Renommiertes Duo schuf Gedenkstätte

Vor 100 Jahren weihte die Walterichstadt das Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs ein. Es ist ein Gemeinschaftswerk des Bildhauers Willy Zügel sowie des Gartenarchitekten Albert Lilienfein, der die zugehörige Anlage am Feuersee gestaltete.

Das Denkmal hat sich später verändert, wurde in den 1950er- und 1970er-Jahren umgestaltet. Foto: Elisabeth Klaper

Das Denkmal hat sich später verändert, wurde in den 1950er- und 1970er-Jahren umgestaltet. Foto: Elisabeth Klaper

Von Elisabeth Klaper

Murrhardt. Mit einer ernsten Feier weihten die Einwohnerinnen und Einwohner der Walterichstadt und ihrer Teilorte am 23. Juli 1922 die damals „Kriegergedächtnisanlage“ genannte Gedenkstätte für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs auf der Feuerseehalbinsel ein. Sie ist das Werk von zwei renommierten Künstlern: Das Denkmal selbst schuf Kunstbildhauer Willy Zügel, Sohn des Kunstmalers und Professors Heinrich von Zügel. Die umgebende Anlage entwarf Gartenarchitekt Albert Lilienfein, der den Park der Villa Franck und viele weitere Park- und Gartenanlagen gestaltete.

Gemeindepfleger Emil Ellwanger hielt in einer Beschreibung über die Anlage fest: Sie sollte ein schlichtes, aber würdiges „pietätvolles Erinnerungszeichen“ sein. Sie ist ein Gemeinschaftswerk von Willy Zügel, der auch ein Modell erstellte, und Albert Lilienfein. Das zwei Meter hohe Denkmal besteht aus Muschelkalksteinplatten auf einem Betonkern und einem Fundament aus Eichenstämmen. An den Seiten waren die Namen der Gefallenen eingemeißelt, eine Steinskulptur eines ruhenden Helms auf einem Kranz mit zwei Schwertern schließt es ab. Den drei Meter durchmessenden Sockel umrahmt eine aus Fleinsteinen gemauerte 80 Zentimeter hohe und 11,5 Meter durchmessende Rotunde. An der Innenseite standen sechs 50 Zentimeter hohe Ruhebänke.

Die gärtnerischen Anlagen umfassten etliche neu gepflanzte Bäume und Sträucher, neu angelegte Wege mit Ruhebänken rings um den Feuersee von der Friedenskirche bis zum neuen Friedhofstor, einen Zugang zur Halbinsel und einen Zu- und Ausgang zum Kirchrainweg. Neu war auch eine direkte Verbindung zwischen der Anlage und dem Friedhof: Dessen südliche Mauer wurde geöffnet, um einen neuen Eingang zu schaffen.

Der Wunschstandort Klostergarten konnte nicht verwirklicht werden

Zur Vorgeschichte: Jahrelang zogen sich die Vorbereitungen hin, auch da die Gemeinderäte uneins über den Standort waren. Einige favorisierten den Klostergarten vor dem Stadtpfarrhaus, was jedoch auf dem staatlichen württembergischen Grundstück nicht möglich war. So stimmte die Gemeinderatsmehrheit im September 1921 für den Vorschlag des Stadtschultheißen, die Gedenkstätte auf der Feuerseehalbinsel zu errichten.

