Russland

SPD-Manifest: Stegner und Co. warnen vor „militärischer Alarmrhetorik“

Prominente Stimmen in der SPD gehen auf Distanz zur Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesregierung – allen voran Ex-Fraktionschef Rolf Mützenich.

Der scheidende SPD-Fraktionsvorsitzende Mützenich spricht sich gegen Aufrüstung und Krieg aus.

© Kay Nietfeld/dpa/Kay Nietfeld

Der scheidende SPD-Fraktionsvorsitzende Mützenich spricht sich gegen Aufrüstung und Krieg aus.

Von Michael Maier/AFP

Prominente Mitglieder der SPD distanzieren sich klar von der Aufrüstungs- und Kriegspolitik der Bundesregierung. In einem am Mittwoch veröffentlichten Grundsatzpapier äußern aktive und ehemalige SPD-Politikerinnen und Politiker Bedenken gegenüber einer „militärischen Alarmrhetorik“.

Die Unterzeichner fordern Gespräche mit Russland und einen Stopp der Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen in Deutschland. Zu den Unterstützern zählen der ehemalige Fraktionschef Rolf Mützenich sowie der Abgeordnete Ralf Stegner. Die aktuelle SPD-Fraktionsführung hat sich von diesem Papier distanziert, obwohl Mützenich bis zur Bundestagswahl ihr Vorsitzender war.

Intern sind die Mehrheitsverhältnisse in der SPD aber unklar, zumal Leute wie Boris Pistorius parteiintern durchaus auch einmal als „Kriegstreiber“ bezeichnet werden – ganz im Gegensatz zur medialen Popularität des Verteidigungsministers. „Feind, Todfeind, Parteifreund“ lautet schließlich eine bekannte Steigerungskette und alte politische Weisheit. Die Grünen übten indes scharfe Kritik, während die AfD das Dokument lobte.

SPD-Manifest gegen Aufrüstung und Krieg

 Der Vorstoß könnte Unruhe innerhalb der Koalition aus Union und SPD auslösen, da er direkt auf eines ihrer zentralen Vorhaben abzielt, nämlich die signifikante Erhöhung der Wehrausgaben. Die Unterzeichner des als „Manifest“ bezeichneten Papiers aus SPD-Friedenskreisen vertreten eine grundlegend abweichende Position.

In Deutschland und vielen europäischen Ländern hätten sich Kräfte durchgesetzt, die die Zukunft „vor allem in einer militärischen Konfrontationsstrategie und hunderten von Milliarden Euro für Aufrüstung suchen“, heißt es in dem „Manifest“. „Militärische Alarmrhetorik und riesige Aufrüstungsprogramme schaffen nicht mehr Sicherheit für Deutschland und Europa, sondern führen zur Destabilisierung und zur Verstärkung der wechselseitigen Bedrohungswahrnehmung zwischen Nato und Russland.“

SPD-Manifest vom Erhard-Eppler-Kreis – die zehn Erstunterzeichner

  • Dr. Ralf Stegner, MdB
  • Dr. Rolf Mützenich, MdB
  • Dr. Norbert Walter-Borjans, SPD-Parteivorsitzender a.D.
  • Dr. hc. Gernot Erler, Staatsminister a.D.
  • Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker, Ehrenpräsident des Club of Rome
  • Dr. Nina Scheer, MdB
  • Maja Wallstein, MdB
  • Sanae Abdi, MdB
  • Lothar Binding, Bundesvorsitzender der AG SPD 60 plus
  • Hans Eichel, Bundesratspräsident a.D., Bundesfinanzminister a.D.

Das Manifest ist von dutzenden weiteren Persönlichkeiten unterzeichnet und beim Erhard-Eppler-Kreis veröffentlicht. Dieses Partei-Forum ist nach dem baden-württembergischen SPD-Friedenspolitiker Erhard Eppler (1926-2019) benannt.

SPD-Manifest fordert Gespräche mit Russland

Die SPD-Politiker verlangen mehrere konkrete Maßnahmen, darunter Gespräche mit Russland: Nötig sei jetzt eine „schrittweise Rückkehr zur Entspannung der Beziehungen und einer Zusammenarbeit mit Russland“. 

Kritik üben die Verfasser zudem an der geplanten massiven Aufstockung der Verteidigungsausgaben. Für das Nato-Ziel, die Verteidigungsausgaben der Mitgliedsstaaten auf fünf Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung zu erhöhen, gebe es „keine sicherheitspolitische Begründung“.

SPD-Manifest gegen US-Mittelstreckenraketen

Hinsichtlich der möglichen Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen in Deutschland erklären sie: „Die Stationierung von weitreichenden, hyperschnellen US-Raketen-Systemen in Deutschland würde unser Land zum Angriffsziel der ersten Stunde machen.“

In der SPD-Bundestagsfraktion löste der Vorstoß Verärgerung aus. Der außenpolitische Sprecher Adis Ahmetovic – wegen seiner eigenwilligen Positionen in der Bosnien-Politik nicht unumstritten – sprach gegenüber der Nachrichtenagentur AFP in Berlin von einem „inhaltlich in weiten Teilen fragwürdigen Papier“. Es würde „im Falle einer Einbringung auf dem Bundesparteitag auch keine Mehrheit finden“.

Der Innenexperte Sebastian Fiedler zeigte sich in den Sendern RTL und ntv „irritiert, verstört und verärgert“. SPD-Fraktionschef Matthias Miersch distanzierte sich von dem Papier: Es handle sich um einen „Debattenbeitrag“, sagte Miersch den RND-Zeitungen. „Das ist legitim, auch wenn ich zentrale Grundannahmen ausdrücklich nicht teile.“ Die Bundesregierung wollte das SPD-Papier nicht direkt kommentieren.

Stegner-Manifest gegen Fünf-Prozent-Ziel

SPD-Außenpolitiker Stegner, der das „Manifest“ mitinitiiert hatte, sprach von einem „Beitrag zur Debatte“. Es werde zu viel darüber geredet, „immer mehr in Rüstung zu stecken“, sagte Stegner im Deutschlandfunk. Dabei gehe es um „Wahnsinnssummen“ von bis zu fünf Prozent des Bruttosozialprodukts. „Wir können nicht zugucken, dass es immer mehr Kriege gibt.“

Die Grünen treten dagegen massiv für das von Donald Trump und der NATO propagierte 5-Prozent-Ziel zur Aufrüstung ein.

Beifall fand das „Manifest“ – wenig verwunderlich – bei der AfD. „Wenn nun selbst prominente SPD-Politiker eine Kurskorrektur fordern, dann ist das ein spätes, aber wichtiges Signal“, sagte der außenpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Markus Frohnmaier, der Nachrichtenagentur AFP. Mit der Forderung nach einem Dialog mit Russland bewegten sich Teile der SPD nun „auf den außenpolitischen Kurs der AfD zu“.

AfD und BSW gegen „Kriegskurs von Merz und Klingbeil“

BSW-Chefin Sahra Wagenknecht sprach von einer „dringend notwendigen Initiative“. Sie forderte, dass nun alle Kräfte gegen den „Kriegskurs von Merz und Klingbeil“ in Deutschland zusammenarbeiten sollten.

Zum Artikel

Erstellt:
11. Juni 2025, 15:32 Uhr
Aktualisiert:
11. Juni 2025, 15:46 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen