Weitverbreitete Betrugsmasche

So raffiniert gehen Enkeltrick-Betrüger vor

Hunderttausende Euro übergeben Menschen an Betrügerbanden, die sie mit erfundenen Geschichten unter Druck setzen. Die deutsche Polizei braucht die Hilfe Europas.

Nach der Kriminalitätsstatik des BKA wurden 2024 in Deutschland 6656 Fälle von Enkeltrick-Betrug  gemeldet. Davon sind 1527 Fälle aufgeklärt worden.

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Nach der Kriminalitätsstatik des BKA wurden 2024 in Deutschland 6656 Fälle von Enkeltrick-Betrug gemeldet. Davon sind 1527 Fälle aufgeklärt worden.

Von Markus Brauer/dpa

Der groß angelegte Betrug an alten Menschen mit Schockanrufen und dem sogenannten Enkeltrick weitet sich in Europa aus. Als Folge vernetzt sich die deutsche Polizei im Kampf gegen die Täter immer internationaler.

Von Mittwoch (11. Juni) bis Freitag (13. Juni) treffen sich auf Einladung des Berliner Landeskriminalamtes (LKA) Staatsanwälte sowie Kriminalpolizisten aus den 16 Bundesländern, vom Bundeskriminalamt (BKA) und aus Polen, der Slowakei, Tschechien, Österreich, Schweiz, Großbritannien und Serbien.

Die Konferenz in Teltow (Brandenburg) ist Teil des von der EU geförderten Projekts ISF Lumen (lateinisch: Licht) gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität.

Was ist der sogenannte Enkeltrick oder Schockanruf?

Bei dieser schon seit vielen Jahren bekannten Betrugsmasche geben sich die Täter am Telefon als Verwandte, Polizisten oder Anwälte aus. Durch falsche Geschichten versuchen sie, ältere Menschen zu Geldzahlungen zu bewegen.

Oft erzählen die Täter weinend von Unfällen, in die Verwandten verwickelt seien, und verlangen Zehntausende Euro für Kautionen. Sie geben sich als Polizisten aus, um Geld aus der Wohnung in Sicherheit zu bringen. Chat-Nachrichten werden verschickt, um Kontakt zu Opfern aufzunehmen.

Wie viele Taten gibt es?

Nach der Kriminalitätsstatik des BKA wurden im vergangenen Jahr in Deutschland 6656 derartige Fälle gemeldet. Davon seien 1527 aufgeklärt worden. Fast 1100 Verdächtige ermittelte die Polizei. Dazu kamen 3904 Fälle von falschen Polizisten und knapp 1600 Fälle weiterer falscher Amtsträger. Die Schadenssumme liegt im mehrstelligen Millionenbereich. Experten gehen zudem von einer Dunkelziffer aus, weil manche Opfer nicht zur Polizei gehen.

Wer sind die Opfer?

Die Täter nehmen meist ältere Menschen ins Visier. Anhand von früher beliebten Vornamen suchen sie Telefonnummern aus Telefonbüchern heraus. Die Opfer verlieren oft sehr viel Geld, das mühsam gespart wurde. Dazu kommen seelische Schäden und Schamgefühle, weil sie auf solche Betrüger hereingefallen sind.

Tragische Beispiele von betrogenen alten Menschen gibt es viele:

  • Im Februar teilte die Polizei in Potsdam mit, ein Betrüger habe eine Seniorin um Geld und Wertgegenstände im Wert von 220.000 Euro gebracht. Die Täter gaukelten der Frau am Telefon vor, ihr Sohn habe einen tödlichen Unfall verursacht und benötige eine Kaution.
  • In Halle (Saale) erbeuteten Kriminelle 230.000 Euro von einem 88-Jährigen.
  • In Bayern verhinderte eine Bankangestellte, dass eine Kundin eine fünfstellige Summe abhob und an Telefon-Betrüger übergab.

Wer sind die Täter?

Bei den Tätern handelt es sich laut Polizei überwiegend um organisierte Familienstrukturen, ursprünglich oft aus Osteuropa stammend. Sie agieren oft aus dem Ausland. In den Ländern, in denen Opfer leben, werden weitere Täter eingesetzt, die sich Bargeld oder Schmuck übergeben lassen.

