Kanzler in Finnland

Merz sendet deutliche Botschaften an Putin

Der Kanzler rechnet nicht mit einem schnellen Kriegsende in der Ukraine. Im finnischen Turku trifft Friedrich Merz auch einen der derzeit gefragtesten Männer Europas.

An Bord: Friedrich Merz bei seinem Besuch im finnischen Turku.

© Kay Nietfeld/dpa

An Bord: Friedrich Merz bei seinem Besuch im finnischen Turku.

Von Tobias Peter

An der Wand hängt ein großes, hölzernes Schiffsteuerrad. Eines, das man im Unwetter erst einmal halten muss. Und das sicher einigen Kraftaufwand erfordert, wenn man umsteuern will.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) ist ins finnische Turku gereist. Bei einem Abendessen im Rahmen des Nordischen Gipfels hat er die Gelegenheit genutzt, die Regierungschefs von fünf Ländern gleichzeitig zu treffen: Finnland, Dänemark, Island, Norwegen und Schweden. Bei einer Pressekonferenz mit dem finnischen Ministerpräsidenten Petteri Orpo – ungewöhnlicher Veranstaltungsort: ein Schifffahrtsmuseum – sendet Merz gegen Ende der Reise einige deutliche Botschaften in Richtung Moskau.

Finnland hat eine 1340 Kilometer lange Grenze zu Russland. Also zu dem Land, dessen Präsidenten Wladimir Putin mit seinem Krieg gegen die Ukraine einen Angriff auf die Weltordnung nach dem Fall des Eisernen Vorhangs unternommen hat. Die USA und Europa haben seit dem Beginn des Kriegs im Jahr 2022 weitgehend gemeinsam gegen Putin agiert. Seit Donald Trump wieder als US-Präsident im Weißen Haus sitzt, ist nicht mehr sicher, wo die Vereinigten Staaten stehen. Und ob sich ihr Kurs – mit den Launen ihres Präsidenten – nicht womöglich täglich ändert.

Pessimistische Worte – und ein Versprechen

Merz macht also deutlich: „Putin versteht nur die Sprache der Stärke, nicht der Schwäche.“ Rumms. Die Außengrenze des EU- und Nato-Partners Finnland sei auch die Außengrenze Deutschlands. Das hören sie gern in den nordischen Staaten – so wie dort auch generell die Geste geschätzt wird, dass Merz früh in seiner Kanzlerschaft dorthin gereist ist. Es ist die logische Fortsetzung von Merz‘ Reisen nach Polen und Litauen. Der neue Kanzler hat sich vorgenommen: Deutschland soll wieder stärker eine Führungsrolle in Europa spielen. Gerade die Länder im Norden und Osten sollen spüren, dass sie mit ihren Sorgen von Deutschland gehört und ernstgenommen werden.

Ein klares Signal an Putin sind auch Worte, die eigentlich pessimistisch klingen. Merz lässt erkennen, dass er nicht unbedingt mit einem schnellen Kriegsende rechnet. Wenn man in die Geschichte schaue, gingen Kriege in der Regel durch wirtschaftliche oder militärische Erschöpfung einer Seite oder beider Seiten zu Ende, sagt Merz. „Davon sind wir in diesem Krieg offensichtlich noch weit entfernt.“

Für den russischen Präsidenten bedeutet diese Zustandsbeschreibung durch den deutschen Bundeskanzler vor allem eines: Nimmt er Merz beim Wort, muss er sich darauf einstellen, dass Deutschland und Europa noch lange mit der Hilfe für die Ukraine durchhalten werden. Der Kanzler sagt ausdrücklich, eine womöglich noch längere Dauer des Krieges ändere nichts an der Entschlossenheit die Ukraine zu unterstützen.

Viel Beachtung hat auch Merz‘ Äußerung vom Anfang der Woche in Berlin gefunden, dass es keine Reichweitenbeschränkungen mehr für Waffen gebe, die an die Ukraine geliefert worden seien. Der Kanzler bekräftigt in Turku auf Nachfrage hin noch einmal das, was er gesagt hat. Er habe „etwas beschrieben, was schon seit Monaten geschieht, dass die Ukraine nämlich das Recht hat, die Waffen, die sie geliefert bekommt, auch einzusetzen, auch jenseits der eigenen Landesgrenzen einzusetzen gegen militärische Ziele auf russischem Staatsgebiet“.

Der Finne mit dem guten Draht zu Trump

Sein Vorgänger Olaf Scholz hatte das zwar 2024 gebilligt, als es im Kampf um die Großstadtregion Charkiw um den Einsatz bestimmter Waffen gegen Stellungen auf russischem Gebiet ging. Insgesamt vertrat Scholz aber immer eine eher defensive Linie. Richtig ist aber auch: Deutschland hat keine extrem weit reichenden Waffen geliefert, die nun für die beschriebene Frage besonders relevant wären. Es handelt sich bei dem, was Merz sagt, also erst einmal vor allem um ein verbales Umsteuern.

In Turku wird darüber hinaus deutlich: Merz will nicht nur eine möglichst einheitliche europäische Linie gegenüber Putin zu organisieren. Er versucht gemeinsam mit anderen europäischen Ländern auch, die USA an Bord zu halten. Direkt nach dem gemeinsamen Auftritt mit dem Regierungschef Orpo traf der Kanzler auch noch Präsident Alexander Stubb in dessen Sommerresidenz. Der Finne hat einen guten Draht zu Trump. Damit ist er ein gefragter Mann in Europa.

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Erstellt:
27. Mai 2025, 16:40 Uhr

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