„Mir hat es viel Freude gemacht“

Interview Erich Hägele, im Mai 1993 zum Präsidenten des Sportkreises Rems-Murr gewählt, hört morgen auf. Im Vorfeld spricht der 78-Jährige über die Bilanz seiner Ära und seine Art der Amtsführung sowie über zwei verpasste Chancen.

Erich Hägele beim Jubiläum der Backnanger Fußballschiedsrichtergruppe, einem der letzten Termine in offizieller Mission. Foto: Tobias Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Erich Hägele beim Jubiläum der Backnanger Fußballschiedsrichtergruppe, einem der letzten Termine in offizieller Mission. Foto: Tobias Sellmaier

Vor acht Jahren sorgte eine Umfrage im Auftrag der SPD-Landtagsfraktion für einen Lacher. Einen fiktiven Sozialdemokraten namens Erich Hägele kannten immerhin 22 Prozent der Befragten und damit mehr als die damalige reale Grünen-Fraktionschefin Edith Sitzmann. Ob es an dem schwäbischen Allerweltsnamen lag oder doch daran, dass viele Befragte den echten Erich Hägele, seines Zeichens ein CDU-Mann und zugleich Präsident des Sportkreises Rems-Murr, im Hinterkopf abgespeichert hatten? Wer weiß. Klar ist: Der 78-Jährige, der in Backnang geboren ist und bis zu seinem Umzug nach Neckarweihingen vor 14 Jahren jahrzehntelang in Weissach im Tal lebte, ist zumindest in der Region bekannt wie ein bunter Hund.

Nach mehr als 29 Jahren als Sportkreis- präsident ist für Sie morgen Schluss. Fällt es Ihnen leicht, loszulassen?

Ich höre voller Überzeugung und mit freudigem Herzen auf. Es fällt mir leicht, loszulassen, weil ich ein gutes Team präsentieren kann, das die Aufgaben übernimmt. Im einen oder anderen Fall werde ich weiter mithelfen, aber der große Zeitdruck ist weg.

An der Sportkreisspitze herrscht Kontinuität. 25 Jahre Emil Erlenbusch, 6 Jahre Erich Friesch, 15 Jahre Giselher Gruber, 29 Jahre Erich Hägele – das war es seit 1947. Ist es „das schönste Amt neben dem Papst“, wie Franz Müntefering einst über den SPD-Vorsitz gesagt hat?

Mir hat dieses Amt von Anfang an viel Freude gemacht, auch wenn ich es zunächst gar nicht unbedingt wollte. Es hat mir auch deshalb Spaß gemacht, weil ich nicht nur die Pflichtaufgaben erledigt habe, sondern auch viele eigene Ideen einbringen konnte, die zum Wohle der Vereine umgesetzt wurden.

Ist das auch die Erklärung, warum der Sportkreis unter Ihrer Regie eine weitaus offensivere Öffentlichkeitsarbeit betrieben hat, als es andere Sportkreise tun?

Ich habe das gemacht, weil ich durch mein enormes Netzwerk viele Kontakte in die Politik hatte. Ich habe dort meine Ideen vorgestellt und das hat dann unter anderem ein Stück weit zur Entstehung des Solidarpakts beigetragen, mit dem das Land den Breiten-, Leistungs- und Schulsport fördert. Bei solchen Dingen muss die Öffentlichkeit informiert sein, damit es breit gestreut ist und es alle lesen, die letztlich drüber entscheiden.

Was haben Sie in den vergangenen knapp drei Jahrzehnten als Hauptaufgaben des Sportkreises betrachtet?

Es ging vor allem darum, die Vereine in allen Punkten zu unterstützen, in denen sie es benötigt haben. Man musste aber auch aufzeigen, dass das Ehrenamt das Hauptamt als Unterstützung braucht. Mittlerweile haben die großen Klubs bereits hauptamtliche Mitarbeiter und dieser Weg muss weiter massiv verfolgt werden, denn die Ehrenamtlichen sind vor allem tagsüber immer stärker in ihren Berufen eingespannt und können bestimmte Aufgaben deshalb nicht erledigen.

Um Politik und Wirtschaft zu bewegen, den Sportkreis und die Klubs zu unterstützen, putzten Sie viele Klinken. Haben Ihre Ansprechpartner auch manchmal Geld lockergemacht, damit Sie nicht so schnell wieder an die Tür klopfen?

Ich glaube, dass es meine Ansprechpartner trotz meiner fordernden Art in aller Regel aus Überzeugung gemacht haben.

Ein Herzensanliegen war Ihnen stets die Förderung des Ehrenamts. Hat das trotz Ihres Plädoyers für hauptamtliche Hilfe noch eine Zukunft und sind für verdiente Mitarbeiter die Ehrungen, die sie von Ihnen erhalten, wirklich ein Ansporn?

