Julia Ruhs

Nach Absetzung von „Klar“- Moderatorin: Debatte um Meinungsvielfalt

Die Sendung „Klar“ sollte Streitfragen beleuchten und verschiedene Perspektiven zeigen. Nun ist sie wegen einer NDR-Entscheidung selbst zum Politikum geworden.

Ruhs wird künftig nur noch beim Bayerischen Rundfunk das Format „Klar“ moderieren, beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) hingegen nicht mehr. (Archivbild)

© Thomas Eisenkrätzer/dpa

Ruhs wird künftig nur noch beim Bayerischen Rundfunk das Format „Klar“ moderieren, beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) hingegen nicht mehr. (Archivbild)

Von red/dpa

Bereits Monate vor der Trennung des Norddeutschen Rundfunks (NDR) von der Journalistin Julia Ruhs sollen sich zahlreiche Mitarbeiter mit einem Schreiben von dem Format „Klar“ und insbesondere der Auftaktsendung distanziert haben. Vom NDR hieß es dazu, man fördere eine „offene Diskussionskultur“. „Die Mitarbeitenden haben ihre interne Stellungnahme vor Ostern 2025 verfasst und damals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie keine Veröffentlichung wünschen“, sagte eine Sprecherin auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Man wolle diesen Wunsch respektieren und sich dazu nicht äußern.

Ruhs wird künftig nur noch beim Bayerischen Rundfunk das Format „Klar“ moderieren, beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) hingegen nicht mehr. Die Entscheidung des NDR rief deutliche Kritik hervor.

Die 1994 geborene Journalistin des BR hat auch eine Kolumne bei „Focus Online“. Sie wird oft als neue konservative Stimme beschrieben.

Beckmann: Themen im Mittelpunkt des Formats

NDR-Programmdirektor Frank Beckmann erklärte in einer Sendung des NDR, dass die Themen und nicht ein Moderator im Mittelpunkt des Formats stehen sollten. „Und deswegen war es für uns eigentlich eher logisch, zu sagen, dass wenn man über das Thema Meinungspluralität redet, man dann durchaus auch mit mehreren Köpfen die Sendung präsentieren kann.“ Diese Entscheidung habe man dann nach Ansicht der Pilotsendungen getroffen. Zu dem Brief äußerte Beckmann sich nicht.

Nach Angaben mehrerer Mitarbeiter des NDR heißt es in dem an Geschäftsführung, Programmdirektion und Chefredakteure gerichteten Brief, dass die Auftaktsendung zu Migration einer „Reihe von Grundsätzen unserer journalistischen Arbeit“ und dem „öffentlich-rechtlichen Auftrag gemäß NDR-Staatsvertrag“ nicht nachkomme. „Wir distanzieren uns von dieser Produktion und wünschen uns eine Aufarbeitung der Entscheidungen, die dazu geführt haben, dass dieser Film so über den Sender gegangen ist.“ Zuvor hatte die „Welt“ über den Brief berichtet.

Moderatorin Ruhs kritisiert Entscheidung

Ruhs reagierte auf die Entscheidung des NDR mit deutlicher Kritik. „Mein „Klar“-Team und ich persönlich haben unglaublich viel Zuspruch für unser Format bekommen, von Menschen, die eigentlich schon das Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die dortige Meinungsvielfalt verloren haben“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. „Wir haben also das geschafft, wovon die Sender immer träumen – eine verlorene Zielgruppe zurückzugewinnen.“

Weimer warnt vor politisch einseitiger Berichterstattung

Die Entscheidung des NDR löste eine öffentliche Debatte aus. Medienstaatsminister Wolfram Weimer etwa warnte den öffentlich-rechtlichen Rundfunk vor einem Akzeptanzverlust. „Wir haben in weiten Teilen der Bevölkerung den Eindruck, dass die öffentlich-rechtlichen Sender politisch einseitig berichten“, sagte er dem Fernsehsender Welt auf eine Frage zu Ruhs. „Und das ist ein Problem, weil die Öffentlich-Rechtlichen von großer Akzeptanz leben.“

Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek kritisierte die Absetzung der Moderatorin im Gespräch mit dem „Spiegel“. „Es ist halt wirklich hochproblematisch, wenn auf Druck von irgendeiner Seite etwas abgesetzt wird“, sagte sie. 

Söder: Konservative Stimmen gehören zum Meinungsspektrum

Der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Markus Söder schrieb auf der Plattform X: „Das ist kein gutes Signal für die Meinungsfreiheit, Pluralität und Toleranz im öffentlich-rechtlichen NDR.“ Konservative Stimmen gehörten zum demokratischen Meinungsspektrum, „auch wenn das einigen Linken nicht gefällt“. 

Unionsfraktionschef Jens Spahn kritisierte die Entscheidung des NDR als „sehr problematisch“. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sprach von einem „extrem schlechten Signal“. 

Bundesfinanzminister Lars Klingbeil, der am Abend eine Veranstaltung des Axel Springer Verlages besuchte, sprach sich auf die Frage, wie er zur Causa Ruhs stehe, für Vielfalt im deutschen Fernsehen aus. „Ich finde, wir müssen aushalten, dass es unterschiedliche Meinungen gibt, dass es kontroverse Meinungen gibt. Und das muss sich alles auch in den Medien, die wir konsumieren, widerspiegeln, und da bin ich immer dafür, dass man auch Dinge aushält, die man vielleicht nicht politisch teilt, aber das macht unsere Demokratie reicher“, sagte der SPD-Politiker.

Auftaktsendung zu Migration hatte für Aufsehen gesorgt

Die drei Pilotfolgen von „Klar“ liefen im April, Juni und Juli in Kooperation von NDR und BR. Für 2026 sind weitere Ausgaben geplant. Die Sendung, die unregelmäßig ausgestrahlt wird, soll Streitfragen aufgreifen, die in der Mitte der Gesellschaft kontrovers diskutiert werden, und verschiedene Perspektiven dazu zeigen.

Die Sendung stieß in der Vergangenheit mehrfach auf Kritik. So äußerten sich etwa der ZDF-Moderator Jan Böhmermann und Journalistin Anja Reschke öffentlich zu einzelnen Inhalten. Besonders die Auftaktsendung zur Migration sorgte für Aufsehen - Ruhs hatte dort unter anderem über Gewalt im Zusammenhang mit Einwanderung berichtet.

Wer die Ausgaben des NDR künftig präsentieren soll, stehe noch nicht fest. Ruhs bleibt dagegen Teil des Moderationsteams für die Folgen, die der Bayerische Rundfunk (BR) produziert. Das teilten NDR und BR gemeinsam mit.

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Erstellt:
18. September 2025, 22:10 Uhr

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