USA-Debatte bei Markus Lanz

„Trump schafft sich den Aufstand“

Brennende Autos und Steinewerfer in Kalifornien: Laut der Studiorunde im ZDF werden die Chaos-Bilder aus den USA „hochgeschaukelt“ und kommen US-Präsident Trump höchst gelegen.

Die Proteste in Los Angeles sind medial eindrucksvoll, jedoch „weit vom Chaos entfernt“ laut ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen, der am Dienstagabend in der Talkrunde bei Markus Lanz war.

© Ethan Swope/FR171736 AP/dpa

Die Proteste in Los Angeles sind medial eindrucksvoll, jedoch „weit vom Chaos entfernt“ laut ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen, der am Dienstagabend in der Talkrunde bei Markus Lanz war.

Von Christoph Link

Medial sind die Bilder aus den USA eindrucksvoll: brennende Autos und Steine werfende Demonstranten gegen das rigorose Vorgehen der US-Einwanderungsbehörde ICE auf der Jagd nach illegalen Migranten. Doch bei Markus Lanz warnte der Washingtoner ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen am Dienstagabend im ZDF vor einer falschen Interpretation: „Vom Chaos ist Kalifornien weit entfernt“, so Theveßen, da werde etwas „hochgeschaukelt“, die Schauplätze der Unruhe beschränkten sich auf einen Abschnitt der Autobahn Highway 101 sowie eine Haftanstalt. Auch bei Heimniederlagen von Football-Spielen würden in den USA selbst in republikanischen Bundesländern oft Autos abgefackelt – ohne dass die Welt davon Notiz nehme.

Besorgnis erregt für Theveßen vielmehr das Vorgehen der ICE, die Razzien im Militärstil vor Fabriken, in Restaurants und auf Baustellen durchführe und dabei auf alle Ausländer aus sei, die erst seit zwei Jahren im Land sind und die – sofern ohne gültigen Ausweise – ohne Chance auf einen Anwalt oder ein rechtsstaatliches Verfahren deportiert würden.

Droht ein Bürgerkrieg?

Die zweite Sorge gilt der Frage, ob US-Präsident Donald Trump – der gegen den Willen von Kalifornien die Nationalgarde aktivierte und 700 Marines in den Westen schicken will – es „weiter treibt“, das Kriegsrecht gar ausruft, auf Demonstranten schießen lässt und „den Bürgerkrieg riskieren will“. Der Analyse des Brüsseler ZDF-Korrespondenten Ulf Röller konnte sich Theveßen im übrigen voll anschließen: Innenpolitisch habe Trump noch nichts gewonnen, so Röller, da komme ihm das Migrationsthema sehr gelegen, um Härte zu zeigen. „Er schafft sich seinen eigenen Aufstand und die dazu gehörigen martialischen Bilder.“

Seine Doppelmoral sei nun aber für alle sichtbar: Im Januar 2021 beim Sturm auf den Kongress, die Herzkammer der Demokratie, habe er keine Hilfe geleistet und keine Nationalgarde geschickt. Entscheidend sei jetzt, ob Trump eine „rote Linie“ überschreite und das Militär auf die eigenen Landsleute schießen lasse. Schwer enttäuscht zeigte sich Röller über die „gelähmten“ US-Demokraten, wo bleibe denn deren Marsch auf Los Angeles und eine kräftige Demonstration? Alles scheint im Bann von Trump zu sein, dem der SPD-Politiker Martin Schulz, Ex-Kanzlerkandidat und heute Leiter der Friedrich-Ebert-Stiftung, vorwarf, er wolle mit seinem Vorgehen von Streitigkeiten unter anderem mit Elon Musk ablenken und er sei „ein würdeloser, respektloser und intoleranter Herrscher“.

Migration als Zündfunke

Fakt ist immerhin, dass das Thema Migration den Zündfunke in den USA auslöste und das ist auch in Europa beherrschend. Migration sei „für alle Länder“ ein Problem, konstatierte die Zeit-Journalistin Alice Bota, und dass in Polen nun ein rechter Präsident gewählt worden ist, könnte auch damit zusammenhängen. Von Belarus aus sei Migration mit dem Herankarren von Flüchtlingen an die Westgrenze bewusst als Waffe gegen Polen eingesetzt worden, bemerkte Bota, um „Druck auf Polen auszuüben“.

Von der deutschen Politik – die jetzt mit Grenzregulierungen an der polnischen Grenze reagiert – fühle sich Warschau sowohl unter Innenministerin Nancy Faeser (SPD) als auch unter Alexander Dobrindt (CSU) – übergegangen. Diese Maßnahmen ohne Rücksprache mit Polen zu unternehmen, das sei nicht hinnehmbar: „So geht man nicht mit Freunden und Nachbarn um.“

Martin Schulz bemerkte dazu, dass er schon vor 30 Jahren gefordert habe, dass an den Außengrenzen der EU eine „europäische Kompetenz“ stattfinden müsse und dass man Länder wie Polen und Italien da bis heute alleine lasse, das sei „unterlassene Hilfeleistung“. Im übrigen wollten alle eine „brutale und hässliche Migrationspolitik“, aber sagen tue das niemand. Auf der anderen Seite seien Länder wie Polen – es hat eine Geburtenrate von 1,1 Kindern pro Frau – dringend auf Zuwanderung angewiesen.

Mafiöse Strukturen beim Bürgergeld

Nicht die Migration an sich, aber ihre Begleitumstände sind offenbar das Problem. Der Journalist Daniel Friedrich Sturm wies auf das Problem des Familiennachzuges hin, gegen den menschlich ja nichts einzuwenden sei, bei dem es sich dann aber auch erweise, dass eine Mutter mit sechs bis acht Kindern nachkomme und auch ein SPD-Bürgermeister wie der von Fürth, Thomas Jung, darauf hinweise, dass man jedes Jahr wegen des Familiennachzuges ein neues Obdachlosenheim eröffnen müsse und es mit der Integration halt nicht mehr klappe. Viel zu lange habe die SPD, so meint Sturm, die Augen verschlossen vor solchen Herausforderungen und das Wort „Clan-Krimininalität“ sei bei den Sozialdemokraten in Berlin ein Tabu gewesen, wobei doch Ferdinand Lasalle schon gesagt habe, dass jede politische Aktion damit beginne, dass „man sagt, was ist“.

Sturm begrüßte es, das Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) jetzt gegen „mafiöse Strukturen“ beim Betrug von Bürgergeld vorgehen will. Was die Lage der Demokratie allgemein angeht, da hatte Martin Schulz eine Analyse parat. 78 Prozent der Bürger wählten heute eben noch nicht die AfD, sie gelte es zu mobilisieren für die Demokratie. Eine Sorge aber treibe ihn um: Immer mehr Menschen hätten in Deutschland, Angst, dass der Sohn zur Bundeswehr müsse, dass man fürs Baltikum in den Krieg müsse, dass der soziale Abstieg drohe oder dass selbst zwei Einkommen in Städten wie beispielsweise Köln für ein Auskommen nicht mehr reichten. Es sei nicht die Marktwirtschaft, die die Demokratie nach sich ziehe, es sei vielmehr die Ungleichheit, die die Diktatur auslöse, zitierte Schulz den „Zeit“-Autoren Bernd Ulrich. Ein falsches Einkommen für „echte Arbeit“ oder eine angebliche Höherwertigkeit des Akademikers vor dem Handwerker – das sei „auf den Punkt gebracht“ ein Zeichen für die Krise unserer Gesellschaft.

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Erstellt:
11. Juni 2025, 06:54 Uhr

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