So erleben Familien den Distanzunterricht

Wie andere Schulen blickt das Heinrich-von-Zügel-Gymnasium – wenn auch mit Unterbrechungen – auf knapp ein Jahr Homeschooling. Ein Gespräch mit Lehrern, Eltern und Schülern vermittelt Eindrücke von Chancen und Risiken, guten Bedingungen und Hilfen.

Zum gemeinsamen Gespräch über die Schulplattform Moodle hat Lehrerin Theresa Bilharz eine Illustration im Gepäck: Eltern und Schüler sowie Kollegen sollen sich einen der Kerle heraussuchen, der ihre Gefühlslage am besten widerspiegelt, als zu Beginn des zweiten Lockdowns klar war, dass es wieder ins Homeschooling geht. Während die Lehrer zwischen Bangen und Hoffen schwankten, dass alles gut läuft, zeigten sich die beiden Schüler und Elternteile erstaunlich gelassen. Fotos: Heinrich-von-Zügel-Gymnasium/J. Fiedler

© Bilharz

Zum gemeinsamen Gespräch über die Schulplattform Moodle hat Lehrerin Theresa Bilharz eine Illustration im Gepäck: Eltern und Schüler sowie Kollegen sollen sich einen der Kerle heraussuchen, der ihre Gefühlslage am besten widerspiegelt, als zu Beginn des zweiten Lockdowns klar war, dass es wieder ins Homeschooling geht. Während die Lehrer zwischen Bangen und Hoffen schwankten, dass alles gut läuft, zeigten sich die beiden Schüler und Elternteile erstaunlich gelassen. Fotos: Heinrich-von-Zügel-Gymnasium/J. Fiedler

Von Christine Schick

MURRHARDT. Das Treffen findet in für Schüler, Eltern und Pädagogen gewohnter Umgebung statt: Auf der Lernplattform Moodle schalten sich Henning Zimmermann, Rektor am Heinrich-von-Zügel-Gymnasium Murrhardt, die Lehrerinnen Nicole Wurst und Theresa Bilharz, Louisa Schweizer (6b) und ihre Mutter Sonja, Tobias Wieland (7b) und seine Mutter Birgit sowie Paul Giesinger, dessen Sohn Paul in die 9b geht, zu. Das Thema des Austauschs mit unserer Zeitung: Homeschooling sowie Digitalisierung im Unterricht.

Theresa Bilharz, die in der 5. Klassenlehrerin ist und sich um die Öffentlichkeitsarbeit kümmert, hat zur Unterstützung auch Bilder und Stichpunkte für Fragen und Einschätzungen auf einer Präsentation mitgebracht. Im zweiten Lockdown hieß es für die Familien genauso wie für die Pädagogen, sich wieder aufs Homeschooling einzustellen. Wie war das, als sich abzeichnete, dass eine zweite Phase anstand? Nachdem Eltern, Lehrer und Schüler sich eines der Monster, die verschiedene Gefühlslagen zum Ausdruck bringen, auf der Präsentation herausgesucht haben, erklären sie ihre Entscheidung. „Ich hatte ein gutes Gefühl, vor allem weil das im ersten Lockdown schon so gut geklappt hat“, sagt Birgit Wieland. Tobias bestätigt, dass er mit dem Fernlernen gut zurechtkommt. Beim Schulalltag zu Hause ist beziehungsweise war er nicht alleine – seine zwei Geschwister sind jünger, gehen in die 3. und 6. Klasse. Birgit Wieland, zurzeit nicht berufstätig, kann unterstützen, bei Tobias sei das aber praktisch kein Thema. Ihr Mann ist im Homeoffice. „Ich ziehe den Hut vor Eltern, die beide arbeiten müssen.“ Die Rahmenbedingungen sind gut: „Jeder hat sein Zimmer, wir haben technisch nachgerüstet“, erzählt sie.

