Elektronischer Krieg
Störte Russland Ursula von der Leyens Landeanflug?
Beim Anflug auf Bulgarien wurde die GPS-Navigationsanlage im Flugzeug der EU-Kommissionspräsidentin gestört. Die Piloten landeten mit Landkarten aus Papier.

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Landkarten aus Papier an Bord: Die Navigationsanlage an im Flieger von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wurde elektronisch gestört.
Von Franz Feyder
Die elektronische Navigationsanlage des Flugzeugs von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) ist beim Anflug auf den bulgarischen Flughafen Plowdiw am Sonntagabend ausgefallen. Das bestätigte ein Sprecher des EU-Gremiums unserer Zeitung. Demnach fiel das auf GPS-Daten zurückgreifende Gerät während des Landeanflugs vollständig aus, sodass der Flieger der Politikerin zunächst etwa eine Stunde über dem Flugplatz in Zentralbulgarien kreiste, bevor die Piloten die Maschine manuell mit Hilfe von Flugkarten aus Papier sicher landeten.
Bulgarische und EU-Sicherheitsbehörden gehen davon aus, Russland habe das GPS-Navigationsgerät gestört. Die bulgarische Flugüberwachung sprach von einer „unbestreitbaren Störung“. Die GPS-basierten Navigationshilfen des gesamten Flughafens seien zeitweise so gestört gewesen, dass sie ausfielen. Beweise wie Messdaten oder abgefangene russische Funksprüche wurden bislang jedoch nicht veröffentlicht. Unklar ist auch, ob es sich um einen gezielten Angriff auf den Jet der Politikerin handelte.
Seit Beginn der russischen Vollinvasion in der Ukraine im Februar 2022 nehmen, wie Nato und EU beobachten, die GPS-Störungen an der Ostflanke beider Bündnisse deutlich zu. Davon ist auch die zivile Luftfahrt betroffen. Nach Recherchen unserer Zeitung verzeichnete die europäische Flugsicherungsorganisation Eurocontrol zwischen dem 1. Januar 2018 und dem 24. Februar 2022, dem Beginn der Vollinvasion, 11 113 GPS-Störungen für das südöstliche Mittelmeer, das Schwarze und Kaspische Meer sowie das Baltikum. Von 10 000 Flügen wurden im Durchschnitt fünf gestört. Seit Februar 2022 verzeichnete die europäische Flugsicherheitsbehörde EASA für dieselbe Region einen Anstieg von 220 Prozent Signalverluste. In Polen und dem Baltikum verdoppelten bis verdreifachten sich die Fälle, bei denen Piloten nicht mehr mit dem GPS navigieren konnten.
Für die Störaktionen werden die sogenannten Jamming- und Spoofing-Verfahren genutzt. Bildhaft erklärt funktionieren die beiden unterschiedlichen Angriffe so: Beim Jamming wird das zwischen Satelliten und der Erdstation gesendete Signal mit starkem Störrauschen überlagert. Wie etwa bei einer Radiosendung, die von einem Rauschen übertönt wird. Die Folge: Das Signal, die Radiosendung, ist nicht mehr hörbar.
Bis zu 3000 Kilometer stören, aufklären und täuschen
Bei Spoofing hingegen imitiert jemand den vom Hörer eingestellten Radiosender und sendet ganz andere Inhalte – also Rock- statt klassischer Musik. Bei der GPS-gestützten Navigation werden gefälschte, täuschend echte aussehende GPS-Signale auf der Frequenz ausgestrahlt, die das Gerät im Flugzeug und die Piloten eigentlich nutzen, um sich zu orientieren. Flugzeugführer und Navigationsanlage denken, sie empfingen echte, richtige Signale. Tatsächlich aber werden ihnen entweder die Daten für eine falsche Position, Flughöhe oder aber Zeit angezeigt; sie werden bewusst in die Irre geführt.
Russland betreibt sowohl stationär wie zunehmend mobil sehr leistungsstarke Anlagen, mit denen es den GPS-Datenverkehr stören oder imitieren kann. Seit Jahren hat das russische Militär seine stationären Anlagen in Kalingrad, Murmansk, im syrischen Latakia und an mindestens fünf Standorten auf der zur Ukraine gehörenden Krim ausgebaut. Sie haben eine Reichweite von bis zu 3000 Kilometern. Zudem verfügt Russland mit den Krasukha-4, R-330Zh „Zhitel“ und Pole-21 über mobile Systeme, die teilweise großflächig bis zu einer Entfernung von 300 Kilometern GPS-Signale stören können. Betrieben werden die Anlagen von den mit dem Kürzel REB bezeichneten Truppenteilen der elektronischen Kampfführung.