Schulalltag in Zeiten von Corona

Zwischen Homeschooling und dem wieder anlaufenden Präsenzunterricht: Die Walterich- und Herzog-Christoph-Schule sowie das Heinrich-von-Zügel-Gymnasium müssen sich in schneller Abfolge auf völlig neue Situationen einstellen.

Präsenzunterricht in der Walterichschule mit viel Abstand: Hier hat sich die erste Gruppe der 4b bei Referendarin Lena Kreder (links) und Lehrer Robin Deppe (Dritter von links) eingefunden, um wieder – wenn auch in kleinerer Besetzung – mit den Klassenkameraden zu lernen. Fotos: J. Fiedler (3)/E. Klaper (1)

© Jörg Fiedler

Präsenzunterricht in der Walterichschule mit viel Abstand: Hier hat sich die erste Gruppe der 4b bei Referendarin Lena Kreder (links) und Lehrer Robin Deppe (Dritter von links) eingefunden, um wieder – wenn auch in kleinerer Besetzung – mit den Klassenkameraden zu lernen. Fotos: J. Fiedler (3)/E. Klaper (1)

Von Christine Schick

MURRHARDT. Das Gespräch mit Martina Mayer, Rektorin der Walterichschule, Carsten Gehring, Leiter der Herzog-Christoph-Schule, sowie Henning Zimmermann, Rektor des Heinrich-von-Zügel-Gymnasiums, zeigt, dass sich die Lage an den jeweiligen Schulen nicht über einen Kamm scheren lässt. Die Situationen unterscheiden sich durch die Rahmenbedingungen für Schüler, Eltern genauso wie fürs Kollegium. Trotzdem waren alle durch die Notwendigkeit, sehr flexibel auf die Zeiten von Corona zu reagieren, enorm gefordert und sind es noch. Der Umgang mit der Technik hat neue Potenziale geweckt, gleichzeitig müssen die Pädagogen ein Auge drauf haben, dass Schüler nicht abgehängt werden. Auch für sie selbst heißt es, wieder als Lernende aktiv zu werden.

In der Walterichschule sind es die Neunt- und Viertklässler, die nun in den Präsenzunterricht zurückgekehrt sind – jeweils als halbe Klassen, damit die Gruppen klein und die Abstände groß genug sind. Ein Teil der Neuntklässler bereitet sich auf den Abschluss, ein anderer auf die 10. Klasse vor, berichtet Martina Mayer. Das heißt auch, dass das Homeschooling weiterläuft. „Ich bin unheimlich stolz auf mein Kollegium. Wir haben auch viele Rückmeldungen von Eltern und Kindern bekommen, dass sie sich gut betreut gefühlt haben“, sagt die Rektorin. Dabei wurden auch mal Eins-zu-eins-Telefonunterricht oder Einzelvideokonferenzen nötig.

Um die Eltern der Grundschulkinder mit dem Ausdrucken von Materialien nicht zu überlasten, haben die Lehrer das erledigt und sie zu den Familien nach Hause gebracht. „Da gab’s auch mal Szenen, dass die Kinder am Fenster standen, sich gefreut und beispielsweise ein Gedicht aufgesagt haben.“ Das Homeschooling und Versorgen mit Unterrichtsmaterialien übers Netz stieß teils einfach an technisch-finanzielle Grenzen. Nicht überall in den Familien waren die Smartphones mit einer Flatrate oder einem umfangreichen Datenvolumen ausgestattet, so Martina Mayer. Im Alltag hieß es für die Pädagogen, dann auch in den digitalen Lerngruppen nachzuhaken, wenn sich Schwierigkeiten bei Einzelnen abzeichneten.