„Ich fand es auch nicht so schlimm, dass wir wieder auf Fernlernen umstellen mussten“, sagt Louisa Schweizer. Die Erfahrungen der ersten Phase helfen ihr und sie sieht sogar eine Reihe positiver Aspekte. „Ich kann beim Lernen mein eigenes Tempo bestimmen, hab teils ein bisschen mehr Zeit und wenn mich etwas interessiert hat, hab ich auch recherchiert“, sagt sie. Und: „Ich hab mein eigenes Zimmer.“ In der Klasse kann es schon mal lauter sein und die Konzentration leiden. „Sie war supermotiviert, hat auch einen alten Rechner bekommen“, sagt ihre Mutter. Louisas Schwester ist schon mit der Schule fertig.

Paul Giesinger erlebt eine Art Zweiteilung. Seine beiden Jungs gehen aufs Gymnasium und kommen seiner Wahrnehmung nach gut mit dem Fernlernen zurecht, seine Tochter allerdings vermisst die Schule und den Präsenzunterricht in der 4. Klasse. Über Paul, der nicht beim Gespräch dabei sein kann, weil es Missverständnisse beim Termin gab, berichtet er: „Er hat beim Homeschooling sein eigenes Tempo, zieht das relativ gut durch und hat dadurch mehr Freizeit.“ Froh ist Giesinger, dass es technisch keine Probleme gibt. Wenn alle in ihren Videokonferenzen sind – auch er ist im Homeoffice –, laufen vier Sitzungen parallel.

Im Vergleich zur ersten Phase nehmen die Videokonferenzen im Unterricht nun auch einen größeren Raum ein. Insofern hat sich Nicole Wurst als Netzwerkbeauftragte etwas gesorgt, ob technisch alles funktioniert, war gleichzeitig gespannt auf die neuen Erfahrungen. „Für die Fünftklässler haben wir auch Extraschulungen angeboten.“ Theresa Bilharz nickt und ergänzt, dass trotz der Bedenken ein Pluspunkt sei, durch die Situation auch selbst wieder zur Lernenden zu werden. Henning Zimmermann ist erstaunt, wie viele Schüler vergleichsweise selbstverständlich mit der Intensivierung und der höheren Anzahl an Videokonferenzen umgehen. Gleichzeitig sei ihm bewusst, dass bestimmte Dimensionen des sozialen Lernens in diesem Alltag nicht zum Zuge kommen.

Es wird deutlich, dass Lehrer und Eltern viel investieren: Wenn Paul Giesinger sich mit seiner Frau bei der Betreuung abwechselt, kann es sein, dass er zwischen Matheunterricht, Klasse 4, Biologie, Klasse 5, und Chemie, Klasse 9, hin und her springt und viel am Telefon ist, von seinem eigenen Job mal abgesehen. Er lässt durchblicken, dass das Engagement schon auch am einzelnen Lehrer hängt („Da menschelt es auch, das sind ja keine Roboter“), er im Großen und Ganzen aber zufrieden und sich bewusst ist, die Pädagogen nicht ersetzen zu können. Louisa würdigt das Engagement ihrer Lehrer: „Das Feedback zu meinen Aufgaben ist super, im Präsenzunterricht ist das so gar nicht immer möglich.“

Nicole Wurst spricht an, dass ihre Wahrnehmung der Schüler beim Präsenzunterricht ganzheitlicher, sozusagen schärfer sei und sie so eher registriere, wenn Einzelne Probleme haben. „Die Hemmschwelle, beim Fernlernen den Lehrer anzuschreiben, ist natürlich auch größer“, sagt sie. Wenn sich Schüler im Online-Meeting sehr still verhalten, sei es schwer nachzuhaken. Allerdings geben ihr die Aufgaben Anhaltspunkte, und bei Schwierigkeiten habe sie gute Erfahrungen damit gemacht, gezielt eine Konferenz mit zwei bis drei Schülern anzubieten. Auch Theresa Bilharz hat ein Auge drauf, wer was abruft und wie bearbeitet, um eine gewisse Kontrolle zu haben.