Auch die Finanzierung war ein Thema. Heinrich von Zügel unterstützte durch gutachterliche Beratung und die Stiftung von 10000 Mark das Projekt. Fabrikant Fritz Schweizer stiftete 1000 Mark und regte bereits 1916, also schon während des Krieges, die Gründung eines Fonds für die Kriegergedächtnisanlage an, Robert Franck stiftete 2500 Mark. Die Einwohnerschaft folgte dem Aufruf zu freiwilligen Spenden. Mitglieder des Liederkranzes und Turnvereins fertigten ehrenamtlich die Zäune aus Holz vom Stadt- und Privatwald, die Drahtstiftfabrik Hausen spendete die erforderlichen Drahtstifte. Rektor Otto Riethmüller, Verfasser vieler Heimatgrüße an die Soldaten im Feld, warb in Wort und Schrift für das Denkmal. Er schrieb das Gedicht für eine Werbepostkarte und den Prolog zur Aufführung des Bühnenstücks „Das Lied von der Glocke“ von Friedrich Schiller mit Musik von Andreas Romberg durch Bürgerinnen und Bürger, dessen Erlös sie dem Fonds spendeten. Die Stadt stellte den Platz und Holz aus dem Stadtwald für das Fundament zur Verfügung. Die Gesamtkosten schätzte man im Mai 1921 auf 57000 Mark, wegen der immer höheren Inflation stiegen sie jedoch auf über 307000 Mark, die man aus Mitteln der Gemeinde- und Stadtpflege, der Teilorte und Spenden aus etlichen Sammlungen deckte. So fand beispielsweise am Totensonntag, dem 25. November 1920, ein „Allgemeiner Opfertag“ statt. Insgesamt kamen über 29400 Mark durch Stiftungen und Spenden zusammen, auch von US-Bürgern, die Nachfahren ausgewanderter Murrhardter Familien waren, durch Vermächtnisse, Kirchenopfer, Erlöse von Benefizkonzerten und Aufführungen; dazu kamen über 1540 Mark Zinsen und Sonstiges.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gestaltete die Stadt die Anlage in den 1950er- und 1970er-Jahren zur Gedenkstätte für die Gefallenen und Vermissten beider Weltkriege um. Laut Heimatgeschichtsforscher Christian Schweizer wurden die Muschelkalkplatten des Denkmals gewendet und neue Inschriften aus Bronzegroßbuchstaben angebracht. Auf der Vorderseite zum Stadtgarten hin steht: „Dem Gedenken der Toten und Vermissten der Weltkriege 1914 – 1918 /1939 – 1945“. Auf der Rückseite zum Feuersee hin: „Den Toten zur Ehre, den Lebenden zur Mahnung“. Die Namen der Gefallenen und Vermissten beider Weltkriege sind – allerdings unvollständig – auf sieben Bronzetafeln in Großbuchstaben verzeichnet, die man rings um das Denkmal an der Innenseite der Rotunde anbrachte.

Diese Aufnahme zeigt das Denkmal im Jahr 1925. Foto: Stadtarchiv Murrhardt

Diese Aufnahme zeigt das Denkmal im Jahr 1925. Foto: Stadtarchiv Murrhardt

Eine Kommission begleitete die Umsetzung, ein ausführliche Zeremonie die Einweihung

Mitwirkende Es wurde eine Kommission eingerichtet, die Vorbereitung und Umsetzung vor über 100 Jahren begleiten sollte. Sie bestand aus Stadtschultheiß Blum als Vorsitzendem, Ratsschreiber Otto Vogt, Gemeindepfleger Emil Ellwanger, weiteren Mitgliedern der Stadtverwaltung und sechs Gemeinderäten. Die örtliche Bauleitung hatte Stadtbaumeister August Brand inne, die Steine lieferte ein Münchener Unternehmen. Mit Fundamentarbeiten, Versetzen der Muschelkalksteine, Herstellung der Rotunde und der Ruhebänke beauftragten Stadtverwaltung und Gemeinderat Steinhauermeister Karl Rössle.

Zeremonie Die Einweihung war ein bedeutendes Ereignis, was eine großformatige Programmankündigung und ein ausführlicher Bericht in einer Sonderbeilage in der Murrhardter Zeitung vom 24. Juli 1922 veranschaulichten. Feierlich zogen die Beteiligten, Mitglieder der Stadtverwaltung und des Gemeinderats, des Kirchengemeinderats, Kriegsteilnehmer und Invaliden, Veteranen- sowie Krieger- und Militärverein, Liederkranz und Gesangverein Frohsinn, Freiwillige Feuerwehr, Turnverein und Hausfrauenverein sowie Familien der Gefallenen und Bürger vom Bahnhof aus zur Stadtkirche. Dort hielt Stadtpfarrer Martin Krohmer einen Gedenkgottesdienst. Anschließend zogen die Teilnehmer zur Einweihung der Gedenkstätte, für die sich Stadtschultheiß Karl Blum stark engagiert hatte: „Von ihm stammen die führenden Gedanken, mit großer Geduld und Ausdauer überwand er die Hindernisse bis zur Ausführung des Werkes“, heißt es im Bericht. Von den 1030 Einberufenen aus Murrhardt und den Teilorten waren 176 gefallen oder vermisst. „Wir sind es unseren toten Helden schuldig, dass wir ihnen ein Denkmal setzen, zu dem die vielen, die um sie trauern, stets in treuem Gedenken sich wenden“, betonte Blum. Die Einweihung nahm Stadtpfarrer Karl Miller vor: Das Denkmal „soll ein Zeichen sein unseres unvergänglichen Dankes, des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe“, sagte er.

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Erstellt:
12. August 2022, 06:00 Uhr

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