Mit dem Blick aufs Unbekannte

Markus Eichenlaub serviert beim Orgelzyklus ein opulentes Menü selten gespielter Werke.

Markus Eichenlaub war schon vor drei Wochen in der Stadtkirche, um die Mühleisen-Orgel kennenzulernen und das Programm zusammenzustellen. Foto: E. Klaper

Markus Eichenlaub war schon vor drei Wochen in der Stadtkirche, um die Mühleisen-Orgel kennenzulernen und das Programm zusammenzustellen. Foto: E. Klaper

Von Elisabeth Klaper

MURRHARDT. Hörbar große Freude bereitet es Markus Eichenlaub, verantwortlich für die Orgelmusik im Speyerer Kaiser- und Mariendom, die breit gefächerten Klang-, Registrier- und Effektmöglichkeiten der Mühleisen-Orgel auszuloten. Schon vor drei Wochen sei er in der Stadtkirche gewesen, um dieses wunderbare Instrument kennenzulernen und das Programm zusammenzustellen, erzählt Kantor Gottfried Mayer vor einer großen Zuhörerschar bei der kurzen Einführung zum zweiten Konzert des Internationalen Orgelzyklus. Dabei erfüllt Markus Eichenlaub auch den Wunsch des Kantors, den Schwerpunkt auf Werke der deutschen Romantik zu legen. „Jede Orgel ist eine Herausforderung und verdient, bestmöglich dargestellt zu werden“, betont der Organist. „Ich schaue gern auf Unbekanntes“, darum enthält das Programm brillant interpretierte, selten gespielte Werke von einigen Komponisten, die heute fast vergessen oder auch kaum bekannt sind. So der niederländische Organist Gerard Bunk, der übrigens 1935 wegen eines Orgelbauprojekts die Orgelbauerfamilie Walcker in der Walterichstadt besuchte.

„Der opulente Klang der Werke Bunks, den Max Reger förderte, wurde in der Nachkriegszeit zur ganz schlanken, spröden und trockenen Orgeldiät“, bedauert Markus Eichenlaub. Ein umso üppigeres „Orgelfestmahl“ und imposantes Hörerlebnis ist Bunks grandiose Fantasie c-Moll mit dem Untertitel „Durch Nacht zum Licht“. Aus einem ganz kleinen, einfachen Motiv entwickelt Bunk eine majestätische Orgelsinfonie, bei der der Organist im wahrsten Sinne des Wortes alle Register zieht.

In diesem genialen Tonkunstwerk verbinden sich traditionelle und moderne Elemente sowie eine Vielzahl verschiedenartiger harmonischer Ideen zu einem universalen Klangpanorama. Die Bandbreite reicht von den tiefsten bis zu den höchsten Tönen und umfasst fast sämtliche Register und Effekte. Vielseitig ist auch das Charakterspektrum: Es umfasst ganz zarte, liebliche Melodik und sphärisch verträumt schwebende impressionistische Kadenzen. Ebenso dramatisch düstere, monumentale Akkordkaskaden, die sich in einen wie hellstes Sonnenlicht erstrahlenden, jubilierenden Schluss verwandeln.

Ein großes Hörvergnügen sind auch das Thema und neun Variationen über das baskische Volkslied „Nebel über dem Meer“ des wohl bedeutendsten baskischen Komponisten Jesús Guridi. Dessen Tonsprache umfasst Elemente aus der Spätromantik bis zur Moderne. Die Variationen beinhalten überaus abwechslungsreiche und innovative Register- und Klangfarbenkombinationen. Neben folkloristischen Blasinstrumentenklängen stehen virtuose Figurationen, in denen die Melodie umspielt wird, swingende tänzerische Rhythmen, scherzoartig verspielte Motive, aber auch atmosphärisch schwebende Klänge.

Als Hommage an Ludwig van Beethoven, dessen 250. Geburtstag heuer die Musikwelt feiert, präsentiert Markus Eichenlaub das wohl 1799 komponierte, bezaubernd anmutige Adagio assai aus den Fünf Stücken für Flötenuhr. Dieses mechanische Musikinstrument mit Orgelpfeifen war verbunden mit einer Uhr, die die Musik auslöste. Mithilfe einer Stiftwalze, auf die ein Musikstück gepresst war, erklang so eine Melodie, ohne dass dabei eine Person in Aktion trat. Beethovens Komposition in klassischer Tonsprache mit attraktiven, noch ans Rokoko erinnernden Figurationen in filigranen Flötenregistern ähnelt stilistisch der Musik von Wolfgang Amadeus Mozart, der ebenfalls einige Stücke für Flötenuhr schrieb.

Eine weitere Hommage an den Jubilar ist Carl Borromäus Waldecks Orgelfantasie über Motive aus Beethovens Sinfonien für verschiedene Flöten-, Klarinetten- und Streicher-Soloregister. Raffiniert kombiniert der Schüler Anton Bruckners darin in facettenreich ausgestalteten Klangbögen und feinen Kantilenen die Melodie „Ode an die Freude“ (Europahymne) mit dem Leitmotiv des Eroica-Finales.

An eine kunstvolle barocke Koloratur erinnert die Orgelbearbeitung eines Satzes aus der Sonate g-Moll für Violine Solo von Johann Sebastian Bach. Graziös verspielt wirkt die virtuose Fantasie F-Dur mit komplexem Pedalsolo des Bach-Schülers Johann Gottfried Müthel. Deutlich von Bach inspiriert ist das vielschichtige Allegro d-Moll mit Fantasie-Choral von Felix Mendelssohn Bartholdy.

Mit tosendem Beifall zeigen die Zuhörer ihre Begeisterung über das Konzert. Darin habe er „nur einen winzigen Ausschnitt aus der unendlichen Klangfarbenpracht dieser wundervollen Orgel“ hörbar gemacht, zu der er die gesamte Region beglückwünsche, betont Markus Eichenlaub zum Abschluss.

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Erstellt:
7. Juli 2020, 06:00 Uhr

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