Moderne Kreuzwegbilder für St. Maria

Heinrich Dyckmans hat einen neunteiligen Zyklus geschaffen, der die Passion Jesu Christi zeitgemäß und eingängig darstellt. Neben den künstlerisch-inhaltlichen Überlegungen hat für ihn auch der Bezug zur besonderen Architektur der katholischen Kirche eine wichtige Rolle gespielt.

Heinrich Dyckmans vor den Bildern des Zyklus in der katholischen Kirche Murrhardt, bei dem es ihm wichtig war, dass sie sich möglichst einfach erschließen. Foto: Stefan Bossow

© Stefan Bossow

Heinrich Dyckmans vor den Bildern des Zyklus in der katholischen Kirche Murrhardt, bei dem es ihm wichtig war, dass sie sich möglichst einfach erschließen. Foto: Stefan Bossow

Von Christine Schick

Murrhardt. Heinrich Dyckmans engagiert sich in der Seelsorgeeinheit oberes Murrtal, außerdem ist der Murrhardter Architekt – mittlerweile im Ruhestand – in vielen Bereichen künstlerisch-experimentell unterwegs. Letzteres blieb auch Pfarrer Jose Antony nicht verborgen. „Er kennt den Kreuzweg in Sulzbach an der Murr“, erzählt Dyckmans. Der Architekt gehörte zu der Gruppe, die im Jahr 2007 die großformatigen Bilder für die Kirche St. Paulus schuf, und Jose Antony regte an, sich auch für St. Maria eine Konzeption zu überlegen. Das habe sich einfach angeboten, wenn die Gemeinde schon über einen so künstlerisch Aktiven in den eigenen Reihen verfüge, erzählt der Pfarrer. Der Wunsch: einen modernen, großformatigen und farblich ansprechenden Bilderzyklus schaffen. Nachdem der Kirchengemeinderat eingebunden worden war, konnte sich Dyckmans an die Arbeit machen.

Platzierung mit Rücksicht auf den Raum

Dabei waren die Voraussetzungen wegen der Kirchenarchitektur besondere. St. Maria wurde im Jahr 2016 aufgrund ihrer spezifischen Gestaltung unter Denkmalschutz gestellt. In dem modernen, 1969 eingeweihten Kirchenbau sind eigentlich keine größeren Bilder zu sehen, um den Raumeindruck nicht zu schwächen. Eine Empfehlung, die auch Architekt Hans Werner Merkle selbst einmal gegeben hat, erläutert Dyckmans. Um dies zu beherzigen, entschied er sich dafür, den Zyklus an einer Wand direkt am Eingang der Kirche zu positionieren. „Das hat bedeutet, dass nicht ganz so viel Platz ist und ich etwas komprimieren musste.“ Dyckmans verdichtete die Passion in neun statt den üblichen 14 Bildern. In ihnen nimmt er außerdem über einzelne Flächenelemente immer wieder Bezug zu den Wänden des Kirchenraums und der besonderen Gestaltung. Am Anfang standen viele Kohle- und Bleistiftskizzen. Mit Montagen von Entwürfen in Fotografien der Standorts versuchte sich der 72-Jährige einer für ihn passenden Konzeption anzunähern. Relativ schnell wurde klar, dass die Handelnden der Szenerien weniger detailliert-realistisch, sondern stärker figurativ-schemenhaft ausfallen sollten. Zudem wollte Heinrich Dyckmans einen Kreuzwegbilderzyklus schaffen, der fast schon selbsterklärend und sehr eingängig ist. „Auch Kinder sollen die Bilder verstehen.“

Der Startschuss für die Umsetzung fiel im Januar vergangenen Jahres. Während er die Einzelleinwände noch auf der heimischen Terrasse grundierte, konnte er für die Gestaltung der Bilder einen der oberen Räume im katholischen Gemeindezentrum nutzen. Auch wenn der Kirchengemeinderat in Etappen Blicke auf das entstehende Werk werfen konnte, „war es schon eine Arbeit im stillen Kämmerlein“, die ihren Abschluss im November 2022 fand.

