Zukunft der Kriminalistik?

Neue Ermittlungsmethode: Mit Bettwanzen Mörder überführen

Bettwanzen sind nervig und ekelig. Ihre Bisse jucken und hinterlassen hässliche rote Flecken. Doch für die Kriminalistik könnten sie von unschätzbaren Wert sein, wie Forscher nach jahrelangen Experimenten herausgefunden haben.

Malaysische Wissenschaftler sehen in den von den meisten Menschen als üble Schädlinge gefürchteten Bettwanzen ein neues Potenzial: Sie können in der Verbrechensbekämpfung eingesetzt werden.

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Malaysische Wissenschaftler sehen in den von den meisten Menschen als üble Schädlinge gefürchteten Bettwanzen ein neues Potenzial: Sie können in der Verbrechensbekämpfung eingesetzt werden.

Von Markus Brauer/AFP

Sie sind klein, platt und lieben Menschenblut: Bettwanzen (Cimex lectularius) sind bereits seit Jahrtausenden ein treuer und lästiger Begleiter des Menschen.

Treuer Begleiter des Homo sapiens

 Die Population der Parasiten wuchs exponentiell, als auch die menschliche Bevölkerung anwuchs und in immer größeren Siedlungen zu leben begann. Die ersten bekannten Aufzeichnungen zu Befall stammen aus der Zeit der Pharaonen in Ägypten vor mehr als drei Jahrtausenden.

Der Wechsel zum Menschen als Wirt entpuppte sich für die kleinen Krabbler als äußerst kluger Schachzug: Homo sapiens wurde zum Paradies für Parasiten, als er zunehmend sesshaft wurde. Und noch einmal mehr, als sich immer mehr Menschen eng gedrängt in Städten ansiedelten.

Ein einziges Weibchen kann für Epidemie sorgen

Bettwanzen piesacken stets Tiere mit einer Schlafstelle, zu der sie immer wieder zurückkehren – einem Nest, einer Höhle oder eben einem Bett. Die Blutsauger werden von Wärme, CO₂ und Körpergeruch angezogen. Krankheiten übertragen sie nicht, aber aufgekratzte Stichstellen können sich entzünden.

Bettwanzen können sich rasend schnell ausbreiten: Ein einziges Weibchen kann Expertenangaben zufolge innerhalb von zehn Wochen für eine wahre Wanzen-Epidemie sorgen. Es legt ein bis zwölf Eier pro Tag, die Population wächst dadurch unter guten Bedingungen exponentiell. Wofür Bettwanzen alles gut sind, zeigt eine neue Studie aus Thailand.

Wimmelnde Masse von Bettwanzen

Unter gleißend heller Laborbeleuchtung streckt ein Forschungsassistent seinen Unterarm aus und stülpt vorsichtig einen mit Netzstoff überzogenen Behälter auf seine nackte Haut: Er erlaubt der in dem Behälter wimmelnden Masse von Bettwanzen, sich an seinem Blut zu nähren. Alles im Dienste der Forschung.

Malaysische Wissenschaftler sehen in den von den meisten Menschen als üble Schädlinge gefürchteten Insekten ein neues Potenzial: Sie können in der Verbrechensbekämpfung eingesetzt werden.

Menschliche DNA wird bis zu 45 Tage von Wanzen gespeichert

Ein Forscherteam der Wissenschaftlichen Universität Malaysias (USM) in Penang hat herausgefunden, dass tropische Bettwanzen menschliche DNA bis zu 45 Tage in ihrem Inneren bewahren, nachdem sie sich an einem nichtsahnenden Menschen genährt haben.

Das macht die winzigen Insekten, die sich gern in Matratzennähten, Kopfkissenbezügen oder dem Kopfteil von Betten verstecken, zu einer idealen Quelle von Beweismitteln über Menschen, die sich an Tatorten aufgehalten haben.

„Der Feind in der Decke“

Die Forscher hoffen, dass Polizei-Ermittler mit Hilfe von an Tatorten gefundenen Bettwanzen künftig das äußere Erscheinungsbild von Verbrechern rekonstruieren können.

Über die in den Tierchen bewahrte menschliche DNA könnten Details wie Geschlecht, Augenfarbe sowie Haut- und Haarfarbe von Tätern festgestellt werden, sagt der Insektenforscher Abdul Hafiz Ab Majid. „Wir nennen Bettwanzen auf Malaysisch der Feind in der Decke. Aber sie können auch Spione sein“.

Früchte von einem halben Jahrzehnt Wanzen-Forschung

In einem Labor an der USM haben Hafiz und seine Postdoktorandin Lim Li fast ein halbes Jahrzehnt damit zugebracht, tropische Bettwanzen zu erforschen. Sie züchten die Tierchen in kleinen Behältern unter einer Laborbank bei deren Wohlfühl-Temperatur von 23 bis 24 Grad Celsius und Dämmerlicht.

Pro Mahlzeit saugen die Tiere zwischen 1,5 und 5,3 Mikroliter Blut. „Weniger als ein Tröpfchen“, wie Hafiz erklärt. Anders als etwa Mücken können Bettwanzen nicht fliegen.Sobald sie gefressen haben, „blähen sie auf und können sich nicht mehr viel bewegen“, berichtet der Forscher. „Das macht sie einzigartig. Man kann sagen, sie sind geradezu perfekt für den Einsatz in der Kriminologie. Sie fliegen nicht weg.“

Besonders hilfreich könnten die Insekten an Tatorten sein, wo Spuren durch den Täter weggewischt wurden, um Beweismittel zu zerstören: Die Tierchen sind meist gut versteckt und entgehen so der Tatortreinigung.

Postdoktorandin Lim hat die Bettwanzen während ihrer Forschungen immer wieder ihr Blut saugen lassen um zu ermitteln, wie lange sich menschliche DNA in deren Verdauungsapparat hält. Die Wissenschaftlerin bricht eine Lanze für die Insekten, die ihrer Meinung nach „missverstandene Geschöpfe“ sind.

„Man sollte die Menschen besser aufklären“, fordert sie. „Selbst wenn man gebissen wird, übertragen Bettwanzen keine Krankheiten.“ Auch wenn ihr Biss einen stark juckenden Ausschlag hinterlässt, der wochenlang bleiben kann.

Ein Wunder-Hilfsmittel zur Verbrechensaufklärung sind die Tiere dennoch nicht. „Sie eröffnen Ermittlern ein Zeitfenster von 45 Tagen, um sie als Beweismittel zu nutzen - und auch nur, wenn sie am Tatort verfügbar sind“, räumt Hafiz ein.

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Erstellt:
26. November 2025, 16:14 Uhr

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