Lange vermisst Kontakt zu den Bürgern

Der Backnanger SPD-Abgeordnete startet in sein letztes Jahr im Bundestag. Er will noch einige Projekte zu Ende bringen.

Nach sechs Legislaturperioden im Bundestag tritt Christian Lange bei der Wahl 2021 nicht mehr an. Für sein letztes Jahr hat er sich aber noch einiges vorgenommen. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Nach sechs Legislaturperioden im Bundestag tritt Christian Lange bei der Wahl 2021 nicht mehr an. Für sein letztes Jahr hat er sich aber noch einiges vorgenommen. Foto: A. Becher

Von Kornelius Fritz

BACKNANG. Nach mittlerweile 22 Jahren im Bundestag, könnte man meinen, gibt es nicht mehr viel, was Christian Lange überraschen kann. Doch das Coronajahr 2020 hat auch ihm die eine oder andere neue Erfahrung beschert. Zum Beispiel Wochenenden ohne Termine: „Das kannte ich überhaupt nicht mehr“, sagt der 56-Jährige. Wirklich glücklich sei er über die viele Freizeit aber nicht gewesen, denn der direkte Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern blieb dadurch auf der Strecke. Lediglich 50 Besucher aus seinem Wahlkreis begrüßte Lange im vergangenen Jahr in Berlin, sonst waren es immer dreimal so viele. Auch im Wahlkreis gab es so gut wie keine Veranstaltungen, bei denen er mit den Menschen ins Gespräch kommen konnte. „Das vermisse ich“, erklärte der Bundestagsabgeordnete gestern bei seiner jährlichen Pressekonferenz. Telefonsprechstunden und Videokonferenzen seien für ihn kein gleichwertiger Ersatz.

Zu tun gab es für den SPD-Politiker in den vergangenen Monaten trotzdem genug. Das Ministerium für Justiz und Verbraucherschutz, in dem Lange parlamentarischer Staatssekretär ist, stand in der Coronakrise zwar nicht an vorderster Front, aber auch dort war man mit den Folgen beschäftigt. Zum Beispiel, als es um die Stundung von Mieten oder um die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für Firmen ging, die durch die Pandemie in Schieflage geraten sind. „Vielen Unternehmen haben wir so eine Verschnaufpause gegeben“, sagt Lange.

Daneben strickt er mit seinem Ministerium noch an einer Reihe anderer Gesetze, zum Beispiel gegen Hass und Hetze im Netz. Ein Thema, das dem Backnanger besonders am Herzen liegt, ist zudem die Einführung eines Lobbyregisters, um den Einfluss von Interessensvertretern auf die Politik transparenter zu machen. Lange fordert dafür auch einen „legislativen Fußabdruck“. In der Politik sei es üblich, dass externe Experten, etwa aus Verbänden oder Unternehmen, bei der Formulierung von Gesetzen mitwirken. Das sei auch nicht grundsätzlich schlimm, aber es müsse für jedermann erkennbar sein: „Dann schaut man sich so ein Gesetz mit anderen Augen an.“

Beim Blick in seinen Wahlkreis Backnang/Schwäbisch Gmünd sieht Christian Lange Fortschritte beim Breitbandausbau. Zwölf Gemeinden aus der Region hätten dafür Fördergelder vom Bund erhalten, unter anderem Backnang, Murrhardt, Aspach, Weissach im Tal, Burgstetten, Oppenweiler und Spiegelberg. Die vergangenen Monate, als viele Berufstätige und Schüler zu Hause gearbeitet und gelernt haben, hätten gezeigt, wie wichtig eine moderne Infrastruktur in diesem Bereich ist.

Bei den wichtigsten Verkehrsprojekten wie dem vierspurigen Ausbau der B14 bis Backnang stehen die Signale aus Berlin ebenfalls auf Grün. Lange hat deshalb das Gefühl, dass er, wenn er sein Mandat wie angekündigt im kommenden Jahr abgibt, einen gut bestellten Wahlkreis hinterlässt.

Der wird übrigens seinen bisherigen Zuschnitt vorerst behalten, auch wenn Lange diesen nicht besonders glücklich findet. Denn zwischen Backnang und Schwäbisch Gmünd gibt es sonst kaum Verbindungen. Für den Abgeordneten bedeutet das unter anderem, dass er in beiden Städten ein eigenes Wahlkreisbüro betreibt und finanziert.

Wen die SPD nächstes Jahr an seiner Stelle ins Rennen schicken wird, ist noch unklar und Christian Lange will sich bei diesem Thema auch ganz raushalten. Zu den bundespolitischen Personalentscheidungen hat er hingegen eine klare Meinung: „Ich bin froh, dass Olaf Scholz unser Kanzlerkandidat ist. Er ist unser stabiler Anker in der Coronakrise.“ Als Gegenkandidat wäre ihm persönlich Friedrich Merz am liebsten: „Der ist mit seinen neoliberalen Positionen ja ein bisschen aus der Zeit gefallen. Da hätten wir eine klare Polarisierung.“

Zu seinen eigenen Zukunftsplänen kann und will sich Christian Lange noch nicht äußern. Als Regierungsmitglied darf er frühestens 18 Monate nach seinem Ausscheiden aus dem Amt eine Aufgabe in der freien Wirtschaft übernehmen. Auch Verhandlungen seien ihm vorher nicht gestattet. Somit bleibt noch reichlich Zeit, um Zukunftspläne zu schmieden. Eine Entscheidung hat er allerdings schon getroffen: Für den Ruhestand fühlt er sich mit 56 noch zu jung.

Einkünfte und Ausgaben

Wie jedes Jahr hat Christian Lange auch wieder seine Einkünfte offengelegt. Demnach kassierte er als parlamentarischer Staatssekretär ein Jahresgehalt von 151280 Euro und zusätzlich 74209 Euro für sein Bundestagsmandat.

Außerdem bezieht Lange eine steuerfreie Aufwandspauschale von jährlich 40359,24 Euro. Damit finanziert er unter anderem die Kosten für seine Bürgerbüros in Backnang und Schwäbisch Gmünd und die Miete für seine Wohnung in Berlin.

Weitere Nebeneinkünfte hat Christian Lange nicht. Als Regierungsmitglied wäre ihm dies auch nicht gestattet.

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Erstellt:
14. Oktober 2020, 06:00 Uhr

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