„Gespräche im Gottlieb“
Misha Kaufmann und Kai Häfner vor dem Derby – ein Talk mit klarer Kante
Im Talkformat unserer Zeitung geben Stars abseits des Fußballs Einblicke in ihren Sport. Diesmal spielten sich Kai Häfner und Misha Kaufmann vom TVB Stuttgart kurzweilig die Bälle zu.

© Pressefoto Baumann
Gespräche im „Gottlieb“: Ex-Nationalspieler Kai Häfner (li.) und Trainer Misha Kaufmann (re.) im Interview mit unserem Managing Editor Sport, Dirk Preiß.
Von Jürgen Frey
Es ist der vorletzte Abend vor dem Derby gegen Frisch Auf Göppingen. Trainer Misha Kaufmann und Ex-Nationalspieler Kai Häfner vom TVB Stuttgart kommen gelöst und gut gelaunt in Bad Cannstatt an. Von Anspannung vor dem Handball-Bundesliga-Duell in der Porsche-Arena (Donnerstag, 19 Uhr) keine Spur. Bei der fünften Auflage des Talkformats unserer Zeitung „Gespräche im Gottlieb – Stuttgarter Sportstars hautnah“ zünden sie in den rund 70 Minuten ein Feuerwerk an blumigen Vergleichen und packenden Anekdoten.
„Wir hauen die Göppinger weg“
Ganz ohne rhetorischen Feinschliff stellt Häfner aber gleich zu Beginn kernig und kämpferisch klar: „Am Donnerstag hauen wir die Göppinger weg, da haben wir noch eine Rechnung offen.“ Er spielt auf die 28:29-Last-Minute-Niederlage am vorletzten Spieltag der vergangenen Saison an. Dadurch musste der TVB praktisch bis zur allerletzten Sekunde um den Klassenverbleib zittern. „Dass wir letztendlich erfolgreich durch diesen Sturm gegangen sind, hat mich gefestigt und noch weiter reifen lassen“, verrät Häfner.
Der Sturm ist überstanden, für frischen Wind soll der neue Trainer sogen. Wer Misha Kaufmann im bis auf den letzten Platz gefüllten Cafe Gottlieb erlebt, kann sich gut vorstellen, dass er auch einen ausgewachsenen Orkan auslösen kann – im positiven Sinne.
„Ich weiß, warum ich jeden Morgen aufstehe. Ich stehe auf für Platz eins. Ich gehe nicht irgendwo hin und sage: Wir werden 15. – dafür investiere und opfere ich zu viel“, erklärt der 41-Jährige und gibt spannende Einblicke wie er tickt: „Meine Frau und meine beiden Töchter leben in der Schweiz. Ich sehe sie nicht oft. Das allein zeigt mir, dass ich nicht hier bin, um Kaffee zu trinken oder Blumen zu sammeln. Ich bin hier, weil ich der beste Handballtrainer sein will und ich mit einer Mannschaft etwas erreichen will, das uns keiner zutraut.“
Der Mann redet unerschrocken. Klartext ist sein Markenzeichen, was im Profisport eher selten vorkommt. Doch er redet nicht nur, er lebt es auch tagtäglich vor. Wie wichtig das ist, fragt unser Sportreporter Dirk Preiß, der das Gespräch moderiert? „Trotz aller Eigenverantwortung der Spieler ist es schon sehr wichtig, dass der Trainer die Richtung vorgibt, die Leitplanken setzt – und das Auto durchmanövriert“, antwortet Häfner. Wie diese Leitplanken aussehen? Dies beschreibt Kaufmann an diesem Abend mit einer Vielzahl von anschaulichen Beispielen – äußerst selbstbewusst, aber immer sympathisch.
„Ich will die Spieler so inspirieren, damit sie verstehen, warum sie besser werden, wenn sie etwas Spezielles tun“, erklärt der 41-Jährige voller Leidenschaft seine Philosophie. Es gehe darum, bewusst in etwas zu investieren, um sich zu entwickeln, um zu wachsen. Kaufmann nennt das Beispiel vom freiwilligen Training. Am Anfang komme eigentlich keiner aus freien Stücken. Erst wenn ein Spieler bewusst merke, dass sich der Aufwand lohnt, ändere sich das. „Dann kommt plötzlich ein Aha-Effekt, in der Psychologie nennt man das die rote Kirsche. Wenn man die einmal gespürt hat, will man mehr davon“, ist sich Kaufmann sicher.
Solche Themen bespricht er gemeinsam mit der Mannschaft. „Von außen hat man das Gefühl, ich bin ein Diktator, aber ich habe gelernt, dass meine Hand allein nicht klatschen kann. Das heißt, ich muss andere von meinem Plan inspirieren“, betont der Schweizer.
Misha Kaufmann schwärmt von Kai Häfner
Eine Schlüsselrolle spielt dabei Kai Häfner. Wenn Kaufmann vom Europameister von 2016 und Olympia-Silbermedaillen-Gewinner von 2024 spricht, gerät er ins Schwärmen. Für den Trainer hat er nicht nur „die feinste Klinge der Liga“, der gebürtige Schwäbisch Gmünder ist für Kaufmann der Inbegriff des Musterprofis, mit unheimlichem Eigenantrieb und auch mit 36 Jahren noch lernwillig.
„Er hat noch vier, fünf – wenn sie mich fragen – vielleicht sogar noch sechs Jahre vor sich. Kai ist eine Inspiration auch für mich, und ich bin froh, dass ich mit solch einem Menschen an meiner Seite die Geschichte des TVB neu schreiben kann“, sagt Kaufmann voller Respekt und gibt offen eine nicht wirklich für möglich gehaltene Facette seiner eigenen Persönlichkeit preis: „Ich habe mir fast in die Hose gesch..., als ich am Anfang, als junger Trainer mit 41, in Stuttgart vor solchen Größen stand. Da war ich nervös, meine Stimme schlottrig und ich hatte ein paar schlaflose Nächte.“
Bleibt die Frage, wohin das mit dem TVB führt? Zumindest Kai Häfner hat dazu eine klare Meinung: „Ich bin fest davon überzeugt und da können sie mich beim Wort nehmen“, sagt er mit Blick auf die versammelten Handballfans im „Gottlieb“, „dass das, was Misha Kaufmann macht, irgendwann Erfolg bringt, weil einfach alles Hand und Fuß hat.“ Ob das schon gegen Frisch Auf der Fall ist, wird das Derby am Donnerstag zeigen.