„Die Triebfeder der Täter sind Geld, Macht und Luxus: teure Mode, Schmuck, Limousinen und Sportwagen, Reisen in Luxushotels. Das ist wichtig und muss finanziert werden“, sagt Kriminalhauptkommissar Sebastian Höhlich vom Berliner LKA. „Durch die Erfolge werden die Gruppen größer. Es gibt viel Nachwuchs, die Familien sind kinderreich. Das ist eine Kriminalitätsform, die weitergegeben wird und bei der schon junge Familienmitglieder einbezogen werden.“

Den ganzen Tag würden Telefonnummern angerufen, schildert Höhlich das Vorgehen. Wenn bei 30 Anrufen aufgelegt wird, komme es beim 31. Anruf zum Gespräch. „Wir hatten schon Menschen, die sind dreimal Opfer eines solchen Enkeltrick-Betrugs geworden.“

Warum arbeiten die Täter immer internationaler?

Inzwischen werde europaweit gegen die Netzwerke der Kriminellen ermittelt, so Höhlich. „Etwa 25 Länder sind inzwischen betroffen. Weil der Verfolgungsdruck durch die Polizei größer geworden ist, expandieren die Täter.“

Durch die seit sieben Jahren laufende gute Zusammenarbeit mit der Polizei in Polen seien viele Banden zerschlagen worden. „Nun gibt es die Taten auch in Ungarn, in der Slowakei, Tschechien, Bulgarien, auch in Großbritannien, den Niederlanden und Italien. Die Täter sind gut vernetzt, also müssen wir uns auch gut vernetzen. Nur im internationalen Verbund kann man sie bekämpfen.“

Was ist das Ziel der Polizeibehörden?

Die betroffenen Staaten müssten gemeinsame Strategien zur Bekämpfung der Kriminellen entwickeln, fordert Höhlich. „Es gibt verschiedene Rechtssysteme und wir müssen unser Vorgehen gemeinsam anpassen.“ Der politische Wille zur Bekämpfung dieser Kriminalität sei nicht in allen Staaten gleich groß. Die überwiegend älteren Opfer hätten nicht überall eine große Lobby.

Wie geht die Polizei national und international vor?

In Deutschland funktioniere die Zusammenarbeit bei den Bundesländern inzwischen sehr gut, was große länderübergreifende Einsätze mit Überwachungen und Festnahmen zeigen würden. Ende 2024 gingen etwa unter Federführung des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg Polizeibehörden aus acht Staaten und von Europol gegen Enkeltrick-Betrüger vor.

Die Polizei hörte wochenlang die Kommunikation der mutmaßlichen Betrüger ab und hob in Polen drei Callcenter aus. 20 Verdächtige wurden festgenommen. Bundesweit seien knapp 400 Enkeltricktaten und ein Schaden von fünf Millionen Euro verhindert worden, heißt es.

Wie ist die Lage in Deutschland?

„Wir haben hier inzwischen große Erfolge und einen massiven Rückgang der Taten zu verbuchen. 2024 waren es 50 Prozent weniger als im Vorjahr. Auch im laufenden Jahr gab es erneut deutlich weniger Fälle“, erklärt Höhlich. „Wir haben einige Callcenter zerschlagen. Das merken wir signifikant an den Fallzahlen. Man muss den Verfolgungsdruck hochhalten. Wenn man nachlässt, gehen die Fallzahlen wieder hoch. Die Täter bekommen das sofort mit.“

Info: Die Tricks der Betrüger

Schockanruf Eine der fiesesten Betrugsmaschen am Telefon ist der Schockanruf, bei dem die Angerufenen massiv unter Druck und in Panik versetzt werden. Bei einem solchen Anruf geben sich die Betrüger als ein nahestehender Angehöriger, häufig auch als Polizeibeamte, Staatsanwälte, Richter oder Ärzte aus und täuschen eine dramatische Notsituation vor.

Enkeltrick Mit den Worten „Rate mal, wer hier spricht“ oder ähnlichen Formulierungen rufen Betrüger gezielt ältere Menschen an und geben sich als Enkel, andere Verwandte oder Bekannte aus und bitten unter Vortäuschung einer finanziellen Notsituation kurzfristig um Geld. Schnell wird eine finanzielle Notlage vorgetäuscht, die sich nur durch eine hohe Bargeldzahlung lösen lässt. Das Geld wird dabei kurzfristig und dringend benötigt. Auch wird der Besitz von Schmuck oder anderen Wertsachen erfragt.