Das Ehrenamt braucht das Hauptamt immer mehr, es ist aber natürlich auch selbst weiterhin wichtig. Der Ansporn über Ehrungen ist bei einem großen Teil vorhanden, aber das nimmt etwas ab. Eine Nadel ist schön, muss aber von anderen Maßnahmen begleitet werden – zum Beispiel im Fußball von einer Einladung zu einem Länderspiel. Das müssen Highlights sein, bei denen sich die Ehrenamtlichen untereinander treffen.

Auch in jungen Jahren hatte Erich Hägele schon oft etwas zu sagen. Foto: BKZ-Archiv

Auch in jungen Jahren hatte Erich Hägele schon oft etwas zu sagen. Foto: BKZ-Archiv

Sehr wichtig waren Ihnen auch immer das Zeltlager Salbengehren, das Sportabzeichen und die Partnerschaften. Warum? Fangen wir mit dem Zeltlager an.

Ich habe beim Zeltlager anfangs von Abriss gesprochen, weil wir der einzige Sportkreis in Baden-Württemberg sind, der eines hat. Die, die es behalten wollten, haben eine tolle Geschichte daraus gemacht. Ich habe das unterstützt und nach Sponsoren gesucht. Es sind pro Jahr etwa 1200 Kinder zu Gast, die oft aus Familien kommen, die sich andere Urlaube nicht leisten können. Ich bin stolz darauf, dass das Zeltlager zum Ende meiner Amtszeit weitgehend modernisiert ist oder teils noch wird und das nötige Geld einschließlich einer Rücklage vorhanden ist.

Und das Deutsche Sportabzeichen...

Diejenigen, die es in den Vereinen machen wollten, haben es gemacht. Dort kamen wir nicht mehr weiter. Wir sind deshalb in die Schulen gegangen und waren damit sehr erfolgreich. Diese Kinder sind teils auch neue Mitglieder in den Vereinen geworden, die sie für sich gewonnen haben. Zugleich muss man fürs Sportabzeichen aber kein Vereinsmitglied sein. Es ist also ein Angebot an die gesamte Bevölkerung und deshalb halte ich es nach vor für eine gute Sache.

Zuletzt noch die Partnerschaften.

Egal, ob es Partnerschaften des Landkreises, des Sportkreises, der Städte und Gemeinden waren: Es lag mir immer am Herzen, übergreifende Kontakte zu schaffen und auch Menschen im Ausland zu treffen, um zu verstehen, was sie bewegt und was man transportieren kann. Wir haben zum Beispiel im Komitat Baranya in Ungarn viele, viele Jahre das Sportabzeichen angeboten.

Wohl keiner spricht Ihnen Ihr nimmermüdes Engagement für den Sport und die Vereine ab. Zugleich wird oft über Ihre Omnipräsenz gewitzelt. Hand aufs Herz: Hat es auch etwas Ihr Ego gestreichelt, mit Sport-, Wirtschafts- und Politikgrößen an einem Tisch zu sitzen?

Als Sohn des Bürgermeisters habe ich das in Weissach im Tal erlebt und hatte es deshalb im Blut. Sicher hat es mir aber auch gutgetan, beispielsweise im Fußball solche Persönlichkeiten wie Aki Watzke in Dortmund kennenzulernen und mit ihnen zusammenzusitzen. Das war ein Teil und ein Gewinn meiner Tätigkeit, aber um das zu erreichen, muss man auch harte Arbeit leisten. Wenn der VfB-Vorstandsvorsitzende Alexander Wehrle zu meiner Verabschiedung kommt, macht mich das schon stolz, ganz ehrlich.

Was würden Sie in aller Kürze als die drei größten Erfolge in Ihrer langen Amtszeit bezeichnen? Erstens...

Der Sportkreis hat in der Politik einen Namen und wird zu allen Punkten angehört. Auch das hat mit zu so wichtigen Entscheidungen wie dem Solidarpakt beigetragen.

Zweitens...

Durch die Sponsorengewinnung, zuletzt haben wir in der Coronapandemie über 100000 Euro gesammelt, können wir Dinge für die Vereine umsetzen, die eigentlich Freiwilligkeitsleistungen sind. Es ist zum Beispiel ein Topf angedacht, um Fahrtkosten für die Sportler zu erstatten, die zu Meisterschaften außerhalb des Rems-Murr-Kreises fahren.

Drittens...

