Migration

Schwere Zeiten für die Seenotrettung

Die Organisationen befürchten, dass die verschärften EU-Asylregeln ihre Arbeit auf dem Mittelmeer noch schwieriger machen.

Die Seenotretter auf dem Mittelmeer haben bereits Tausende Menschen vor dem Ertrinken gerettet. Doch vor allem von Italien werden sie bei ihrer Arbeit immer wieder behindert.

© Krohn

Die Seenotretter auf dem Mittelmeer haben bereits Tausende Menschen vor dem Ertrinken gerettet. Doch vor allem von Italien werden sie bei ihrer Arbeit immer wieder behindert.

Von Knut Krohn

Den Seenotrettern von SOS Humanity ist ein kleiner PR-Coup gelungen. Joachim Löw ist das Gesicht der Spendenkampagne an Weihnachten. „Für mich ist klar: Menschen dürfen im Mittelmeer nicht sterben, weil sie Schutz vor Krieg, Gewalt oder Armut suchen“, so der Ex-Fußballbundestrainer bei der Präsentation. „Man lässt Menschen nicht ertrinken.“ Aus diesem Grund setze er sich dafür ein, dass mit seiner Unterstützung die Organisation ein zweites Rettungsschiff finanzieren kann. Der 24 Meter lange Segler mit einer kleinen Klinik an Bord soll schon in den nächsten Monaten vor der Küste Tunesiens zum Einsatz kommen.

Keine Frohe Botschaft für die Seenotretter

Das ist eine der sehr wenigen frohen Botschaften für die rund ein Dutzend Seenotrettungsorganisationen im Mittelmeer, die nach einem schwierigen Jahr besorgt in die Zukunft blicken müssen. Im Juni 2026 will die Europäische Union die schärferen Regeln des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) umsetzen. Sie sollen den Mitgliedsländern beschleunigte Asylverfahren ermöglichen. Zudem sollen künftig Asylsuchende direkt an den EU-Außengrenzen zurückgewiesen werden können, wenn ihr Antrag keine Aussicht auf Erfolg verspricht. Zudem hat Brüssel eine Reihe von Abkommen mit Ländern wie Libyen und Tunesien abgeschlossen, die bei der Eindämmung irregulärer Migration helfen sollen.

Nicht nur auf politischer Ebene konstatieren die Hilfsorganisationen eine härtere Gangart gegenüber den Flüchtlingen. Die Besatzungen der Schiffe, die im Mittelmeer kreuzen, mussten zuletzt eine zunehmende Rücksichtslosigkeit vor allem der libyschen Küstenwache beobachten. Die EU arbeitet seit rund zehn Jahren mit Libyen zusammen mit dem Ziel, Flüchtlingsboote abzufangen und an die Küste Nordafrikas zu bringen.

Hartes Vorgehen der libyschen Küstenwache

Ein Schnellboot der Küstenwache hatte im August das Rettungsschiff Ocean Viking der Hilfsorganisation SOS Méditerranée mit Maschinengewehren angegriffen. Bei dem Beschuss wurde die Brücke schwer beschädigt und Teile der Ausrüstung zerstört. Erst Mitte Dezember war das Schiff wieder bereit für den nächsten Einsatz. „Dieser beispiellose bewaffnete Angriff war ein schwerer Schlag für unsere Arbeit“, so Soazic Dupuy, Einsatzleiterin von SOS Méditerranée. „Unsere Entschlossenheit, Menschenleben zu retten, hat er jedoch nicht gebrochen.“

Auch andere Organisationen berichten von Rammversuchen und Übergriffen. Als Konsequenz haben sich die deutschen Hilfsorganisationen Sea-Eye, Sea-Watch und SOS Humanity und zehn weitere Gruppen kürzlich zusammengeschlossen und wollen nicht mehr mit der libyschen Küstenwache zusammenarbeiten, wie von der EU gefordert. Sie werfen den Sicherheitskräften vor, systematisch Gewalt gegen Flüchtlinge auf See einzusetzen. Die Internationale Organisation für Migration der Vereinten Nationen geht davon aus, dass seit 2014 fast 35 000 Menschen im Mittelmeer gestorben sind.

Die Seenotretter füllen eine klaffende Lücke

Die Rettungsaktionen auf dem Mittelmeer wurden früher unter der Führung von Italien von staatlichen Stellen organisiert und durchgeführt. Nach einem schweren Bootsunglück vor Lampedusa im Oktober 2013, bei dem mehr als 300 Menschen starben, schickte die damalige Mitte-Links-Regierung in Rom zusätzliche Marineschiffe ins Mittelmeer. Nach etwa einem Jahr lief Mare Nostrum aus, denn der politische Wind hatte sich gedreht: Die Nachfolgemission Triton der EU hatte das Ziel, die Grenzen der EU zu schützen, nicht Menschen zu retten. Aus diesem Grund sprangen Privatleute ein, gründeten Organisationen und kauften mit Spendengeld Rettungsschiffe. Inzwischen ist die Regierung der postfaschistischen Premierministerin Giorgia Meloni dazu übergegangen, die Seenotretter gezielt zu schikanieren. So werden ihnen etwa nach einer Rettungsmission oft Häfen im Norden Italiens zugeteilt, die sie erst tagelang ansteuern müssen. Bisweilen werden die Rettungsschiffe auch über Tage von den Behörden festgesetzt.

Nicht nur die Verschärfung der Asyl-Regeln macht den Hilfsorganisationen zu schaffen. Nun meldete SOS Méditerranée auch noch, dass sich das Rote Kreuz aus finanziellen Gründen aus der seit Jahren funktionierenden Partnerschaft zurückzieht. Das Rote Kreuz stellte bei den Rettungseinsätzen Mitarbeiter zur Verfügung und unterstützte die Organisation mit rund zwei Millionen Euro pro Jahr. Auch das sei ein schwerer Schlag, so Soazic Dupuy. SOS Méditerranée werde dennoch die Einsätze weiterführen.

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Erstellt:
23. Dezember 2025, 18:50 Uhr

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