Schwarz-rote Koalition
So stellt sich die SPD auf
Saskia Esken hat bis zuletzt um ihren Platz im Kabinett gekämpft – und ging leer aus. Jetzt bekommt SPD-Chef Lars Klingbeil ein Team, wie er sich gewünscht hat. Darunter auch manch neues Gesicht, das sich noch beweisen muss.

© Michael Kappeler/dpa
Das neue Führungsteam der SPD in Partei und Regierung – federführend ausgesucht von Lars Klingbeil (li.)
Von Tobias Peter
Als sich die künftigen Ministerinnen und Minister der SPD kurz vor der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags zum Gruppenfoto aufstellen, steht Saskia Esken mittendrin. Selbstverständlich, sie ist ja eine von zwei SPD-Vorsitzenden – wobei der Parteivorsitz allerdings im Juni neu gewählt wird. Esken wollte Ministerin werden – gelungen ist ihr das nicht. Während ihr Co-Chef Lars Klingbeil Vize-Kanzler und Finanzminister wird, geht Esken leer aus. Zu groß war der Widerstand in der Partei gegen die 63-Jährige.
Klingbeil (47) hat die wochenlange öffentliche Debatte über Esken am Wochenende „beschämend“ genannt. Laufen lassen hat er sie trotzdem. Klingbeil wollte ein jüngeres Kabinett – mit möglichst vielen Gesichtern, die bislang noch nicht so bekannt sind. Es geht ihm um eine Aufstellung, die Erneuerung erkennen lässt – und mit der er, mutmaßlich selbst als Kanzlerkandidat, gern in die Wahl 2029 gehen würde. Deshalb war ihm wichtig, möglichst viele loyale Verbündete um sich zu versammeln.
Das hat er durchgesetzt, wenn auch um den Preis, dass das SPD-Regierungsteam weniger erfahren ist, als es sein könnte.
Vize-Kanzler und Finanzminister
Lars Klingbeil wird künftig – wenn die Wahl von Friedrich Merz zum Kanzler gelingt – der zweitmächtigste Mann im Land sein. Der 47-Jährige aus dem niedersächsischen Munster hat mal im Wahlkreisbüro des damaligen Kanzlers Gerhard Schröder gearbeitet. Er war Generalsekretär unter den SPD-Chefs Martin Schulz, Andrea Nahles, Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans. Klingbeil gilt als einer der Architekten des Wahlsiegs von Olaf Scholz im Jahr 2021. Seitdem ist er gemeinsam mit Esken Parteichef.
Klingbeil gehört zum konservativen Seeheimer Kreis in der SPD-Bundestagsfraktion, gilt aber als Brückenbauer. Gegner kritisieren das als allzu große Anpassungsfähigkeit. Während der Koalitionsverhandlungen ist es Klingbeil gelungen, einen guten Draht zu CDU-Chef Merz aufzubauen. Die beiden duzen einander jetzt.
Wie belastbar das Verhältnis bei Konflikten im Regierungsalltag sein wird, muss sich aber erst noch zeigen. Als Finanzminister wird er eine wichtige Rolle bei der Frage spielen, wie das Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz ausgegeben wird, das die SPD durchgesetzt hat. Fachlich ist er auf dem Feld der Haushaltspolitik ein Neuling – aber er dürfte sich in seinem Ministerium in seinem engeren Umfeld mit viel Expertise umgeben.
Fraktionschef
Nicht Teil des Kabinetts, aber eine zentrale Figur in Klingbeils Machtarchitektur wird der künftige Fraktionschef Matthias Miersch sein. Der 56-Jährige, geboren in Hannover, war zuletzt als Generalsekretär Nachfolger des zurückgetretenen Kevin Kühnert. Davor war Miersch Fraktionsvize und Vorsitzender der Parlamentarischen Linken.
Wie detailversessen und verhandlungsstark er sein kann, hat Miersch in der Ampelzeit insbesondere beim Ringen um die Ausgestaltung des Heizungsgesetzes gezeigt. Die Umweltpolitik gehört zu den Passionen des Rechtsanwalts. Miersch hat ein sehr gutes Verhältnis zu Klingbeil. Das hat ihn im Kampf um den Fraktionsvorsitz in die Poleposition gebracht. Der bisherige Arbeitsminister Hubertus Heil, den auch viele als sehr geeignet sahen, war nie einer der besten Freunde Klingbeils. Heil geht jetzt – trotz einer anerkannt starken Rolle in den Koalitionsverhandlungen – komplett leer aus.
Arbeitsministerin
Dass Heil nicht noch einmal Arbeitsminister werden konnte, zeichnete sich früh ab. Der Grund: Im Kabinett wären sonst, gegen alle Proporzregeln, zu viele SPD-Männer aus Niedersachsen gewesen. Als Nachfolgerin stand früh die bisherige Bundestagsvizepräsidentin Bärbel Bas fest. Die 57-Jährige hat in der vergangenen Legislaturperiode nach Meinung der meisten in der SPD einen guten Job gemacht – gerade, wenn es darum ging, die Regeln im Bundestag auch gegenüber der AfD durchzusetzen. Und dabei gleichermaßen fair gegenüber allen Abgeordneten zu sein.