Tobias und Louisa sind sich einig: Am ehesten merken sie den virtuellen Charakter des Lernens und dass es ihnen nicht ganz so leicht fällt, wenn etwas völlig Neues auf dem Plan steht, wissen sich aber gut zu helfen. Wenn die Lehrer merken, dass Einzelne deutliche Probleme haben, bieten sie den Schülern an, ins Gymnasium zu kommen, ergänzt Henning Zimmermann.

Und wie schaffen Eltern und Kinder es, mit den Anforderungen und dem Alltagsstress zurechtzukommen? „Wir haben einen Hund und haben die Ausflüge ausgedehnt, sind nachmittags länger draußen“, erzählt Birgit Wieland. Auch das Zuhören, die Zuwendung und der familiäre Zusammenhalt sind ihr wichtig. Sonja Schweizer weiß um den Wert der Tatsache, dass die Familie über genügend Platz und Zeit verfügt. Auch sie haben einen Vierbeiner, der Anlass zum Rauskommen bietet. Paul Giesinger sagt, im ländlichen Raum zu leben sei in dieser Hinsicht ein Glück, auch wenn er einräumt, dass ab und zu Netflix-Serien als Abschalthilfe zum Einsatz kommen.

Mit Coronapandemie und Lockdownphasen hat der digitale Unterricht einen ungeahnten Schub bekommen. Die Frage ist, welche Rolle Neue Medien und technische Hilfsmittel künftig spielen sollen. Für Nicole Wurst und Theresa Bilharz ist klar, beispielsweise einen Tableteinsatz von den Unterrichtsinhalten abhängig zu machen. „Den Umgang mit Stift, Geodreieck und Zirkel finde ich aber für die Entwicklung der Feinmotorik wichtig“, sagt Nicole Wurst.

Henning Zimmermann hält es für entscheidend, die Chancen digitaler Medien zu nutzen, wie eine schnelle Visualisierung von Inhalten oder das Abfotografieren von Schülerlösungen, um sie besprechen zu können. „Den Lehrer, der gut erklären kann, wird es weiterhin geben.“ Gleichzeitig plädiert er dafür, auch ohne fertiges Konzept den Einsatz zu erkunden. In Auseinandersetzung mit Hard- und Software entstünden Erfahrungswerte, die auch konzeptionell wichtig sein können.

Jetzt heißt es für das Lehrerteam, mit der allmählichen Öffnung wieder in eine neue Phase zu gehen. Die Kursstufe, sprich Klasse 11 und 12, sind nun im Wechselunterricht – morgens Präsenz- und mittags Fernlernen – zu betreuen. Für Luisa und Tobias wird es voraussichtlich noch etwas dauern, bis auch sie wieder in den Genuss des Präsenzunterrichts kommen. Was machen sie dann als Erstes? „Mich um meine Freunde kümmern“, sagt Tobias. Louisa grinst, sie würde schnell eine Nachricht schreiben und es dann genießen, „mit den Freunden zu reden“.

Foto: A. Becherg Foto: A. Becherg
So erleben Familien den Distanzunterricht

© Jörg Fiedler

„Den Lehrer, der gut erklären kann, wird es weiterhin geben.“

Henning Zimmermann,

Rektor am Heinrich-von-

Zügel-Gymnasium

Heute: Online-Infoveranstaltung

Das Heinrich-von-Zügel-Gymnasium Murrhardt lädt zu einem virtuellen Kennenlernen ein. Die Online-Veranstaltung findet am heutigen Freitag, 26. Februar, um 19 Uhr nach Voranmeldung über die E-Mail-Adresse hvz@hvzg-murrhardt.de statt. Auch Kurzentschlossene können sich per E-Mail erkundigen, ob sie noch die Möglichkeit haben, dazuzustoßen. Weitere Infos finden sich auf der Homepage der Schule unter www.hvzg-murrhardt.de.

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Erstellt:
26. Februar 2021, 06:00 Uhr

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