Murrhardter Bürger wollen sich von Gas-Abhängigkeit befreien

Initiatoren von „Unser Bürger Energiekonzept für die Stadt Murrhardt“ sehen im Handeln und Produzieren vor Ort eine sichere Zukunft.

Eine Biogasanlage wie in Aspach könnte zur Versorgung Murrhardts beitragen. Archivfoto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Eine Biogasanlage wie in Aspach könnte zur Versorgung Murrhardts beitragen. Archivfoto: Alexander Becher

Murrhardt. Vor einiger Zeit haben sich die Initiatoren von „Unser Bürger Energiekonzept für die Stadt Murrhardt“ (UBE) getroffen, um zentrale Zukunftsfragen zu diskutieren. Es ging darum, die eigene Antwort auf die aus energiepolitischer Abhängigkeit entstandene aktuelle Krise zu formulieren. „Das Wichtigste ist auf jeden Fall, sich von der Abhängigkeit von Dritten zu befreien. Wir müssen alle Möglichkeiten ausschöpfen, um uns auf eigene Beine zu stellen“, sagte Christian Schweizer. Derzeit steht die Abhängigkeit beim Gas im Mittelpunkt.

Energieversorgung, Solidarität und Widerstandsfähigkeit Hand in Hand

Ein Bericht über das Treffen erläutert weiter: Die UBE-Initiatoren sind davon überzeugt, dass die Befreiung aus der Abhängigkeit und die konsequente Ausrichtung auf die Nutzung der heimischen Energiequellen in Bürgerhand schon von Beginn an eine gewaltige Stärkung der bürgerschaftlichen Widerstandsfähigkeit bewirken und das solidarische Durchstehen der Krise befördern kann. „Wir haben in Murrhardt das Potenzial, uns selbst zu versorgen, das hat uns schon vor zehn Jahren das Klimaschutzkonzept gezeigt. Wir müssen also nicht auf ewig ausgeliefert bleiben, sondern können die Gestaltung unserer Energieversorgung selbst in die Hand nehmen“, stellte Andreas Winkle fest.

Die Stromversorgung soll notfalltauglich gemacht werden

Zudem gilt es, das Versäumte aufzuarbeiten und Lehren daraus für die Zukunft zu ziehen. „Uns interessiert, wie wir mit Gas, unterstützt von Biogas und Wasserstoff – gewonnen aus eigenen Quellen – unsere Stromversorgung notfalltauglich machen können. Dabei wird auch der weitere Ausbau des Nahwärmesystems absolute Priorität bekommen, gestützt auf Hackschnitzel der regionalen Waldwirtschaft“, erklärte Dieter Schäfer und erinnerte daran, dass die EU den Mitgliedsländern ein Instrument anbietet, mithilfe dessen sich Bürger solcher Aufgaben gemeinschaftlich annehmen können, die Überführung in nationales Recht vorausgesetzt, was in Deutschland bisher nicht vollzogen ist. Österreich hat diese Rechtsgrundlage aufgegriffen. Dort werden zahlreiche Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften gegründet. „Biogas ist eines der herausfordernden Beispiele. Biogas ist ideal zur ,Entschärfung‘ von Abfällen und kann gespeicherte Energie von der Sonne nutzen. Für mich stellt sich die Frage: Ist die Nutzung von Biogas in erster Linie ein Thema für Berliner Kompromisse oder ist die Erzeugung von Biogas viel mehr ein Thema für die Landwirte in Murrhardt und die Bürgerinnen und Bürger, sobald es um die optimale Nutzung der erzeugten Energien geht“, erläuterte Schäfer. Über kurzfristige Ziele, wie Sicherung der Stromversorgung bei kritischen Infrastrukturen und zur Steuerung und Kommunikation, hinaus sei das langfristige Ziel für die Stadt, durch eine hohe Rate der Eigenerzeugung und eine gute Speicherausstattung in Zusammenarbeit mit dem Netzbetreiber in einer notstromfähigen Energiezelle die Versorgung auch in absoluten Ausnahmesituationen aufrechterhalten zu können. „Ich bin überzeugt davon, dass die Bürgerinnen und Bürger mitziehen, wenn sie die Mitwirkung entsprechend dem Versprechen der EU zur Senkung ihrer Energiekosten nutzen können“, sagte Wilhelm Wieland. pm

Die Grundlagen, die Vision der Initiative und ein Aufruf, sich zu beteiligen

Grundlagen Die Initiative REDinD (im Namen steckt die EU-Richtlinie „Renewable Energy Directive und der Wunsch, das in Deutschland umzusetzen) hat die Situation aufgearbeitet, hat für sich die Lehren und die Konsequenzen daraus gezogen und das Ergebnis in vier „Denk-mal-Blättern“ dargelegt. Sie finden sich im Netz unter www.REDinD.eu/Denkmal.

Vision Auf der Grundlage dieser vier Blätter hat die Gruppe in Murrhardt eine Initiative gestartet, um dem Problem mit einer Zielvorstellung vor Ort und ihrem Bild einer Energiezukunft in Murrhardt zu begegnen. Die Vision formulieren sie wie folgt: In Murrhardt machen sich die Bürgerinnen und Bürger unabhängig und erzeugen künftig ihren Energiebedarf aus heimischer Energie von der Sonne (vor allem Wind- und Wasserkraft, Biomasse und Solarstrom). „Der individuell oder gemeinschaftlich erzeugte elektrische Strom wird in Verbindung mit Speichern bedarfsgerecht an die Murrhardter verteilt. In Katastrophenfällen wird Murrhardt als notstromfähige Energiezelle die Bürger weiter versorgen können. Das ist unser Ziel. Wir werden ein Konzept entwickeln, um dieses Ziel zu erreichen, bestenfalls mit vielen anderen Bürgerinnen und Bürgern in einem lebendigen Prozess und gemeinsamer Diskussion.“

Lehrstellen Aus Sicht der Initiatoren werden wichtige Zusammenhänge nicht dargestellt und diskutiert: Beispielsweise der Zusammenhang zwischen der geänderten politischen Lage und den wachsenden Aufgaben ziviler Verteidigung, der lokalen und dezentralen Natur der erneuerbaren Energien von der Sonne, dem zellularen Ansatz des VDE 2015/der notstromfähigen Energiezelle (Franz Hein), die rechtlichen Möglichkeiten im Rahmen der EU zur lebendigen Gestaltung von Demokratie.

Aufruf Der wichtigste Schritt ist, den Willen zur Umsetzung breit und tief zu verankern. Dazu gehört, dass Bürgerinnen und Bürger persönlich mitarbeiten, die Gruppe weitere Mitstreiterinnen und Mitstreiter mobilisiert, positive Beispiele nah und fern geteilt und darstellt werden, Gespräche mit den tangierten Stellen und Institutionen geführt und erste Schritte gemeinsam gegangen werden.

Kontakt Mehr Informationen zu der Gruppe und der Thematik generell findet man darüber hinaus im Internet unter der Adresse www.REDinD.eu/UBEMurrhardt.

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Erstellt:
22. August 2022, 06:00 Uhr

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