Naturinszenierung trifft himmlische Botschaft
Beim Internationalen Orgelzyklus erlebt das Publikum die ungewöhnliche Kombination von Alphorn und Orgel und ein beeindruckendes Konzert.

© Stefan Bossow
Carlo Torlontano am Horn und Francesco Di Lernia an der Orgel haben dem Publikum in der Stadtkirche einen ganz seltenen Musikgenuss beschert. Foto: Stefan Bossow
Von Petra Neumann
Murrhardt. Eine sehr seltene Instrumentenkombination, nämlich Orgel und Alphorn, begeisterte die Zuhörer in der evangelischen Stadtkirche. Zum Klang erweckt wurde sie von zwei Meistern ihres jeweiligen Fachs, nämlich Carlo Torlontano (Alphorn) und Francesco Di Lernia (Orgel) aus Neapel. Das Programm beinhaltete ganz unterschiedliche musikalische Strömungen von traditionellen Weisen und barocker Musik bis hin zu ganz modernen Kompositionen. Die Kombination der beiden Instrumente ist mehr als interessant, denn das Alphorn repräsentiert wie kein anderes die Natur als solche. Sein warmer Klang mit seiner Fülle reicht in alle Naturreiche hinein, während die Orgel als kirchliches Instrument eher dem Himmlischen, Unirdischen entgegenstrebt. Gerade deswegen dominierten jene Werke, welche die Berge und das ländliche Leben thematisieren. So zum Beispiel die Sinfonia Pastoritia mit den Sätzen Introduzione, Adagio, Presto, Andante, Tempo Di Hanaco, Finale, Presto von Anton Zimmermann, die sehr schön das Erhabene der Natur mit der Heiterkeit und Urtümlichkeit des Landlebens in der Vorstellung jener, die es sich leisten konnten, solche Werke zu hören, verbindet.
Natürlich spiegelt die Musik eine Inszenierung wider, denn im 18. Jahrhundert liebten es die Adligen, sich als Schäfer und Schäferinnen zu verkleiden und sich in der Illusion zu wiegen, ein einfaches und schlichtes Leben zu führen. Auch die Sinfonia Pastorella mit ihren Sätzen Allegro, Andante und Presto von Leopold Mozart greift dieses Thema auf und verarbeitet es zu einem heiteren Spiel, welches das Landleben völlig stilisiert und als sorgloses, munteres Dasein schildert. Dementsprechend bezaubernd ist die Melodie. Das Presto erinnert durch den Einsatz des Alphorns an den Aufruf zur Jagd, die damals allein dem Adel vorbehalten war. Sehr eindrucksvoll war die Kontrastierung der warmen Klänge des Alphorns mit dem Klangspektrum der Orgel. Das Concerto X op. VI in C-Dur des barocken Notensetzers Arcangelo Corelli wurde von Francesco Di Lernia für Orgel solo umarrangiert. In dieser Version erklingt die Introduktion getragen und von einer schlichten Frömmigkeit, darüber erhebt sich dann die Melodie in feinen Arabesken, die in die Klarheit geistiger Höhen steigen. Dort in diesem erhabenen, glorreichen Gefilde erhebt sich nun die Orgel zur vollen Größe und verwandelt jeglichen Klang in ein strahlendes Gewebe aus feinsten Farbspielen und Zeichen.
Gleichermaßen unirdisch und doch ganz anders ist The Great Horn of Helm von Giovanni d’Aquila, einem zeitgenössischen Komponisten. Die Musik wird zu einem Gespinst, das im Zwischenreich aus Sein und Nichtsein angesiedelt zu sein scheint. Darüber schweben die sparsamen, doch ungemein präzisen Töne des Alphorns. Beide Instrumente erzählen die Geschichte von einem fließenden Reich, dem kein fester Grund eignet. Vielmehr entspringt der Klangstrom unfassbaren, elementaren Kräften, die sich nur kurzfristig zu einem Greifbaren zusammenballen, nur um wieder in ihre schattenhafte Existenz zurückzufallen.
Die Chrysantheme ist die Blume der Trauer schlechthin, weswegen sie Giacomo Puccini zur Namensgeberin seiner Komposition gemacht hat. Die Melodie beinhaltet alles, was man der Blume nachsagt, die selbst der Trauer einen Anflug von Schönheit verleiht. In der Version von Di Lernia ist sie nicht nur fragil und märchenhaft, sondern erhaben und tröstlich zugleich.