Nach den Pfingstferien werden alle Schüler zumindest ab und zu wieder Präsenzunterricht – ja wie soll man sagen – schnuppern können. Nach ausgeklügelten Plänen werden die Schüler in halbierten Gruppen, zeitversetzt und im Schichtbetrieb in die Gemeinschaftsschule kommen. Es gibt keine Pausen und der Unterricht konzentriert sich auf die Kernfächer Deutsch, Mathematik und Englisch. Sport oder Fächer wie Alltagsernährung sind nicht möglich. „Das ist schon einseitig, kopflastig“, sagt die Rektorin. Insofern seien drei bis vier Stunden am Tag auch genug. Gleichsam stellten sie fest, dass die Konzentration der Kinder und Jugendlichen besser sei, sie weniger abgelenkt seien, wozu auch die Kleingruppen beitrügen. Auch beim Einzug der Technik in den Schulalltag gibt es kein Pauschalurteil: „Manche Schüler sind mit dem Homeschooling hervorragend zurechtgekommen und haben klasse gearbeitet.“ Die Möglichkeit, bei Bedarf beispielsweise ein Lernvideo zu wiederholen oder neben dem Lehrer einen weiteren Erklärer zu haben, berge durchaus Potenzial, sagt Martina Mayer. Eine Mischung aus beiden Formen wäre gut, vorausgesetzt, die Schüler könnten auch mit Geräten versorgt werden, so ein Zukunftsszenario. Insofern freut sich die Schulleiterin, dass sie eine Firmenspende von 40 Tablets erhalten haben, die nun noch eingerichtet werden müssen. Zentral war und ist ebenso der Austausch mit den Eltern, der sich durch die Notwendigkeit, vieles zu regeln, intensiviert habe. Einen kleinen Einblick zu haben, wie eine Familie wohnt und lebt, könne zum Verständnis beitragen und sei wertvoll.

Für das Team am Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum Förderschwerpunkt Lernen, der Herzog-Christoph-Schule, berichtet Carsten Gehring ebenso von einer intensiven, engagierten Betreuungssituation auf Distanz: viele Telefongespräche bis hin zum Einzelunterricht, Ausfahren von Materialien, Nachhaken bei ausbleibenden Aufgaben und Klären von technischen Problemen wie das Fehlen einer WLAN-Verbindung im Haushalt. „Es ist ein Riesenschritt in puncto Digitalisierung, den wir jetzt machen“, sagt der Rektor. Wenn die Familien allerdings nicht über Geräte oder Anbindung verfügen, stoße man an Grenzen. Insofern denke das Kollegium darüber nach, ob Tablets mit einer Handykarte und einem bestimmten Kontingent angeschafft werden können. Da aber auch kurzfristige Lösungen wichtig sind, gebe es die Möglichkeit, wenn einzelne Schüler einfach schwer zu erreichen sind, dass sie dann doch in die Schule kommen können.

Stichwort Homeschooling: Beim Kontakt mit den Eltern müsse teils auch erklärt werden, wie das Lernen funktioniere, beispielsweise damit diese die Ziele nicht zu hoch steckten. Bei Sprachproblemen könnten unter Umständen auch Integrationshelfer als Brücke und Unterstützer fungieren. Letztlich sei für ein Einlernen mit der Technik zu wenig Zeit gewesen und Carsten Gehring erinnert daran, dass Eltern ja unter Umständen damit konfrontiert seien, sich in zwei verschiedene Systeme hineindenken zu müssen, weil mehrere Kinder im Haus sind, die auf unterschiedliche Schulen gehen. Wenn der Präsenzunterricht nach Pfingsten nun wieder zunimmt – zurzeit sind die Acht- und Neuntklässler sowie die Viertklässler in der Herzog-Christoph-Schule –, ist auch das Kollegium immer noch digital gefordert, da nur vier der elf Pädagogen vor Ort unterrichten können – relativ viele gehören zur Risikogruppe. „Wir haben da ein ausgeklügeltes System ausgetüftelt.“ Carsten Gehring freut sich auf die Livekontakte und ein Schulhaus, in dem Kinder und Jugendliche ein- und ausgehen. „Nicht nur, um Mathe und Deutsch zu unterrichten, sondern auch wirklich zu sehen, wie es den Schülern geht.“

Gleichzeitig befürchtet er durch die Einschränkungen in den Fächern und der Bewegungsfreiheit einen gewissen Rückschritt. Im Alltag vor Corona war Frontalunterricht kein Thema mehr, „bei uns liegt ja auch ein Schwerpunkt auf ganz lebenspraktischen Themen“. Wie sich die Vermittlung des Selbstwertgefühls für die Schüler mit einem Alltag auf Distanz vereinbaren lässt, ist für ihn im Moment noch schwer vorstellbar.

Henning Zimmermann zeichnet ebenso ein differenziertes Bild der Situation am Heinrich-von-Zügel-Gymnasium. Das schriftliche Abitur ist bereits abgeschlossen und alle Zwölftklässler haben diesen Haupttermin wahrgenommen. Trotz der Sorge, dass die Abiturienten ohne direkte Ansprache durch ihre Lehrer auf die Prüfungen hinarbeiten mussten, sieht er auch Vorteile wie eine relativ ungestörte Vorbereitungszeit durch die wegfallenden Klausuren. „Natürlich ist das auch vom jeweiligen Einzelfall und Schüler abhängig“, sagt er. Beispielsweise wenn es in der Familie eine Infektion gebe, könne dies belastend sein. Auch das Kollegium hat ein gut überlegtes System für den Präsenzunterricht am Gymnasium ausgearbeitet, damit jeder Schüler zwei Wochen bis zu den Sommerferien im Unterricht sein kann und die Logistik mit geteilten Klassen und auf den sechs Ebenen des Hauses funktioniert. Bis zu den Pfingstferien haben sich die Tore bisher nur für die Elft- und Zwölftklässler geöffnet.

