Ursachenforschung
Rätselraten um Stromausfall in Spanien
Laut EU-Kommission „keine Cyber-Attacke“ – aber was war dann die Ursache? Unter anderem ist die Rede von „induzierter atmosphärischer Vibration“.

© Alejandro Martínez Vélez/EUROPA/dpa
Mit der Taschenlampe in der Madrider Metro.
Von Michael Maier
Nach dem landesweiten Stromausfall am Montag in Spanien normalisiert sich die Lage langsam wieder. 99 Prozent der Stromversorgung waren am Dienstagmorgen wieder hergestellt.
Gleichzeitig hat auch die Ursachenforschung begonnen, und es gibt Vorwürfe an die linke Regierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez (PSOE), die von manchen sowohl für mögliche technische Grundprobleme als auch für mutmaßlich mangelnde Transparenz verantwortlich gemacht wird.
Indes hatte Sánchez sich am Montag mit Energieministerin Sara Aagesen persönlich ins Lagezentrum des Netzbetreibers Red Eléctrica begeben und am Nachmittag und Abend mehrere Pressekonferenz abgehalten.
Warum gab es Stromausfall in Spanien?
Sánchez rief unter anderem dazu auf, nur sparsam zu telefonieren, da sogar die Mobilfunknetze überlastet waren. Allerdings konnte er zur Ursache des Stromausfalls wenig Konkretes sagen. Bekannt sei lediglich, dass die Stromerzeugung um 12.33 Uhr innerhalb von wenigen Sekunden um 5 Gigawatt auf nahezu null einbrach.
In Medienberichten war zunächst die Rede davon gewesen, dass sich das iberische Netz in Spanien und Portugal wegen unvorhergesehener Spannungsschwankungen plötzlich vom Rest Europas abgekoppelt hatte. In der Folge seien automatisch Atomkraftwerke abgeschaltet worden, hieß es.
Mutmaßlich keine Cyber-Attacke auf Spanien
Eine zunächst vermutete Cyber-Attacke – etwa von russischen Hackern – hatte die EU-Kommission am Montagabend als „unwahrscheinlich“ bezeichnet. Im Raum stehen nun verschiedene Theorien.
Mögliche Ursachen für Stromausfall in Spanien
- Extreme Temperaturschwankungen: Dies wird als eine mögliche Ursache genannt, die die Hochspannungsleitungen beeinträchtigt haben könnte.
- „Insel“- oder Halbinsellage: Die Lage Spaniens am Rande des synchronen europäischen Netzes könnte es anfälliger für Netzfrequenzabweichungen machen.
- Problem im europäischen Stromsystem: Der portugiesische Stromanbieter E-Redes deutete auf „ein Problem im europäischen Stromsystem“ hin.
- Technische Ursache: Ein Brand oder ein anderes Problem könnten eine Störung im Stromnetz ausgelöst haben.
- Cyberangriff: Obwohl zunächst untersucht, gibt es aktuell keine Hinweise auf einen Cyberangriff als Ursache.
- Überlastung durch erneuerbare Energien: Da erneuerbare Energien wetterabhängig sind, könnten diese möglicherweise zu Netzinstabilitäten führen – so eine teilweise kursierende Befürchtung.
Der portugiesische Netzbetreiber REN erklärte mutmaßlich, dass ein Fehler im spanischen Stromnetz den Stromausfall in Portugal ausgelöst habe. Der Vorfall stehe im Zusammenhang mit einem „seltenen atmosphärischen Phänomen“. REN vermutete demzufolge, dass extreme Temperaturschwankungen in Spanien zu „anomalen Schwingungen“ in den Höchstspannungsleitungen geführt haben könnten. Diese Schwingungen verursachten mutmaßlich Synchronisationsfehler zwischen elektrischen Systemen und führten zu aufeinanderfolgenden Störungen im gesamten europäischen Verbundnetz.
„Induzierte atmosphärische Vibration“ in Spanien?
Über eine entsprechende Behauptung von REN berichtet auch die Nachrichtenagentur Reuters. Das Phänomen in 400-KV-Höchstspannungsleitungen sei auch als „induzierte atmosphärische Vibration“ bekannt. Allerdings dementierte ein REN-Sprecher diese Theorie laut der spanischen Tageszeitung „El País“ dann wieder. Es gebe aktuell keine Hitzewelle und auch keinen Sonnensturm. Alles sei „sehr spekulativ“.
Stromausfall „bis nach Deutschland“?
Der portugiesische Stromversorger E-Redes teilte laut der portugiesischen Zeitung „Expresso“ hingegen mit, dass der Stromausfall auf „ein Problem mit dem europäischen Stromnetz“ zurückzuführen sei. Das Unternehmen sah sich gezwungen, in bestimmten Regionen den Strom abzuschalten, um die Netzstabilität zu gewährleisten. „Es sieht so aus, als ob es sich um ein Problem mit dem Verteilnetz handelte, offenbar in Spanien. Die Ermittlungen laufen noch“, zitiert die Zeitung den portugiesischen Kabinettsminister Leitão Amaro.
In spanischen und portugiesischen Medienberichten war auch die Rede von mutmaßlichen (kleineren) Stromausfällen „bis nach Deutschland“. Dazu war am Montag jedoch nichts Konkretes bekannt geworden. Lediglich das französische Netz in bestimmten Grenzregionen zu Spanien war einige Minuten lang ausgefallen und konnte dann schnell wieder hergestellt werden, heißt es aus Paris.
Kein Stromausfall auf Mallorca
Das kleine Fürstentum Andorra in den Pyrenäen konnte sich nach dem flächendeckenden Ausfall in Spanien schnell ans französische Netz ankoppeln. Mallorca und die Nachbarinseln sowie die Kanaren und die afrikanischen Exklaven Ceuta und Melilla waren vom Stromausfall nicht betroffen. Dort gab es lediglich Auswirkungen auf Internet-Provider und Telefonnetze, die vom spanischen Festland abhängen.