Beim Betrachten des Zyklus, der sich in drei Bildgruppen einteilen lässt, fallen verbindende, übergreifende und sich wiederholende Elemente genauso auf wie einzelne narrative und kreative Aspekte. Die Bilderzählung („ich habe mir das wie einen Film vorgestellt“) beginnt rechts mit dem letzten Abendmahl und zeigt auf einem zum Kreuz ansteigenden Weg – über eine dunkelbraun gehaltene Fläche – die wichtigen Stationen: Gethsemane, Pilatusszene , Jesus als Kreuzträger, Jesus wird seiner Kleider beraubt, Nagelung ans Kreuz, Kreuzestod, Grablegung und Auferstehung.

Gedämpfte Töne, moderne Elemente

Die Farben der Acrylbilder sind bewusst in gedämpften Tönen gehalten, was letztlich auch die Trauer widerspiegelt. In den Bildern trifft der horizontale Weg immer wieder auf einen vertikalen hellen, lichten Bereich, sodass das Kreuz allgegenwärtig ist. In den einzelnen thematischen Bildern stecken einerseits moderne, ganz aktuelle, andererseits auch kirchenhistorische Bezüge. Pilatus beispielsweise mutet mit Anzug und Krawatte fast schon wie ein Manager an, die Soldaten hat Dyckmans in Zeiten des Ukrainekriegs mit runden, zeitgenössischen Helmen ausgestattet. Beim Bild, in dem Jesus unter dem Kreuz fällt, hat er sich vom Expressionisten Wilhelm Lehmbruck inspirieren lassen, wobei er auch auf Assoziationen zu Vorkommnissen wie der Festnahme des Afroamerikaners George Floyd durch die Polizei, bei der dieser ums Leben kam, verweist. Das Nageln ans Kreuz ist als Nahaufnahme von Füßen und Hand gefasst und eine Nagelkrone korrespondiert mit der Dornenkrone in den vorderen Bildern. Die Kreuzigungsszene wirkt durch weiß umrandete Einzelfenster wie eine Bilderzählung in sich, wobei Dyckmans dies an die Gestaltung von Kirchenfenstern anlehnt und den Schriftzug „Im Kreuz ist das Heil“ integriert. Von der sehr dunkel gehaltenen Sarglegung hebt sich die Auferstehung mit breitem Lichteinfall ab. Mit Ostern kommt nun die Zeit, während der der neue Kreuzweg in St. Maria besondere Beachtung finden kann, auch wenn er schon zuvor in der Kirche seinen Platz gefunden hat. Pfarrer Antony hat bereits eine Reihe von positiven Rückmeldungen erhalten, wie er berichtet.

Heinrich Dyckmans ist Architekt und Mitglied der Gruppe „Ligne et Couleur“ in Stuttgart

Bildthemen In der ersten Bildgruppe finden sich Elemente zum Einzug in Jerusalem, zum letzten Abendmahl und Garten Gethsemane (Bild 1), zu Pilatus und der Verurteilung (2) und zum Tragen des Kreuzes mit Simon von Cyrene (3). Die zweite Gruppe erzählt, wie Jesus unter dem Kreuz fällt – mit den weinenden Frauen (4), wie Jesus seiner Kleider beraubt (5) und ans Kreuz genagelt wird (6). Im dritten Teil folgt auf den Tod am Kreuz mit nur angedeutetem Kopfprofil (7) das Begräbnis (8) und seine Auferstehung mit auseinander kippenden Wänden und dem Weg ins Licht (9).

Schaffensbereiche Heinrich Dyckmans ist Architekt und war bis 2016 als solcher tätig. Darüber hinaus hat sich der 72-Jährige in vielen Gebieten kreativ umgetan und experimentiert. In der Malerei hat er mit Acryl, Öl und Aquarell gearbeitet, weitere Bereiche sind Plastik, Skulptur und Bildhauerei. Auch einen Teil der Kulissen des Ostergartens hat er geschaffen. Dyckmans ist Mitglied des Vereins „Ligne et Couleur“ in Stuttgart. Die Gruppe ist eine in sich vielfältig zusammengesetzte europäische Vereinigung von Architekten, die sich aus einer ursprünglich französisch-deutschen Beziehung europaweit entwickelt und vernetzt hat. Die Mitglieder arbeiten in den beiden Medien bildende Kunst und Architektur.

Zeiten Die Kreuzwegbilder sind in der katholischen Kirche St. Maria frei zugänglich. Sie ist täglich von 8.30 bis 18 Uhr geöffnet.

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Erstellt:
6. April 2023, 06:00 Uhr

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