Die Duisburgerin hat die Unterstützung des mächtigen NRW-Landesverbandes. Ihr Leben ist eine Aufstiegsgeschichte, wie es sie in der SPD nicht mehr oft genug gibt. Bas hat Bürogehilfin gelernt, sich immer wieder weitergebildet und schaffte es schließlich erst als Bundestagspräsidentin und jetzt als Ministerin in ein hohes Staatsamt. Da sie in der Fraktion auch schon mit Gesundheitspolitik befasst war, sind ihr Sozialversicherungsthemen nicht fremd.
Klar ist aber auch: Die Union wird es ihr nicht leicht machen, die inhaltlichen Wünsche bei den Themen Rente und Mindestlohn umzusetzen.
Verteidigungsminister
Boris Pistorius ist Deutschlands beliebtester Politiker. Als derjenige, der die Zeitenwende nun in konkrete Politik übersetzen muss, ist er auch für Kanzler Friedrich Merz einer der wichtigsten Minister. Geld ist seit der Grundgesetzänderung zur Schuldenbremse für das Militär genug vorhanden. Der 65-Jährige wird es – angesichts von bürokratischen Strukturen im Beschaffungswesen – trotzdem gar nicht so leicht haben, es auszugeben.
Pistorius ist bekannt für eine klare Sprache und einen klaren Standpunkt – nicht zuletzt den, dass Deutschland „kriegstüchtig“ werden müsse. In der SPD ist im vergangenen Jahr über Wochen diskutiert worden, ob er der bessere Kanzlerkandidat als Olaf Scholz wäre – am Ende scheute Pistorius aber die Auseinandersetzung und zog zurück. Auch jetzt gilt: Pistorius hat die besten Umfragewerte in der SPD. Die größte Macht liegt aber bei Klingbeil.
Justizministerin
Für den Job als Justizministerin wurde eine Kandidatin gesucht, die für Erneuerung steht und die zugleich als Gegenspielerin dem künftigen Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) gewachsen ist. Die Juristin Stefanie Hubig kommt aus dem Landeskabinett in Rheinland-Pfalz nach Berlin.
Dort ist sie seit 2016 Bildungsministerin. Hubig hat sich als Präsidentin der Kultusministerkonferenz während der Corona-Pandemie überparteiliches Ansehen erarbeitet. Auch das Bundesjustizministerium ist für die 56-Jährige kein Neuland: Sie war hier schon mal Staatssekretärin, als der SPD-Politiker Heiko Maas dort Minister war.
Umweltminister
Carsten Schneider war 22 Jahre alt, als er erstmals in den Bundestag gewählt wurde. Der Abgeordnete aus Erfurt und gelernte Bankkaufmann hat sich dort schnell einen Namen als Haushaltspolitiker gemacht. Er war stellvertretender Fraktionsvorsitzender und Erster Parlamentarischer Geschäftsführer.
Schon nach der Wahl 2021 wollte Schneider unbedingt Minister werden. Geklappt hat es nur so halb: Er wurde Staatsminister und Ostbeauftragter im Kanzleramt. Jetzt ist der 49-Jährige als Umweltminister am Zug. Das Ministerium wird nun durch zusätzliche Kompetenz in Sachen Klimaschutz aufgewertet. Auch Schneider ist ein Vertrauter Klingbeils. Die beiden sind schon gemeinsam im Urlaub Rennrad gefahren.
Bauministerin
Als erfolgreiche Unternehmensgründerin steht die 37 Jahre alte Bundestagsabgeordnete Verena Hubertz für Klingbeils Vorstellung, dass die SPD sich breiter aufstellen muss. Im Jahr 2013 hat Hubertz mit einer Studienkollegin das Küchen-Start-up Kitchen Stories gegründet. Die Idee dahinter war, in Videos zu zeigen, wie einfach Kochen sein kann.
Als Abgeordnete wurde Hubertz direkt Fraktionsivze, als sie im Jahr 2021 erstmals in den Bundestag einzog. Zu ihren Themen gehörten neben der Wirtschaft auch da schon Bauen und Wohnen.
Entwicklungshilfeministerin
Die 35-jährige Reem Alabali-Radovan bekommt den Job, den Parteichefin Saskia Esken gern gehabt hätte: Entwicklungshilfeministerin. Alabali-Radovan gilt als politische Entdeckung der Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig. In der vergangenen Legislaturperiode war sie Staatsministerin für Integration im Kanzleramt, blieb dort aber nach Meinung vieler Beobachter eher blass.
Im Alter von sechs Jahren kam Alabali-Radovan mit ihrer Familie, die vor den politischen Verhältnissen im Irak floh, nach Deutschland. Sie ist verheiratet mit dem Profiboxer Denis Radovan.