Beim Homeschooling und der technischen Umsetzung sieht der Rektor das Gymnasium gut aufgestellt. Mit den Schulschließungen ist es mit einer cloudbasierten Lösung gestartet, über die Aufgaben bereitgestellt wurden, die Kommunikation lief vor allem per E-Mail. Als sich abzeichnete, dass der Alltag längerfristig auf digitale Vermittlung ausgerichtet werden muss, war für das Kollegium klar, dass es ein differenzierteres Instrument benötigte. Mithilfe von Lehrerin Nicole Wurst, die die Cloud und die neue Lösung begleitete, wurde die Lernplattform Moodle in Kombination mit einem Videokonferenzprogramm nach den Osterferien eingeführt. Das System erlaubt nun jedem Schüler, sich einzeln anzumelden, und bietet entsprechend individuellen Zuschnitt.

Flankiert von einer Umfrage bei den Eltern und Schülern zu Wünschen und Problemen hat das Kollegium die Möglichkeiten auch mit klaren Regeln abgesteckt: einheitliche Wochenpläne, einheitliche Zeiten, wann die Materialien bereitstehen, Online-Sprechstunden bei Lehrern (Video, Audio und Chat) und Angaben zu Umfang und Zeitpunkten des Feedbacks bei Aufgaben. Zurzeit können aber so alle Fächer angeboten werden. „Es ist klar, dass das den Unterricht nicht eins zu eins ersetzen kann“, sagt Zimmermann. Genauso weiß er, dass Eltern, die selbst im Homeoffice arbeiten, möglicherweise Probleme haben, mehrere internetfähige Geräte zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus will das Kollegium möglichst auch ein Auge darauf haben, ob es Schüler gibt, die abgehängt werden. Neben dem Blick auf den Zeitpunkt, wann sich ein Gymnasiast das letzte Mal eingeloggt hat, sind da auch gemeinsame Konferenzen hilfreich, bei denen besprochen wird, ob ein Schüler möglicherweise übergreifend Schwierigkeiten hat. Bei Geräteengpässen hat das Gymnasium mittlerweile auch sechs Laptops, die ausgeliehen werden können. „Wir haben uns bei den Familien erkundigt. Bisher haben alle, die Bedarf gemeldet haben, eines bekommen“, berichtet Zimmermann. Beim reinen Internetzugang seien bisher keine Probleme aufgetaucht.

Der Schulleiter hofft, dass die Vorzüge der digitalen Infrastruktur, die nun aufgebaut ist, auch nach einer Normalisierung genutzt werden können. „Arbeitsblätter lassen sich beispielsweise so auch übermitteln, wenn ein Kind krank ist, oder wir können eine Lehrerkonferenz mal online organisieren.“ Zudem ist für rund 20 Prozent des Kollegiums auch Homeoffice ein Thema, die als Risikogruppe noch nicht in den Unterricht zurückkehren. Henning Zimmermann ist sehr bewusst, dass all dies für Kollegen, Eltern und Schüler eine Herausforderung ist – schon allein zeitlich. Er ist selbst Vater und erlebt aus dieser Perspektive die Grundschullehrer seiner Tochter als ebenso engagierte Kollegen. „Insgesamt schlüpfen wir dabei als Lehrer auch wieder in die Rolle des Lernenden und das ist durchaus spannend.“

Schulalltag in Zeiten von Corona

„Manche Schüler sind mit dem Homeschooling hervorragend zurechtgekommen.“

Martina Mayer,

Rektorin Walterichschule

Schulalltag in Zeiten von Corona

© Jörg Fiedler

„Ich freue mich nicht nur, wieder zu unterrichten, sondern auch zu sehen, wie es den Schülern geht.“

Carsten Gehring,

Rektor Herzog-Christoph-Schule

Schulalltag in Zeiten von Corona

© Jörg Fiedler

„Wir schlüpfen als Lehrer auch wieder in die Rolle des Lernenden und das ist durchaus spannend.“

Henning Zimmermann, Rektor

Heinrich-von-Zügel-Gymnasium

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Erstellt:
29. Mai 2020, 06:00 Uhr

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