Neue Polizisten

Polizisten entrüstet über ihren Minister

Nach außen verkauft Thomas Strobl gerne hohe Einstellungszahlen bei der Polizisten. Ein Bild, dass sich nicht mit der Realität der Beamten deckt.

Will es passend machen: Innenminister Thomas Strobl rechnet die Stärke der Polizei Baden-Württembergs aus.

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Will es passend machen: Innenminister Thomas Strobl rechnet die Stärke der Polizei Baden-Württembergs aus.

Von Franz Feyder

Viele Polizisten sind verärgert: Ihr Innenminister wird nicht müde, sich selbst und die von ihm angestoßene „größte Einstellungsoffensive in der Geschichte“ der Landespolizei zu loben. In seinen Antworten auf die Fragen von Landtagsabgeordneten – wie gerade der von FDP-Frau Julia Goll – scheint er aber die wahren Zahlen zu seinen Erfolgsnarrativen zu verschleiern. So räumte er jetzt ein, dass statt der bis 2026 zugesicherten 1000 Polizisten mehr bis 2024 nur 500 mehr gewonnen werden konnten.

Diese verteilen sich zudem auf 200 sogenannte Vollzeitäquivalente, also den tatsächlich für täglichen Dienst zur Verfügung stehenden Beamten. Die VZÄ berücksichtigen, dass beispielsweise zwei Polizisten, die nur an 20,5 Stunden statt der vorgesehenen 41 Stunden pro Woche arbeiten, nur eine Stelle ausfüllen.

Ein Polizist schrieb unserer Redaktion, er sei gebeten worden, seinen Urlaub abzubrechen, weil zu wenig Kollegen im Dienst seien. „Natürlich meckern die meisten von uns nicht, auch weil sie auch Nachteile befürchten. Bei der Beurteilung, beim Ansehen innerhalb des Kollegenkreises, bei Beförderung oder ihrem Weiterkommen. Aber der Dienstherr kann doch nicht auf Dauer nur im roten Bereich fahren“, schreibt ein anderer Schutzmann.

Sie wie auch Goll bekommen Schützenhilfe von Sascha Binder, dem Innenexperten der SPD: „Was wir bereits vor zehn Jahren prognostiziert haben, steht jetzt in der Antwort des Ministers schwarz auf weiß geschrieben. Ohne Frage, es ist für die Polizei eine große Herausforderung die hohe Zahl an Pensionierungen zu kompensieren. Dem Innenminister war das nicht genug. Er hat immer den Mund voller genommen und Erwartungen geweckt, an die nie jemand in der Polizei geglaubt hat.“

Ohne Pensionäre liefe nur noch wenig

Gundram Lottmann, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), sagt: „Mit der Einstellungsoffensive bei der Polizei seit 2016 bis heute konnte ein Kollaps der Polizei verhindert werden. Zieht man die Pensionierungen in die dieser Zeit, dann bleiben die 200 zusätzliche Stellen. Hierbei bleibt aber unberücksichtigt, dass zahlreiche Kolleginnen und Kollegen ihren Eintritt in den Ruhestand verschieben. Sonst würde ein Minus bleiben!“

Das bedeutet: Polizisten können freiwillig ihre Pensionierung aufschieben und bis zum Erreichen der Höchstaltersgrenze mit 65 Jahren verlängern. Im Land wird um jeweils ein Jahr verlängert. Maximal bis zu dem Monat, in dem die Polizistin oder der Polizist 65 Jahre alt wird. Ohne sie, sagt Lottmann, liefe kaum noch etwas bei der Polizei.

Und ergänzt: „Seit Einführung der Polizeistrukturreform laufen wir im roten Bereich. Die versprochene zusätzliche Streifenwagenbesatzung pro Revier und schlanke Polizeistäbe sind nirgendwo angekommen. Ganz im Gegenteil. Der Bürokratieaufbau hat unerträgliche Ausmaße angenommen. Der Verschleiß meiner Kollegen ist spürbar, die daraus resultierenden Erkrankungen haben deutlich zugenommen.“

Tage, an denen Streifenwagen nicht mehr vollzählig besetzt werden

Ralf Kusterer, Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) rechnet vor, dass sich die Zahl der fehlenden Polizisten seit der Amtsübernahme Strobls 2016 bis heute um ein Drittel vergrößert hat: „Vor neun Jahren fehlten 800 Volläquivalente bei der Polizei. Im vergangenen Jahr waren es 1100.“ Berücksichtigt er bei diesen Zahlen Elternzeit und Teilzeitarbeit, dann „fehlen uns mindestens 1900 Polizisten. Das ist eine dramatische Lage, bei der ich nur warnen kann: Das hat Auswirkungen auf die Sicherheit der Menschen in Baden-Württemberg. “

Zumal in den letzten Ausbildungsklassen trotz der „Einstellungsoffensive“ Plätze leer blieben: „Alleine in den Jahren 2023 und 2024 mehr als 300“, klagt Kusterer. „Uns fehlen die Frauen und Männer hinten und vorne, weil wir zu wenig Absolventen der Polizeischulen oder aus der Bereitschaftspolizei zugeteilt bekommen“, klagt ein Revierleiter. „Die Lage spitzt sich durch Abordnungen an andere Dienststellen, Mutterschutz oder Erziehungsurlaub weiter zu.“ Andere Polizisten berichten, es gebe Reviere, „die kriegen an manchen Tagen nicht einmal mehr alle Streifenwagen besetzt“.

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Erstellt:
17. Juni 2025, 15:52 Uhr

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