Nationalgardisten in Washington
Trump plant die Besetzung weiterer US-Städte
Der US-Präsident schickt trotz sinkender Kriminalitätsraten auch Soldaten nach Chicago und Baltimore. Damit sollen massenhafte Abschiebungen ermöglicht werden.

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Homeland Security Beamte überprüfen einen Mopedfahrer in Washington.
Von Karl Doemens
Mit ihren braun-grünlich gefleckten Uniformen und Feldmützen gehören die Männer und Frauen der Nationalgarde inzwischen zum Stadtbild von Washington. Seit Donald Trump vor zwei Wochen einen angeblichen Kriminalitätsnotstand in der amerikanischen Hauptstadt ausgerufen hat, patrouillieren die Soldaten auf der National Mall, am Union Station oder an der touristischen Wharf am Potomac-Fluss. Mit einem Panzerfahrzeug haben sie kürzlich einen Personenwagen plattgemacht. Der Fahrer musste mit einer hydraulischen Rettungsschere befreit werden.
Acht von zehn Einwohnern der Metropole lehnen laut einer Umfrage der „Washington Post“ den Einsatz der Truppen ab. Es gibt regelmäßig Proteste. In mancher Bar der Partyzone U Street bleiben die Gäste aus. „Free DC“ (Befreit den District of Columbia) steht auf Protestschildern. Aber für den Präsidenten hat die Militarisierung der amerikanischen Straßen erst begonnen. „Wir sorgen für Sicherheit“, behauptete Trump am Freitag bei einem Fototermin mit Truppen: „Und dann wenden wir uns anderen Orten zu.“
Weniger Gewaltverbrechen in den Städten
Die Zahl der Nationalgardisten in Washington ist inzwischen auf 2200 gestiegen. Seit dem Wochenende sind die Reservisten mit M4-Gewehren und M17-Pistolen bewaffnet. Nun nimmt Trump die nächsten Städte ins Visier: „Chicago ist ein Chaos. Sie haben einen inkompetenten Bürgermeister, grob inkompetent. Und wir werden das wahrscheinlich als nächstes in Ordnung bringen“, hat er angekündigt. Zudem behauptete er, die Hafenstadt Baltimore sei „außer Kontrolle“ und drohte, wenn die lokalen Behörden mit der Kriminalität nicht klarkämen, werde er „wie im nahe gelegenen DC Truppen schicken“ und „mit dem Verbrechen schnell aufräumen“.
Als Trump im Juni erstmals in Los Angeles das Militär auf amerikanischen Straßen einsetzte, gab es zumindest einen Anlass: Nach der Festnahme von irregulären Migranten durch die Ausländerpolizei ICE war es zu teils gewaltsamen Protesten gekommen. Doch in Washington, Chicago und Baltimore fabriziert der Präsident nun „Ausnahmezustände“ ohne Grund. Zwar sind die Kriminalitätsraten in amerikanischen Städten im internationalen Vergleich sehr hoch. Doch ist das ein altes Phänomen, und die Zahlen waren zuletzt rückläufig.
Demokratisch regierte Städte im Visier
Die in diesem Monat veröffentlichte Statistik der Bundespolizei FBI zeigt für das Jahr 2024 US-weit einen gegenüber dem Vorjahr fast 15-prozentigen Rückgang bei Tötungsdelikten. Nach Angaben der Washingtoner Polizei ist die Zahl der Gewaltverbrechen in der Hauptstadt binnen eines Jahres gar um 30 Prozent gefallen. Trump behauptet ohne irgendwelche Belege, die Angaben seien gefälscht. In Baltimore ist die Zahl der tödlichen Schießereien binnen eines Jahres um 20 Prozent zurückgegangen. Mit 192 Morden im ersten Halbjahr nimmt Chicago zwar immer noch einen traurigen Spitzenplatz in der Statistik ein. Doch ist der Wert der niedrigste in zehn Jahren.
Auffällig ist, dass Trump ausschließlich demokratisch regierte Städte mit afroamerikanischen Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen ins Visier nimmt. Das bedient anti-urbane und auch rassistische Reflexe seiner ländlichen Wähler. Die meisten Experten bezweifeln, dass die Entsendung der für solche Zwecke nicht trainierten Reservesoldaten an Missständen etwas ändert. In Washington ereignen sich die meisten Gewaltverbrechen etwa in den hauptsächlich von Schwarzen bewohnten Gegenden. Die inzwischen aus sieben Bundesstaaten zusammengezogenen Nationalgardisten patrouillieren aber überwiegend vor den Sehenswürdigkeiten in der Innenstadt.
Die offiziellen Aufgaben der Truppe sind diffus. Trump geht es nach seinen eigenen Worten um die Bekämpfung von Kriminalität, die Vertreibung von Obdachlosen aus dem öffentlichen Raum und die Festnahme irregulärer Migranten. Die letzte Aufgabe dürfen die Reservisten nicht persönlich vornehmen. Sie sichern aber Einsätze der gefürchteten Einwandererpolizei ICE und anderer Bundespolizisten ab. Neuerdings sind nämlich auch FBI, Secret Service und Beamte des Heimatschutzministeriums auf Patrouille.
Protest gegen autoritäre Übergriffe
Mit Chicago nimmt Trump bewusst eine sogenannte „Sanctuary City“ ins Visier. In diesen Städten arbeitet die lokale Polizei nicht mit den Abschiebebehörden zusammen. Das will der Präsident ändern. Die bei Kontrollen der Verkehrspolizei künftig anwesenden Nationalgardisten könnten den Aufenthaltsstatus überprüfen und irreguläre Migranten bis zum Eintreffen der Kollegen von ICE festhalten.
Entsprechend energisch wehrt sich der demokratische Gouverneur des Bundesstaats Illinois, zu dem Chicago gehört, gegen die Ausweitung der „autoritären Übergriffe“ des Präsidenten. „Trumps Ziel ist es, Angst in unseren Gemeinden zu schüren und bestehende öffentliche Sicherheitsmaßnahmen zu destabilisieren“, moniert J.B. Pritzker. Das alles diene dazu, „eine Rechtfertigung für weiteren Machtmissbrauch zu schaffen“.