Falscher Polizist Bei der Betrugsmasche, die auch als „Falscher Polizist“ bekannt ist, täuschen die Betrüger eine gefälschte Identität vor und geben sich etwa als Polizist, Staatsanwalt oder eine andere Amtsperson aus. Dabei nutzen die Täter häufig eine spezielle Technik, welche die Polizei-Notrufnummer oder eine andere beliebige Rufnummer auf dem Telefondisplay anzeigen lässt.

Falsche Gewinnversprechen „Sie haben gewonnen!“ lautet die frohe Botschaft. Wer freut sich nicht, das zu hören. Doch Vorsicht, bei so einer Benachrichtigung per Telefon, E-Mail oder Post kann es sich um einen Betrugsversuch handeln. Beim falschen Gewinnversprechen geben sich die Betrüger häufig als Notare oder Rechtsanwälte eines Gewinnspielunternehmens aus und geben vor, Sie hätten einen großen Geld- oder Sachpreis gewonnen. Um den Gewinn zu erhalten, müssen Sie jedoch erst in Vorleistung gehen. Angeblich angefallene Kosten für Rechtsanwalts-, Notar-, Bearbeitungs- oder Zollgebühren müssen erst gezahlt werden.

Messenger-Betrug „Hallo Mama, hallo Papa, das ist meine neue Handynummer.“ So oder ähnlich beginnt oft der Einstieg dieser Betrugsmasche. Mit geringem Aufwand schaffen es die Täter, kleine Beträge bei vielen Menschen abzugreifen. Bei dieser Betrugsart erhalten Sie von einer unbekannten Telefonnummer eine Nachricht über einen Messenger-Dienst. Die Täter geben sich dabei als vermeintliche Familienangehörige (Sohn, Tochter, Enkel usw.) aus und sprechen Sie meist konkret mit „Mama“ oder „Papa“ an. Sie geben vor, ihre Telefonnummer habe sich geändert, da ihr altes Handy kaputt sei.

Geld für rettendes Medikament Mit der Aussicht auf rettende Medikamente für ihr todkrankes Kind bringen Betrüger neuerdings Personen um ihr Erspartes. Nach Angaben der Polizei geben sich die Anrufer am Telefon als Arzt eines nahe gelegenen Krankenhauses aus und behaupten, die Tochter des Paares sei todkrank. Eine teure Behandlung könne ihr Leben retten, hierfür sei jedoch eine sofortige Zahlung nötig.

116 116 auf dem Display Kennen Sie die Nummer 116 116? Wer etwa Bank-, Kredit- oder Girokarte verliert, kann und sollte sie über den Sperr-Notruf umgehend sperren lassen. Aber Achtung: Der Sperr-Notruf ruft selbst niemals an. Erscheint die 116 116 doch auf dem Display, ist das ein Betrugsversuch. Telefonbetrüger geben sich als Mitarbeiter des Sperr-Notrufs aus. Mit Hilfe des sogenannten Call-ID-Spoofings wird auf dem Telefondisplay der Angerufenen die eigentlich vertrauenswürdige Rufnummer 116 116 angezeigt. Die Betrüger nutzen also eine Methode, um Anrufe unter einer vorgetäuschten Nummer zu führen. Kriminelle versuchen so, an sensible Daten wie Kontonummern, PINs oder TANs zu gelangen.

Telefonbetrüger spielen Bundesbehörde Betrüger missbrauchen auch den Namen von Bundesbehörden für Lockanrufe. Sie geben sich etwa als Mitarbeiter der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) aus und bieten vermeintlich ihre Hilfe an. Konkret geht es um die angebliche Möglichkeit, bei Kryptobörsen investiertes, aber verlorenes Geld zurückzuholen. Bei diesen Anfragen handele es sich aber um Betrug, stellt die Behörde klar. Die Anrufe stammten nicht vom BfDI. Keinesfalls sollten Angerufene irgendwelchen Aufforderungen nachkommen oder Daten preisgeben.

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Erstellt:
11. Juni 2025, 07:48 Uhr
Aktualisiert:
11. Juni 2025, 07:53 Uhr

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