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Sehnsüchtig vermisst - die verschwundene Eisbachwelle
Seit Tagen ist die berühmte Eisbachwelle in München verschwunden und die Aufregung enorm. Die Surfer jedenfalls hoffen, dass sie bald wieder aufs Wasser können. Was macht die Welle so besonders?
© Peter Kneffel/dpa
So sieht es hier sonst aus. (Archivbild)
Von Von Ute Wessels, dpa
München - Menschen mit Surfbrett unter dem Arm gehören in München zum alltäglichen Stadtbild. Ob Sommer oder Winter, die Eisbachsurfer sind quasi legendär, und die Welle am Rande des Englischen Gartens ist ein Hotspot für Touristen und Schaulustige. Seit Tagen ist nicht nur die Surferszene der bayerischen Landeshauptstadt in Aufruhr, denn die Welle ist weg. Verschwunden. Ein erster Versuch, sie künstlich zu reaktivieren, blieb erfolglos. Doch es gibt weitere Optionen.
Wie funktioniert die Eisbachwelle?
Voraussetzung für das Entstehen einer surfbaren, stehenden Welle sei, dass in einem Fluss oder Kanal ein schlagartiger Umschlag von schießender Strömung zu strömender Strömung erfolgt, erläutert Robert Meier-Staude, Professor für ressourcenschonende Konstruktion an der Hochschule München, Fakultät für Wirtschaftsingenieurwesen. Dieser Umschlag erzeuge Wellen oder zumindest schäumendes Wasser. Letzteres ist zurzeit statt der Eisbachwelle zu sehen.
Mindestbedingungen für eine Welle sind Prof. Meier-Staude zufolge: eine Wassermenge pro Meter Wellenbreite von einem Kubikmeter Wasser pro Sekunde sowie ein Höhenunterschied zwischen Oberwasser (Höhe Wasserspiegel stromaufwärts der Welle) und Unterwasser (Höhe Wasserspiegel stromabwärts der Welle) von etwa einem Meter - im Idealfall etwas mehr. Entscheidend für die Surfbarkeit der Welle sei der Höhenunterschied zwischen Unterwasser und Wellental.
Je weniger Wasser verfügbar ist, desto sensibler reagiere die Welle. Am Eisbach betrage die Wassermenge etwa zwei Kubikmeter pro Sekunde pro einem Meter Wellenbreite. "Wir haben also ausreichend Wasser, und die Höhendifferenz kann 10 bis 15 Zentimeter schwanken, ohne dass die Welle bricht oder zu flach wird", sagt der Fachmann.
Was macht die Eisbachwelle so außergewöhnlich und berühmt?
Die Eisbachwelle gilt als die weltweit konstanteste, größte und beste Flusswelle mitten in einer Großstadt und ist seit mehr als 40 Jahren besurfbar, wie die Stadt mitteilt. Es kann ganzjährig gesurft werden. Die Welle ist anspruchsvoll und zieht Surfer aus aller Welt an. Auch der kalifornische Surferstar und mehrfache Weltmeister Robby Naish stieg schon am Eisbach auf sein Board.
Prof. Meier-Staude sagt über die Welle: "Sie läuft sehr stabil und ist sehr kraftvoll – sozusagen energiereich. Sie trägt auch schwere Surfer auf kleinen Brettern, erlaubt hohe Geschwindigkeit auf dem Brett und dadurch schöne Manöver und Sprünge."
Warum ist die Eisbachwelle verschwunden?
Weshalb sich die Eisbachwelle nicht mehr aufbaut, ist unklar. Nach der jährlichen Bachauskehr, bei der nach Angaben des Baureferats unter anderem das Bachbett von Unrat und Sedimenten befreit worden ist, hätte der Surfbetrieb vergangenen Freitagabend wieder starten sollen. Jedoch blieb die Welle aus. Die Stadt versicherte, dass keine baulichen Veränderungen an der Eisbachwelle oder ihrer Seitenbereiche vorgenommen worden seien.
Wie kann die Welle reaktiviert werden?
