Majestätische Vielfalt an Klangfacetten

Kammerchor, Solisten und Instrumentalisten des Collegium musicum Stuttgart gestalten festliches Jubiläumskonzert

Der Kammerchor, Solisten und Instrumentalisten des Collegium musicum Stuttgart sind mit Kantor Gottfried Mayer (vorne) wieder zur Hochform aufgelaufen. Foto: E. Klaper

Der Kammerchor, Solisten und Instrumentalisten des Collegium musicum Stuttgart sind mit Kantor Gottfried Mayer (vorne) wieder zur Hochform aufgelaufen. Foto: E. Klaper

Von Elisabeth Klaper



MURRHARDT. Eine faszinierende Sternstunde der Kirchenmusik mit prunkvollen und klangfarbenreichen barocken, romantischen und modernen Tonkunstwerken erleben die vielen Zuhörer in der fast voll besetzten Stadtkirche beim Weihnachtskonzert zum Jubiläum 25 Jahre Kammerchor. Unter der Regie von Kantor Gottfried Mayer präsentieren die Chorsänger, Solisten und Instrumentalisten des Collegium musicum Stuttgart in Topform und als vollendet harmonisch interagierender Klangkörper virtuose Interpretationen von Meisterwerken von Johann Sebastian Bach und Felix Mendelssohn Bartholdy. Dabei erfüllen sie die Aufgaben der Verkündigung der Frohen Botschaft und der Pflege hochkarätiger Kirchenmusikkultur exzellent.

Ein wahres Juwel der Kompositionskunst Bachs ist die Kantate „Unser Mund sei voll Lachens“ zum ersten Weihnachtstag. Der Text preist und lobt Gott für das Weihnachtswunder, die Geburt seines Sohnes Jesus Christus. Mitreißend bringen die Mitwirkenden die große Freude darüber in vollkommener barocker Pracht und Schönheit zum Ausdruck. Souverän und ausdrucksstark meistern die hoch engagierten Chorsänger die lachenden und jubilierenden, teils enorm herausfordernden ornamentalen Koloraturen der Stimmen.

Musikalisch brillant und inhaltlich überzeugend tragen die vier Solisten die Arien und Rezitative vor. Empfindungsreich und mit Verve bringt die wunderschöne, in allen Höhen souveräne Stimme der Sopranistin Judith Wiesebrock die Texte und Melodien zur Geltung. Bezaubernd warm und nuancenreich erklingt die Altstimme von Hanna Roos. Energisch und kraftvoll, aber auch zartfühlend wirkt der helle Tenor von Stephan Frieß.

Bassist Johannes Held imponiert mit einer variablen Stimme, die in Tiefen und Höhen ebenso wie bei allen Emotionen Wohlklang entfaltet. Detailgenau und feinsinnig interpretieren die Musiker die kunstreich ausgearbeiteten Instrumentalpartien. So kommen die majestätische Klangfülle und der schwungvolle galoppartige Rhythmus bestens zur Entfaltung, und die festliche weihnachtliche Stimmung springt aufs Publikum über.

Der Einsatz zweier Hörner schafft Wärme und Erdung

Große Klangpracht entfalten die Akteure auch in der Kantate „Fallt mit Danken, fallt mit Loben“, die als vierter Teil in Bachs grandioses Weihnachtsoratorium eingegangen ist. Eine reizvolle neue, warme und dunklere Klangfarbe bringen zwei Hörner anstelle der sonst üblichen Trompeten ins Orchester. Ein besonderer Hörgenuss ist die „Echo-Arie“ des Soprans mit anmutiger Partie der Oboe und leisen Echorufen aus dem Chor, die ein Gespräch zwischen einer gläubigen Seele und Gott symbolisieren soll. Sie ist umrahmt von Bassrezitativen mit inniger Meditation über den Namen „Jesus“, hebräisch Yeshua, der wörtlich „Gott rettet“ bedeutet. Diese erstrahlt in fast überirdischer Schönheit durch die hinzukommenden Choralstrophen des glockenhellen Chorsoprans und den fein nuanciert schillernden Streicherklang.

