„Oase der Schönheit und Besinnlichkeit“

Vor 40 Jahren reifte bei Hildegard Monier die Idee, in Murrhardt eine eigene Galerie zu eröffnen. Der erste Standort war dann das Nägelehaus, später zog sie in die Nägelestraße 9 um und gab vielen Künstler die Möglichkeit, auszustellen.

Hildegard und Jacques Monier vor einem Bild der Murrhardter Künstlerin Gretel Doderer im Frühjahr 1987. Fotos: privat

Hildegard und Jacques Monier vor einem Bild der Murrhardter Künstlerin Gretel Doderer im Frühjahr 1987. Fotos: privat

Von Petra Neumann

MURRHARDT. Murrhardt gilt als Stadt der Maler. Aber was wären die bildenden Künstler ohne Galeristen, die sich bemühen, ihre Werk zu präsentieren und zu verkaufen? Vor 40 Jahren reifte bei Hildegard Monier die Idee, diesen Schritt zu wagen und eine eigene Galerie in Murrhardt zu eröffnen. Für die konkrete Umsetzung benötigte sie noch ein weiteres Jahr, und sie erinnert sich, wie eins zum andern kam. Eigentlich hatte Hildegard Monier keine berufliche Verbindung zu dem Gebiet, allerdings ein ausgesprochenes Faible und gutes Händchen in Bezug auf Ästhetik und schöne Dinge.

Im Heimatort ihres Mannes Jacques Monier Coulommiers gab es damals einen Kunsthandwerker, der Grafiken und wunderschöne handgewebte Teppiche verkaufte. Davon brachte das Ehepaar einige nach Deutschland mit und ihre Freunde waren dermaßen begeistert, dass diese Hildegard Monier in ihrem Vorhaben bestärkten. „Meine erste Anlaufadresse war eine deutsche Kunststudentin, die mir half, das nötige Grundwissen zu erwerben“, erzählt Hildegard Monier. „Später halfen mir französische Galeristen, Verleger und Künstler.“ Bei einem renommierten Kunsthaus in Stuttgart durfte die Quereinsteigerin dann ihre Ausbildung vervollkommnen.

Am 29. November 1981 war es dann so weit. Die „Galerie im Nägelehaus H. Monier“ wurde mit Bildern von Thomas Ferdinand Naegele, Annapia Antonini, Bernard Gantner und anderen eröffnet. Die erste Einzelausstellung mit Werken von Kurt Schönen von Februar bis März 1982 zog auch Murrhardter Künstler wie Carl Obenland oder Dietward Schwäble, damaliger Leiter des Gymnasiums, der selbst malte, als Interessierte an. Die Liste der Besucher wurde bei jedem neuen Event länger. Beim Blick ins damalige Gästebuch finden sich dort auch ganz persönliche Einträge und vor allem viel Anerkennung und Lob. Im Zuge der Ausstellung, die 1984 dem Aquarellisten Ernest Witzig gewidmet war, schrieb ein Gast: „Das sind einige der schönsten Aquarelle, die ich bis jetzt in meinem Leben gesehen habe.“ Ein anderer wertete die Galerie als „eine Oase der Schönheit und Besinnlichkeit“. Andere bekannten, dass sie ihren Urlaub lieber abgebrochenen hätten, als eine Vernissage der Galerie zu verpassen. Nicht nur viele Künstler kamen aus dem Ausland in die Walterichstadt, sondern auch Gäste, sogar aus dem fernen Kolumbien war ein Kunstfreund zu Besuch. Ebenso gab es regelmäßige Besuche der Bodelschwinghschule, und die Schüler drückten ihre Faszination und ihren Zuspruch mit eigenen Zeichnungen im Gästebuch aus.

Nach sechs Jahren zog die Galerie vom Nägelehaus ein paar Häuser weiter. Die neue Heimat befand sich in die Nägelestraße Nummer 9. Am 11. Oktober 1987 präsentierte sie sich erstmalig in den neuen Räumen und zeigte nicht nur Gemälde, sondern auch Schmuck und Künstlerpuppen von hiesigen und französischen Kunstschaffenden. Eine ganz besondere Ausstellung war jene im Mai 1991 mit dem Thema „Wiederentdeckungen“, die sich wenig bekannten und vergessenen schwäbischen Malern zuwandte wie Gustav Schönleber, Ernst Graeser, Albert Kappis oder Hermann Umgelter. Insofern kümmerte sich die Galerie auch um heimische Kulturpflege.

Das Ehepaar Monier ist mit Thomas Ferdinand Naegele und seiner Frau Rosemary befreundet, die beide mehrfach in der Galerie ausgestellt haben. 1985 schrieb Rosemary Naegele in das Gästebuch: „To have a show in such a beautiful gallery makes me very happy.“ (In dieser wunderschönen Galerie ausstellen zu können, macht mich sehr glücklich.) Murrhardter Wurzeln hat mittlerweile auch Gretel Doderer, die nicht mit Farbe und Pinsel arbeitet, sondern mit Nadel und Faden. Ihre textile Malerei, Coudragen und ihr sogenanntes Flickwerk begeisterten in der Galerie immer wieder. Auch die elfte Einzelausstellung ragte über das Spektrum der Malerei hinaus. Iris und Werner von Boltenstern präsentierten Aquarelle und Kleinplastiken, die ebenfalls auf große Resonanz stießen.

Im Laufe der Zeit begann Hildegard Monier auch, Kunstpostkarten drucken zu lassen und zu verkaufen, und zwar unter dem Namen Edition Monier. Diese fanden ihren Weg nach England, Frankreich und Italien bis in die USA oder auch nach Japan. Hildegard Monier erzählt, dass Engländer sich bei ihr dann sogar erkundigt hätten, ob sie im Gegenzug auch Postkarten aus Großbritannien anbieten wolle. Zwar musste die Galerie im November 2000 nach fast 20 Jahren ihre Pforten schließen, aber die Postkartenedition existiert bis heute. „Diese Aufgabe gibt uns beiden, meinem Mann und mir, nicht nur eine Struktur für den Tag, sondern bereitet uns auch viel Freude“, betont die ehemalige Galeristin.

Kleine Gesellschaft bei der Neueröffnung der Galerie in den Räumen in der Nägelestraße 9.

Kleine Gesellschaft bei der Neueröffnung der Galerie in den Räumen in der Nägelestraße 9.

Zum Artikel

Erstellt:
27. Oktober 2020, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Lesen Sie jetzt!

Murrhardt und Umgebung

Das Rathaus hatte auch einen Tanzboden

Beim ersten Geschichtstreff des Jahres berichtet Historiker Andreas Kozlik über seine aktuellen historischen Forschungen zur Stadt Murrhardt in der Zeit zwischen dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs 1648 und dem Stadtbrand 1765. Ein Steuerbuch erweist sich als ergiebige Quelle.

Murrhardt und Umgebung

Junge Zukunftsvisionen für ein buntes Europa

Bei der Preisverleihung zum 71. Europäischen Schülerwettbewerb werden 14 Mädchen und Jungen der Walterichschule Murrhardt und 15 der Gemeinschaftsschule Sulzbach an der Murr für kreative Werke zu verschiedenen Themen ausgezeichnet.

Murrhardt und Umgebung

Wohnungsbau braucht einen langen Atem

Kommunalwahl 2024 In Murrhardt gibt es Projekte, bei denen (sozialer) Wohnraum geschaffen werden soll, allerdings sind dabei viel Geduld und finanzielle Hilfe der Gemeinschaft nötig. Weniger eine Rolle spielen wird künftig der Einfamilienhausbau im klassischen Baugebiet.