Neuer Auftrag für Platine, Maus und Co.

Sechstklässler der Walterichschule können sich beim Projekt Makerbox der Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung Baden-Württemberg nicht nur technisch ausprobieren, sondern auch ihre kreative Seite ausleben. Beide Aspekte ergänzen sich erstaunlich gut.

Hier wird konzentriert gearbeitet: Heißklebepistolen helfen, ausgemusterte Computerteile ganz neu zu arrangieren. Fotos: A. Becher

© Alexander Becher

Hier wird konzentriert gearbeitet: Heißklebepistolen helfen, ausgemusterte Computerteile ganz neu zu arrangieren. Fotos: A. Becher

Von Christine Schick

Murrhardt. Maryam und Theresa tüfteln an der Konstruktion ihrer Kunstmaschine. In ihrem Fall ist dies eine kleine Madam mit halblangen Haaren, wie die Zeichnung zeigt, die sich auf Rädern fortbewegt. Das Ganze soll auch in eine Geschichte eingebettet sein, erzählt Maryam. Ihre Figur, so die Idee, ist doch bestimmt auch mal schüchtern oder neugierig, sprich wird auch mit Gefühlen ausgestattet sein. Die Technik fungiert als Übersetzer: „Sie soll noch Leuchten bekommen, die dann angehen, wenn sie sich beispielsweise freut.“ Jetzt heißt es für die beiden, das Fahrwerk mit den Rädern zu bauen.

Kay, Daniel und Simon haben aus ausgedienten Teilen eines Computers ein freundlich zugewandtes Gesicht gebaut. Auf dem Bildschirm aufgeklebt, schauen einen zwei Lautsprecher als Augen an, Verbindungsstränge von Platinen lächeln dazu und als Nase dient ein kleiner Lüfter. Außerdem sitzen am Rand der Schriftzug „Hallo“ und der Name „Sidaka“ aus einzelnen Tastaturbuchstaben. Komplettiert werden soll das mit zwei gelben und roten Leuchten und einem Rotor, der sich dreht.

Auch die anderen Gruppen der 6. Klasse sind am beraten, ausprobieren und bauen. Es ist bereits der zweite Tag des Projekts Makerbox. Zum Einstieg haben sich die Jugendlichen erst mal genüsslich im Auseinandernehmen von ausrangierten Elektrogeräten geübt, die verschiedenen Innenleben inspiziert und überlegt, was sie Neues daraus schaffen möchten. Das Ziel: einen eigenen Kunstroboter oder eine Kunstmaschine entwickeln. „In der Schule haben wir kaputte Rechner gesammelt, die Schüler haben von zu Hause defekte Elektrogeräte mitgebracht“, erzählt die Lehrerin Meltem Yalcin.

Eigene Fähigkeiten entdecken und Schalttechnik kennenlernen

Da der Roboter dann auch noch mit gewissen Fähigkeiten ausgestattet sein soll, wie beispielsweise, dass er sich bewegen oder leuchten und blinken kann, haben die Jugendlichen von Lara Ducks und Chris Binder, die das Projekt als freie Medienreferenten leiten, einen Crashkurs in Schalttechnik bekommen. Meltem Yalcin, die Wirtschaft, Deutsch und Geschichte unterrichtet, findet dieses technische Experimentieren eine wichtige Sache. „Im Schulalltag ist das meist nicht möglich. Hier beim Projekt können die Schülerinnen und Schüler ungeahnte Fähigkeiten an sich entdecken“, sagt sie. „Und die Mädchen beschäftigen sich ganz konkret mit Technik, die sie als Fach vielleicht nicht unbedingt wählen würden.“

Apropos Technik: Die jungen Tüftlerinnen und Tüftler bekommen von Chris Binder eine Einführung ins Löten, damit sie ihren Werkstücken auch elektronisches Leben einhauchen können – beispielsweise in Form eines Motors oder mit kleinen LEDs. „Wisst ihr, wie heiß kochendes Wasser ist?“, fragt Binder. Die rund 100 Grad und die Erfahrung, wie weh es tut, sich damit zu verbrühen, geben eine Ahnung davon, dass beim Lötkolben absolute Vorsicht geboten ist. Die Temperatur ist nämlich etwa viermal so hoch (400 Grad). Der Medienreferent zeigt, wie einzelne Kabel erst mechanisch und schließlich mit Lötzinn dauerhaft verbunden werden.

