratmetern Platz für Forscher, Gründer und natürlich Roboter bieten. Das Land trage rund die Hälfte der Kosten, sagte Wissenschaftsministerin Petra Olschowski (Grüne) am Donnerstag beim ersten Spatenstich für den Neubau. Der Stuttgarter Uni-Präsident Peter Middendorf sprach von einem Meilenstein für das Institut.
„Das Cyber Valley ist eines der bedeutendsten KI-Ökosysteme Europas“, schwärmte die Grünen-Politikerin. Doch die internationale Konkurrenz schlafe nicht. „Deshalb starten wir nun ins Cyber Valley 2.0“, so Olschowski. Entscheidend für den Erfolg des Forschungsverbundes sei die enge Verknüpfung zwischen Grundlagenforschung und Anwendung. „Wir müssen den Transfer in die Praxis gleich mitdenken.“ Bereits heute gebe es rund 90 Start-ups, die vom Netzwerk und den Strukturen des Cyber Valley profitierten.
Attraktiv für internationale Spitzenforscher
Die herausragende Position Baden-Württembergs auf den Gebieten KI und Robotik mache das Land auch für internationale Spitzenforscher attraktiv, betonte die Ministerin. Sie wie auch der Max-Planck-Präsident Patrick Cramer rechnen angesichts der wissenschaftsfeindlichen Politik der Trump-Regierung auch mit einem stärkeren Zustrom von Wissenschaftlern aus den USA. Gleichzeitig komme es gerade jetzt darauf an, bestehende Forschungspartnerschaften mit den USA zu stärken.
Robotik und KI wachsen derzeit mit enormer Geschwindigkeit zusammen. Künstliche Intelligenz bekommt dadurch auch eine physische Komponente. Mithilfe empfindlicher Sensoren können Roboter ihre Umgebung immer besser wahrnehmen und so unmittelbar etwas über die Welt lernen – anders als etwa der KI-Chatbot ChatGPT, der nur auf bereits niedergeschriebene Informationen zurückgreifen kann.
Was physische KI konkret bedeutet, zeigen einige Projekte von MPI-Forschern, die anlässlich des Spatenstichs in Stuttgart zu sehen waren. Dazu gehören künstliche Muskeln, die zum Beispiel in Exoskeletten eingesetzt werden können und Menschen mit körperlichen Einschränkungen eine größere Beweglichkeit ermöglichen sollen.
Die Wissenschaftler arbeiten auch an Roboterhänden mit Tastsinn. In die weichen Gummikappen der Roboterfinger werden dazu hochempfindliche Kameras und Mikrofone eingebaut, aus deren Signalen das System mittels KI die Oberflächenbeschaffenheit von Gegenständen ermitteln kann.
Eine Armmanschette gegen das Zittern
Tremor-Patienten sollen dank einer Art Manschette, die um den Arm gelegt wird, wieder ein Wasserglas halten können, ohne etwas zu verschütten. Dazu führt das Gerät gezielte Gegenbewegungen aus, die das Zittern der Hände kompensieren. Weitere Anwendungsbeispiele sind das intelligente Roboterbein, das sich auf ganz unterschiedlichen Untergründen sicher bewegen soll, oder ein von Quallen inspirierter Roboter, der sich im Wasser bewegen kann.
Das neue Gebäude werde auch in puncto Nachhaltigkeit auf der Höhe der Zeit sein, sagte Max-Planck-Präsident Cramer – etwa durch eine Fotovoltaikanlage und die Nutzung der Abwärme der Server, auf denen die KI-Anwendungen laufen sollen. Zentrales Element soll eine neun Meter hohe Halle mit der Fläche von vier Tennisplätzen bilden, in der Roboter aller Größen getestet werden können. Der Neubau biete „ein modernes und flexibles Arbeitsumfeld, das Kollaborationen fördert und Menschen zusammenbringt“, so Cramer. Beim Spatenstich hapert es indes noch etwas mit der Kollaboration. Erst beim dritten Versuch gelingt es den Beteiligten, mit den nagelneuen Spaten gleichzeitig etwas Erde in die Luft zu werfen, wie es der Fotograf sich gewünscht hatte.