Es ist mir gelungen, mit Oberbürgermeistern und Bürgermeistern einen Weg zu finden, dass sie die Vereine unterstützen. Insbesondere in der Coronaphase haben unsere größeren Kommunen, von den kleineren habe ich das nicht im Einzelnen erfahren, weiterhin Zuschüsse gegeben. Nicht jeder Wunsch wird sofort erfüllt, manchmal dauert es wie bei der Karl-Euerle-Halle in Backnang auch länger, aber im Grunde genommen sind die Wünsche der Klubs im Rems-Murr-Kreis weitgehend erfüllt worden.

Ihr größtes Ziel soll es gewesen sein, einmal Präsident des VfB Stuttgart zu werden. Haben Sie es verschmerzt, dass daraus nichts geworden ist?

Ich habe in meinem Leben zwei große Fehler gemacht, in Anführungsstrichen. Der eine war, dass ich meinen Hut für die CDU-Landtagskandidatur 1992 nicht in den Ring geworfen habe. Ich wäre an der Basis unterwegs gewesen – nicht nur bei den CDUMitgliedern, sondern bei allen Bürgern. Der andere Fehler war, dass ich damals nicht als Nachfolger von Gerhard Mayer-Vorfelder als VfB-Präsident kandidiert habe. Ich sage immer spaßeshalber dazu: Der VfB würde heute in der Champions League spielen.

Schauen Sie die WM in Katar und verträgt sich das Turnier mit Werten wie Teamgeist, Respekt und Fair Play, die Sie als Sportkreischef vertreten haben?

Meine Frau wird kein Spiel schauen – außer wenn Spanien ins Endspiel kommt, weil sie aus Barcelona stammt. Ich habe mir vorgenommen, die deutschen Partien zu schauen, wobei ich ein Vorrundenduell wegen eines Parallelspiels der Handballer des TVB Stuttgart verpasse. Sonst möchte ich mich nicht in die Riege derer einreihen, die mit Begeisterung für die WM in Katar sind. Ich halte sie in dieser Form für falsch, aber dafür ist es zu spät. Das hätten die Herren ganz oben früher anders entscheiden müssen.

Ein Quintett um Althüttes Bürgermeister Reinhold Sczuka übernimmt die Sportkreisführung. Hauen Sie schlaue Tipps raus oder halten Sie sich zurück?

Ich habe mir absolute Zurückhaltung auferlegt. Wenn ich Ehrenpräsident werde, wovon ich ausgehe, werde ich zu den Sitzungen eingeladen, habe es in der Satzung aber selbst so verändert, dass der Ehrenpräsident kein Stimmrecht in diesem Gremium hat.

Ziehen Sie sich wirklich komplett in den Funktionärsruhestand zurück?

Ich bin diese Woche zum Kassenprüfer der SG Sonnenhof gewählt worden. Solche Kleinigkeiten können schon noch auf mich zukommen. Sonst habe ich noch zwei Hauptaufgaben: Ich bin Vorsitzender des Instituts für Sportgeschichte und Ehrenrat beim Landesverband der Karnevalisten. Beim Sportkreis kümmere ich mich weiter um Sponsorenpflege und Sponsorengewinnung. Sonst bin ich noch stellvertretender Vorsitzender des Ebniseevereins und habe einige andere kleine, wichtige Aufgaben, aber immer in enger Abstimmung mit Reinhold Sczuka.

Das Gespräch führte Steffen Grün.

Doppelveranstaltung am Samstag

Sportkreistag Los geht es im Bürgerzentrum in Waiblingen am morgigen Samstag um 10.30 Uhr. Auf der Tagesordnung stehen unter anderem die Berichte des scheidenden Sportkreispräsidenten Erich Hägele und weiterer Verantwortlicher sowie die Neuwahlen, bei denen sich zum Beispiel das neue fünfköpfige Sportkreispräsidium um Sprecher Reinhold Sczuka der Abstimmung stellt.

Festakt Es ist das Finale der Jubiläumsveranstaltungen zum 75. Geburtstag des Sportkreises Rems-Murr und zugleich die Verabschiedung des Präsidenten Erich Hägele nach fast drei Jahrzehnten. Der Festakt im Bürgerzentrum in Waiblingen beginnt um 14 Uhr und dürfte eine Mammutveranstaltung werden. Zum Programm, das von Michael Antwerpes moderiert wird, gehören nicht weniger als fünf Reden und neun Interviews. Zu Wort kommen unter anderem der ehemalige EU-Kommissar Günther Oettinger, der VfB-Vorstandsvorsitzende Alexander Wehrle, der WLSB-Präsident Andreas Felchle und der künftige Ex-Sportkreispräsident selbst. Verschiedene Auftritte, etwa der Seniorengruppe des TV Murrhardt, gibt es obendrein.

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Erstellt:
18. November 2022, 06:00 Uhr

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