Spross uralter Kunsthandwerkerfamilie

Beim Stadtspaziergang auf den Spuren von Willy Zügel gibt Heimatgeschichtsforscher Christian Schweizer Einblicke in Leben und Werk des Bildhauers, der in Murrhardt aufgewachsen ist, sowie in die Familiengeschichte. Die Linie lässt sich bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgen.

Christian Schweizer (Dritter von links) kann im Museum immer wieder auf die vielen Facetten Willy Zügels Bezug nehmen. Dort sind beispielsweise Tieranatomiemodelle, Patente und eine Reihe von Modellen seiner Denkmalarbeiten ausgestellt. Foto: Elisabeth Klaper

Christian Schweizer (Dritter von links) kann im Museum immer wieder auf die vielen Facetten Willy Zügels Bezug nehmen. Dort sind beispielsweise Tieranatomiemodelle, Patente und eine Reihe von Modellen seiner Denkmalarbeiten ausgestellt. Foto: Elisabeth Klaper

Von Elisabeth Klaper

Murrhardt. Der 1876 in München geborene, von seinem „Über“-Vater Heinrich von Zügel geförderte und geforderte Künstler Willy Zügel wuchs in Murrhardt auf. Wegen des Ersten Weltkriegs, in dem er schwer verwundet wurde, was Ursache für seinen Tod 1950 war, und der unruhigen Folgezeit „konnte er sich jedoch nur in Episoden auf seine Arbeit konzentrieren“, erzählte Christian Schweizer beim Stadtspaziergang „Auf Willy Zügels Spuren“. Vom Treffpunkt vor der städtischen Kunstsammlung ging es mit einem Dutzend Interessierten zuerst auf den Friedhof. Im ältesten Bereich gegenüber dem Eingang zur Walterichskirche befindet sich die Familiengrabstätte. Von Willy Zügel entworfene prächtige Rosenkränze aus Bronze schmücken sie.

„Die Zügels sind eine der ältesten bekannten Familien der Walterichstadt“, seit über 650 Jahren nachweisbar, auch gab es mehrere Zweige, verdeutlichte der Heimatgeschichtsforscher. „Sie stellten viele Schultheißen, Schmiede, Wirte, Müller, Bäcker und Schafhalter.“ Auf Erkenntnissen aus Familienforschungen von Historiker Gerhard Fritz basierten die Informationen Schweizers. Erste Familienmitglieder sind als Bürger in Steuerlisten Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts verzeichnet: So 1483 Auberlin Zügel, ein Kosename für Albrecht, Martin Zügel 1489, und Michael Zügel 1517. „Michael Zügel machte Karriere als Schmied und war später einer der reichsten Bürger, besaß über 1000 Gulden Vermögen und eine Panzerrüstung wie ein Ritter.“ Nicodem Zügel war Schultheiß und Kunstschmied und besaß wohl besondere kunsthandwerkliche Fertigkeiten, um Schusswaffen der damals neuesten Technik herzustellen. Urahne des Schafhalterfamilienzweigs, aus dem Willy Zügel sowie sein Vater stammen, war wohl ein 1517 erwähnter „Barthelmä“, Kosename für Bartholomäus: Der Apostel galt als Schutzpatron aller Handwerksberufe, die mit Tierhäuten und Wolle arbeiteten.

„Heinrich von Zügel kam aus sehr armen Verhältnissen“, doch dank seiner künstlerischen Begabung und auch seiner familiären Verbindungen gelang es ihm, sich sozial und gesellschaftlich hochzuarbeiten. Seine Frau Emma war die Nichte der berühmten und reichen Madame Dorothea Schippert. Zudem eröffnete die Heirat Willy Zügels mit Marianne Franck, Tochter des Kaffeeersatzfabrikanten und Geheimrats Robert Franck, dem Bildhauer „ein weitreichendes Netzwerk von potenziellen finanzkräftigen Auftraggebern, das auch in Kriegszeiten tragfähig war“, betonte Schweizer.

Zwar wurden etliche Werke im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, doch konnte Marianne Zügel einige retten. Die aktuelle, noch bis 4. Dezember dauernde Sonderausstellung zeigt „eine bewusste Auswahl der in Murrhardt vorhandenen Arbeiten Willy Zügels“. So schuf er in bewusster Abgrenzung zu seinem Vater auch bisher kaum bekannte Landschaftsgemälde. Einen guten Überblick über die verschiedenen Begabungen und Tätigkeiten des Künstlers wie Anatomie, Fotografie und Erfindungen, wofür er Familienpatente bekam, bietet der Teil der Ausstellung im Carl-Schweizer-Museum. In dessen Medienraum hängt das große Gipsmodell Willy Zügels für einen Rosenkranz aus Bronze oder Stein als Grabschmuck. „Es ist in etwa 160 Bruchstücken ins Museum gekommen“, und Christian Schweizer gelang es, dieses „Puzzle“ wieder stimmig zusammenzufügen. „Man sollte Staub und Schmutz nicht entfernen und kleine Schäden nicht reparieren, denn daran befinden sich noch Fingerabdrücke von Willy Zügel, es ist also absolut echt und original“, erläuterte der Museumsleiter am Modell für eine Löwenfigur, die ein bayerisches Denkmal schmücken sollte.

Weitere Modelle zeigen die württembergischen Wappentiere Hirsch und Löwe, die in Stuttgart vor dem Ständehaus standen, aber im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden. „Es wäre schön, wenn wir diese in Originalgröße für unsere Stadt bekämen“, geeignete Aufstellungsorte wären beispielsweise das Rathaus oder der Stadtgarten, schlug Christian Schweizer vor. Vom Museum aus führte er die Gruppe noch kurz durch die Innenstadt: Willys Vater Heinrich von Zügel wurde im Haus mit der heutigen Adresse Hirschgasse 9 geboren.

Durch Heirat verband sich die Familie der „Engelwirt-Zügel“ mit der Familie Nägele: „Das Künstlergen kommt von den Zügels“, verdeutlichte Schweizer. Den Abschluss des Spaziergangs bildete das Gebäude Postgasse 5: Dort wohnte die Familie der „Schmied-Zügel“ vor dem unteren Stadttor und betrieb auch die Schmiedewerkstatt. „Der Schmiedebetrieb besteht bis heute fort in der Schlosserei Walter, er ist der älteste in Deutschland“, hob Schweizer hervor. Aus Zeitgründen war die Fortsetzung des Spaziergangs hinauf zum Wolkenhof nicht mehr möglich, doch soll dies zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden.

Ausstellungen Die Galerie ist samstags, sonn- und feiertags von 13 bis 17 Uhr, das Carl-Schweizer-Museum samstags, sonn- und feiertags von 14 bis 17 Uhr geöffnet.

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Erstellt:
16. November 2022, 06:00 Uhr

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