Steinhöfel verliert gegen das Land
Selbst Tränen helfen dem Staranwalt nicht
Seit Jahren hat der Hamburger Medienanwalt den baden-württembergischen Antisemitismusbeauftragten Michael Blume auf dem Kieker. Jetzt stritt man sich um den Blog „Achse des Guten“.

© dpa/Michael Kappeler
Joachim Steinhöfel im Jahr 2020 bei einer Verhandlung vor dem Berliner Landgericht.
Von Eberhard Wein
Im nüchternen Saal 1 des Stuttgarter Verwaltungsgerichts läuft großes Kino. Joachim Steinhöfel – Publizist, Moderator, Werbefigur, hier aber als Rechtsanwalt tätig – zieht das komplette Register. Sogar weinen muss er während der Verhandlung und läuft dafür kurz auf den Gang hinaus. Als er wiederkommt, hat er laut Augenzeugen immer noch Tränen in den Augen. So ungeheuerlich findet er, was hier gerade geschieht. Denn der Vorsitzende Richter, immerhin der Präsident des Verwaltungsgerichts, spurt nicht so, wie er das gerne hätte – und wohl auch gewohnt ist.
Das Land Baden-Württemberg und besonders den Beauftragten gegen Antisemitismus, Michael Blume, hat der Hamburger Jurist schon seit Jahren auf dem Kieker. Als „antisemitischen Antisemitismusbeauftragten“ hat er Blume bezeichnet. Das Verwaltungsgericht hat nun noch einmal festgestellt, dass die Landesregierung dies zwar „aufgrund der Faktenarmut“ als „absurd“, nicht aber als „niederträchtig“ bezeichnen darf. Diese Wertung gehe zu weit.
Audi streicht seine Anzeigen für „Achgut“
Doch es gibt noch einen zweiten Fall und der beginnt vor drei Jahren. Damals setzte Blume auf Twitter, heute X, einen Tweet ab, in dem er es begrüßte, dass die Firma Audi beschlossen habe, „nach Gastbeiträgen des Verschwörungsmythologen Stefan Homburg nicht länger Werbeanzeigen“ auf dem Internetportal „Achse des Guten“ zu schalten.
Im Auftrag des Betreibers von „Achgut“, des Publizisten Henryk M. Broder, reichte Steinhöfel Klage ein. Dem Staat stehe eine solche Bewertung nicht zu. Allerdings hatte er damit nur teilweise Erfolg. Im Januar 2023 befand der Mannheimer Verwaltungsgerichtshof (VGH), dass die Warnung vor Verschwörungsideologien durchaus mit dem Auftrag eines Beauftragten gegen Antisemitismus im Einklang stehe. Lediglich einen Teil seiner weiteren Begründung musste Blume löschen. Für die Behauptung „viele Autoren“ auf dem Blog verträten „rassistische & demokratiefeindliche Positionen“, fehlten dem Gericht in diesem Zusammenhang die Belege.
„Islamophob und antisemitisch“
Wie bei solchen Verfahren üblich, war damals vorab auch in Schriftsätzen gestritten worden. Dass der Anwalt des Landes dabei ganz ähnliche Formulierungen benutzte wie Blume in seinem Tweet und einige Beiträge auf „Achgut“ als verschwörungsideologisch einordnete, führte nun zur neuen Klage. „Auch und gerade vor Gericht“, argumentierte Steinhöfel, dürfe „der Staat die Grundrechte seiner Bürger nicht verletzen.“
Beim Verwaltungsgericht ist der Promi-Anwalt damit nun abgeblitzt. „Die Parteien müssen in einem Gerichtsverfahren alles vortragen dürfen, was sie zur Wahrung ihrer Rechte für erforderlich halten, auch wenn hierdurch die Ehre eines anderen berührt wird“, heißt es im Urteil, das dieser Zeitung vorliegt.
Unter anderem hatte der juristische Vertreter des Landes geschrieben, die in dem Blog veröffentlichten Beiträge würden „seit einigen Jahren häufig als rechtspopulistisch, antisemitisch und islamophob eingeordnet“. Das Gericht sah darin kein Werturteil, sondern eine Tatsachenbehauptung, die anhand von Veröffentlichungen auch ausreichend belegt worden sei, wie es im Urteil heißt.
Geweint aus „Ekel und Bestürzung“
Die Darstellung, er habe beim Prozess geweint, sei „geschmacklos“ und „sachlich verfehlt“, erklärte Steinhöfel gegenüber unserer Zeitung. „Ich habe eine Unterbrechung der Sitzung erbeten – aus Ekel und Bestürzung angesichts der niederträchtigen und in Ton wie Inhalt antisemitisch konnotierten Diffamierungen von Herrn Broder durch Vertreter der Landesregierung.“ Broder ist der Sohn von Holocaust-Überlebenden.
Er erlebe Steinhöfel als Blogger, „der gerne auch über X austeilt und Meinungsfreiheit für sich einfordert, aber seinerseits Widerrede ungern stehenlässt“, sagte Blume gegenüber unserer Zeitung. Seine Klagen auch gegen das Staatsministerium „betrachte ich als Hinweise darauf, dass unsere Arbeit bundesweit beachtet wird und ordentlich Wirkung erzielt“. Steinhöfel kündigte die Ausschöpfung des Rechtswegs an. Dieselbe Kammer habe identische Äußerungen in früheren Verfahren als stark ehrenrührig eingestuft. Jetzt wolle sie die Schmähkritik nicht erkennen. Dies werfe „Fragen nach der Konsistenz der rechtlichen Bewertung und der Neutralität der Entscheidungsfindung auf“.