Nach Angaben des Baureferats sollen verschiedene Optionen geprüft werden. Ziel ist es, Abflussmengen und Wasserstände so zu verändern, dass sich am Eisbach wieder eine surfbare Welle aufbaut. Erste Veränderungen am Zufluss zur Eisbachwelle am Mittwoch waren allerdings erfolglos geblieben. Eine weitere Möglichkeit wäre, Kies aufzuschütten. Am Donnerstagvormittag unternahmen Wasserbau-Spezialisten der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg Messungen zum Strömungsverlauf und zum Untergrund der Welle.
Wie natürlich ist die Eisbachwelle?
Die Eisbachwelle sei insofern natürlich, als sie nicht bewusst zum Surfen konzipiert worden ist, erläutert Meier-Staude. Zwar sei die Welle von Ingenieuren und Architekten des Englischen Gartens erzeugt worden, jedoch ursprünglich um die Energie des Wassers in einem sogenannten Tosbecken zu vernichten. Über die Jahre, zum Beispiel durch Kies und Ablagerungen, habe sich das Tosbecken so verändert, dass von selbst eine surfbare Welle entstand.
Ist die Welle schon früher ausgefallen?
Der Interessengemeinschaft Surfen in München (IGSM) zufolge hat sich die Welle nach der Bachauskehr, bei der der Wasserstand vorübergehend abgesenkt wird, bisher stets wieder aufgebaut.
Haben die Münchner Surfer Alternativen?
Nicht weit von der Eisbachwelle entfernt gibt es eine weitere Surfwelle – die Dianabadschwelle oder auch "E2". Aber nicht nur, weil Anwohner genervt sind und einen Zaun errichtet haben, ist sie für viele Surfer kein vollwertiger Ersatz. Sie gilt eher als Anfängerwelle. Auch an der Isar im Stadtteil Thalkirchen gibt es eine Stelle, an der unter bestimmten Umständen gesurft werden kann.
Welche Regeln gelten normalerweise am Eisbach?
Das Surfen auf der Eisbachwelle erfordert Können und Erfahrung. Für Anfänger ist die Welle tabu. Eisbachsurfer müssen mindestens 14 Jahre alt sein. Das Surfen ist in der Zeit von 5.30 bis 22.00 Uhr erlaubt. Surfer müssen eine selbstöffnende Leine verwenden, mit der das Board am Fuß befestigt ist. So soll sichergestellt werden, dass sich Surfer im Gefahrenfall von ihrem Brett lösen können, um nicht unter Wasser zu geraten. Zudem gilt das Buddy-System, wonach Surferinnen und Surfer immer mindestens eine Begleitperson benötigen, die sie vom Ufer aus beobachten und die im Notfall helfen kann.
Was ist bei dem tödlichen Surfunfall im Frühjahr geschehen?
Im April war eine 33-jährige Surferin im Eisbach tödlich verunglückt. Ihre Fangleine hatte sich im Untergrund des Eisbachs verhakt. Da sie mit dem Brett verbunden war, konnte sie sich nicht befreien. Erste Rettungsversuche durch andere Surfer scheiterten wegen der starken Strömung. Erst die Feuerwehr konnte die Frau aus den eisigen Fluten ziehen. Eine Woche später starb sie. In der Folge wurde die Welle, auch wegen der Ermittlungen zur Unglücksursache, gesperrt. Seit Ende Juni ist das Surfen wieder freigegeben.
Neue Beleuchtung für mehr Sicherheit
Weil bei dem tödlichen Unfall die Dunkelheit die Rettungsarbeiten erschwerte, wurde im Zuge der Bachauskehr nun eine Beleuchtung installiert. Nun könne die Feuerwehr bei Bedarf helleres Licht zuschalten, hieß es von der Stadt.
© Peter Kneffel/dpa
Ein Mann mit einem Surfboard an seinem Fahrrad schaut von einer Brücke auf die - nicht mehr vorhandene - Eisbachwelle im Englischen Garten.
© Peter Kneffel/dpa
Mitarbeiter der Helmut-Schmidt-Universität aus Hamburg, Fachrichtung Wasserbau, vermessen mit speziellen Geräten den Strömungsverlauf und den Untergrund der Eisbachwelle im Englischen Garten.