Einerseits geht es um elektronische Grundlagen wie das Verständnis einer Reihen- und Parallelschaltung, andererseits auch darum, über die Gestaltung der einzelnen Werkstücke eigene Ausdrucksmöglichkeiten zu finden. Letzteres ist Chris Binder genauso wichtig, und da er Kunst studiert hat, kann er in dieser Hinsicht auch Anregungen geben. Neben der Technik haben also genauso die Ästhetik und kreative Ideen, die in solch einen Kunstroboter einfließen können, ihren Platz. „Auch Nachhaltigkeit ist ein Aspekt. In den USA spielt das Recht auf Reparatur mittlerweile eine große Rolle“, sagt Binder. Zudem findet sich das Konzept des Upcyclings im Projekt wieder, sprich die Idee, alte Materialien so zu verarbeiten, dass daraus etwas ganz Neues wird.

Ziel ist, Kreativität und Problemlösefähigkeit zu aktivieren

„Ich habe das Projekt Makerbox mit konzipiert“, erzählt die Medienpädagogin Lara Ducks. Im Zentrum steht für sie, dass die Schüler in eine Art Macherstimmung kommen. Nach dem anfänglichen Auseinandernehmen von ausgedienten Elektrogeräten rückt später mit der Konstruktion des eigenen Objekts immer mehr die Umsetzung und Problemlösung in den Fokus, erklärt Lara Ducks. Je schneller sie erreichen, dass die Jugendlichen von selbst aktiv werden, desto besser. Bei den Gruppen stehen dabei mal technische, mal die kreativ-künstlerischen Themen im Vordergrund. Bije, Lea und Nina sind dabei, ihre ausrangierte Computermaus aufzuhübschen. Sie bekommt einen mehrfarbigen Glitzeranstrich, zwei kleine LEDs dienen als Augen und die Öhrchen, die aus zwei länglichen Tastaturelementen bestehen, werden ebenfalls farblich glitzernd gestaltet, um sie später mit Heißkleber an Ort und Stelle zu heften. Kay, Daniel und Simon machen sich mittlerweile ans Löten. Für die Versorgung der LEDs müssen sie Kabel mit einem Schalter und einer Batterie verbinden.

Die Schüler tüfteln an Design und Elektrik, um später beim „Gallery Walk“ – der Präsentation der Einzelprojekte vor der ganzen Klasse – alles vorzustellen. Einige müssen regelrecht überzeugt werden, auch mal eine Pause einzulegen, zum Aufladen der kreativen Akkus sozusagen. Chris Binder jedenfalls ist sehr zufrieden. „Ist eine super Gruppe, die Jugendlichen sind gut dabei, diszipliniert und motiviert“, sagt er.

Chris Binder gibt den einzelnen Gruppen eine Einführung in Löttechnik.

© Alexander Becher

Chris Binder gibt den einzelnen Gruppen eine Einführung in Löttechnik.

Talentschmiede

Die Grundidee Beim Projekt Makerbox der Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung (LKJ) Baden-Württemberg experimentieren, erfinden und bauen Schülerinnen und Schüler zwei Tage lang. Am Ende steht ihre eigene Kunstmaschine. Als Material dienen Teile ausrangierter Elektrogeräte kombiniert mit LEDs, kleinen Motoren und verschiedenen Bastelmaterialien. Dabei lernen sie die Grundlagen von Elektrotechnik und Upcycling kennen. In einem ersten Schritt werden Stromkreise am Steckbrett entwickelt, später wird das aufs Werkstück übertragen. Die entstandenen Kunstwerke spiegeln die persönlichen Stärken der Schülerinnen und Schüler wider, offenbaren Talente und machen Mut, sich weiter mit dem Thema Technik zu befassen, so die LKJ.

Hilfe und Infos Das Projekt wird von der Landesanstalt für Kommunikation (LFK)/Medienanstalt für Baden-Württemberg gefördert und richtet sich an Schülerinnen und Schüler der Klassen vier bis sechs. Weitere Infos finden sich im Netz unter www.lkjbw.de/makerbox.

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Erstellt:
27. November 2021, 06:00 Uhr

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