Pläne für den Patienten Wald

Murrhardt muss mit den Schäden im Forst zurechtkommen und sich gleichzeitig bei der Forstorganisation neu aufstellen

Hitze, Trockenheit und Borkenkäfer haben nicht nur Wäldern in Murrhardt, im Rems-Murr-Kreis und in Deutschland, sondern in ganz Europa zugesetzt. Auf Murrhardter Gemarkung hat sich dies mit einem Einschlag von rund 13800 Festmetern bemerkbar gemacht – geplant war eigentlich rund die Hälfte. In dieser nicht ganz leichten Situation steht zusätzlich die Forstneuorganisation an. Im Gemeinderat wurden dazu nun die Weichen gestellt.

Im kommenden Jahr ist geplant, dem Wald mit Kalkungen des Bodens etwas Gutes zu tun. Insofern werden ab und zu Helikopter unterwegs sein.

© Edgar Layher

Im kommenden Jahr ist geplant, dem Wald mit Kalkungen des Bodens etwas Gutes zu tun. Insofern werden ab und zu Helikopter unterwegs sein.

Von Christine Schick

MURRHARDT.Mit dem Kartellverfahren, das die Sägeindustrie gegen das Land Baden-Württemberg wegen dem Vorwurf der Wettbewerbsverzerrung beim Holzverkauf angestrengt hatte, stellte sich lange die Frage, welche Auswirkungen dies auf die künftige Forstorganisation haben würde. Bürgermeister Armin Mößner erinnerte daran, dass auch das Landratsamt durch die Untersagungsverfügung reagieren musste und den Holzverkauf vom Kreisforstamt abgezogen und der Kreiskämmerei zugeschlagen hat.

Mittlerweile ist die Verfügung zwar zugunsten des Landes aufgehoben, aber auch Baden-Württemberg schafft mit dem Waldgesetz, das zu Beginn 2020 in Kraft tritt, neue Strukturen – der Staatswald wird ausgegliedert und durch die ForstBW betreut, erläuterte der Bürgermeister. Die Dependance für das Gebiet Schwäbisch-Fränkischer Wald wird in Welzheim sitzen. Der Staatswald spielt auf Murrhardter Gemarkung von der Fläche her eine nicht ganz so große Rolle. In Zukunft gehe es vor allem darum, wie es mit der Betreuung des Stadt-, Kirchen- und Privatwalds weitergehe. Der Kreis hat Murrhardt dazu ein Angebot vorgelegt. Zwar habe man auch überlegt, ob die Einrichtung eines Stadtwaldreviers mit eigenem Förster eine Option sei. Allerdings sei auch klar, dass dies von den Kosten her nicht günstiger komme.

Die Planung des Kreises sieht vor, die drei Zuständigkeiten auf der Gemarkung zu zwei zusammenzufassen, sprich das Gebiet mit Wäldern in Kirchenkirnberg und Fornsbach, das bisher Förster Marco Astfalk betreut, auf das Revier Nord von Förster Dieter Seitz und das Revier Süd von Kollege Andreas Schlär aufzuteilen. Ihnen werden ebenso noch ein paar Anteile in Richtung Sulzbach zugeschlagen. Die Kosten, um die Flächen zu betreuen, werden auf rund 76000 Euro pro Jahr geschätzt. Gemessen am aktuellen Betrag von 50000 Euro steigen sie damit zwar um die Hälfte, aber die Stadt kann mit einem Zuschuss des Landes von 12000 Euro rechnen, womit man wieder bei rund 25 Prozent liegt. Der Vertrag mit dem Kreis hat eine Laufzeit von fünf Jahren, danach kann neu entschieden werden.

Was den Holzverkauf angeht, so umriss Armin Mößner das künftige Konzept: Um auf einem globalen Markt zu bestehen und überhaupt wahrgenommen zu werden, bei dem große Mengen an Festmetern umgeschlagen werden, wollen sich der Rems-Murr-Kreis, der Ostalbkreis, der Kreis Schwäbisch Hall und Hohenlohe zusammenschließen und eine Holzverkaufsgemeinschaft bilden, die sich an einem genossenschaftlichen Modell orientiert und mit dem Pfund von über 200000 Festmetern wuchern könnte. In ihr sollen Forstbetriebsgemeinschaften die Möglichkeit haben, Mitglied zu werden – und somit auch Privatwaldbesitzer. Eigentümer mit über 100 Hektar Wald stellen eine eigene Mitgliedschaft. Die Fraktionssprecher signalisierten alle Zustimmung, das Angebot des Kreises anzunehmen und auch den Weg zur Gründung einer Verkaufsgemeinschaft weiterzugehen – der Beschluss war einstimmig.