Ein weiterer Höhepunkt ist die prachtvolle, durch Bach und die Barockmusik inspirierte Kantate „Vom Himmel hoch“ über Martin Luthers Weihnachtslied von Felix Mendelssohn Bartholdy. Sie zeichnet sich durch eine ungewöhnliche Fülle an Klangfarben aus: Diese entsteht dank des sinfonisch besetzten Orchesters und umfangreiche, ausgeschmückte Choral- und Chorsätze sowie kontrastreiche, innige Arien für Sopran und Bariton. So bringen die Sänger, Solisten und Musiker den Jubel der Engel beeindruckend feierlich und stimmungsvoll zur Entfaltung.

Ein dramaturgisch detailgenau passend zum Text gestaltetes, fast opernhaft anmutendes Hörerlebnis ist Mendelssohn Bartholdys Hymne „Hör mein Bitten“ nach Psalm 55. Mit aufgewühlten, düsteren, unheimlichen Klängen veranschaulichen Sänger und Musiker darin die Verzweiflung und Todesangst des Beters, den unzählige Feinde bedrohen. Mit starken Emotionen bringt Sopranistin Judith Wiesebrock zum Ausdruck, was der Beter empfindet, der am liebsten fliehen würde. Gemäß der Textaussage verwandelt sich die Musik zum Ende hin und illustriert, wie der Beter forteilt und Ruhe findet: In reichen Modulationen werden die Klangfarben heller und der Rhythmus langsamer, bis zum hoffnungsvollen Dur-Abschluss.

In starkem stilistischen und charakterlichen Kontrast dazu steht die Vertonung von Worten aus dem Hohelied des Salomo (Kapitel 2, Vers 6): „Seine linke Hand...“ aus „Vier Lieder der Liebe“ durch den schwedischen Kirchenmusik-Komponisten Sven-David Sandström, der im Juni 2019 starb. Stilvoll und innig gestalten die Kammerchorsänger in moderner Tonsprache und a cappella eine große Vielfalt von übereinandergeschichteten Tönen, die sich zum Teil auch reiben. So schaffen sie ein transzendent und mystisch wirkendes Klangkunstwerk aus ineinander verschmelzenden Stimmen und Akkorden, die durch den Kirchenraum schweben. Sie verdeutlichen ästhetisch die Aussage des Textes: Der oder die betende Gläubige ist geborgen bei Gott, wobei sich beide wie ein Liebespaar in den Armen liegen, allen Bedrohungen und Gefahren zum Trotz.

Mit Bravo- und Jubelausrufen sowie tosendem Beifall danken die Zuhörer den Mitwirkenden für das wunderbare Weihnachtskonzert.

Zum Artikel

Erstellt:
18. Dezember 2019, 10:06 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Lesen Sie jetzt!

Murrhardt und Umgebung

Sanierung der Karlstraße geht gut voran

Die Verantwortlichen sind mit dem Baufortschritt zufrieden. Knapp 70 Prozent der Straßenlänge haben bereits eine vielschichtige neue Infrastruktur erhalten. Wenn alles glattgeht, können die Arbeiten Ende Juli beziehungsweise Anfang August abgeschlossen werden.

Murrhardt und Umgebung

Ein Treffpunkt in stetigem Wandel

Kommunalwahl 2024 Die Stadt versucht, Handel, Dienstleister und weitere Innenakteure zu unterstützen – beispielsweise mit einem Programm für Neugründungen. Auch Aktionen, Veranstaltungen und gute Rahmenbedingungen sollen das Zentrum stärken und attraktiv halten.

Murrhardt und Umgebung

Das Rathaus hatte auch einen Tanzboden

Beim ersten Geschichtstreff des Jahres berichtet Historiker Andreas Kozlik über seine aktuellen historischen Forschungen zur Stadt Murrhardt in der Zeit zwischen dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs 1648 und dem Stadtbrand 1765. Ein Steuerbuch erweist sich als ergiebige Quelle.