Der Schwerpunkt der Waldschäden lag im Oberen Murrtal

Jenseits dieser strukturellen Entscheidungen stellte Tobias Horwath vom Kreisforstamt den Betriebsplan für den Stadtwald im kommenden Jahr vor. Die Ausgangslage ist nicht rosig. „Das Jahr 2019 war von Waldschäden geprägt, wobei man fast sagen muss, dass wir noch mit einem blauen Auge davongekommen sind“, sagte er mit Blick auf großflächig absterbende Waldflächen beispielsweise bei Kassel. Im Kreis lag der Schadenschwerpunkt im Oberen Murrtal. Dies zeigt sich auch in den Einschlagszahlen. Aus den geplanten 7000 Festmetern wurde mit rund 13800 Festmetern fast doppelt so viel Holz, das aus dem Wald zu holen war – größtenteils aufgrund von Käferbefall und Dürreschäden. Hitze und Trockenheit massiv getroffen haben auch die Tanne, ursprünglich einmal Hoffnungsträger. „Es steht auch immer noch einiges an Schadholz“, sagte Horwath. Die schwierige Lage und die großen Mengen anfallenden Holzes in fast ganz Europa haben die Preise in den Keller rauschen lassen. Von den ursprünglich 80 Euro blieben es im Schnitt 48 Euro pro Festmeter. Im kommenden Jahr soll der Einschlag vor diesem Hintergrund 6000 Festmeter nicht überschreiten, zudem will man mit einer Kalkung von Flächen, das Bodenmilieu verbessern, das sich im Industriezeitalter durch den sauren Regen verändert hat, und so etwas für den Wald tun. Aufforstung in größerem Stil ist laut Tobias Horwath weniger Thema, da die Naturverjüngung im Stadtwald noch gut funktioniere.

Unter dem Strich muss die Stadt allerdings mit einem Minus planen. Denn zu den geringeren Einnahmen beim Holzerlös kommen die gestiegenen Kosten durch die Neuaufstellung bei der Forstorganisation. Um dies zumindest etwas zu kompensieren, sind für die Pflege der Waldwege nur 15000 Euro eingeplant (sonst rund 40000 Euro). Kalkuliert wird beim gesamten Betriebsplan mit einem Defizit von rund 25400 Euro.

Dass die Kosten für die Kalkung mit 141000 Euro so hoch ausfallen, ist vor allem den Helikoptereinsätzen geschuldet, die dafür notwendig sind (Frage von Elisabeth Zenker, SPD). Mario Brenner (CDU-FWV) schien der Holzeinschlag von 6000 Festmetern angesichts der massiven Schäden wie auch der veranschlagte Erlös schon fast zu optimistisch. Tobias Horwath räumte ein, dass natürlich nicht alles vorhersehbar sei, aber es auch Anzeichen dafür gebe, dass der Holzpreis zumindest wieder etwas anziehen werde. Revierförster Andreas Schlär dämpfte die Erwartung, dass es schon ein Patentrezept für die Aufforstung mit Bäumen gebe, die mit den veränderten Bedingungen gut zurechtkommen. Dies sei ein Prozess, bei dem man erst Erfahrungen sammeln müsse.

Hartmann Widmaier (MDAL/Die Grünen) stellte fest, dass sich die Schwierigkeiten, mit denen der Wald kämpfe, nicht lokal lösen ließen. Wolfgang Hess (UL) erkundigte sich danach, ob angesichts der Schäden beim Einschlag auch genügend nicht beeinträchtigtes Holz zur Verfügung stände. Horwath sagte, dass man nur dann frisches Holz ernte, wenn der Preis auch entsprechend gut sei. Die Planungen wurden unisono beschlossen.

Schon im Frühjahr war klar, dass die Schäden im Wald in Murrhardt und Umgebung groß sind, wie Dieter Seitz und Tobias Horwath (rechts) bei einem Gang berichteten. Archivfotos: J. Fiedler/E. Layher

© Jörg Fiedler

Schon im Frühjahr war klar, dass die Schäden im Wald in Murrhardt und Umgebung groß sind, wie Dieter Seitz und Tobias Horwath (rechts) bei einem Gang berichteten. Archivfotos: J. Fiedler/E. Layher

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Erstellt:
22. November 2019, 06:00 Uhr

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