TSG Backnang und Stuttgarter Kickers weiten ihr Miteinander aus

Von Steffen Grün

Die Stuttgarter Kickers machten vor knapp eineinhalb Wochen mit dem 0:0 in Reutlingen ihr Meisterstück in der Fußball-Oberliga und feierten den Regionalliga-Aufstieg. Dagegen kämpft die TSG Backnang als Viertletzter auch nach dem 2:1-Heimsieg gegen Neckarsulm am vergangenen Samstag um den Klassenverbleib. Tabellarisch lagen die Blauen und die Roten schon einmal viel enger beieinander, als sie die Saison 2021/2022 auf dem zweiten und dem dritten Platz beendeten, doch an der Nähe der Vereine abseits des Rasens hat sich seitdem nichts geändert. Im Gegenteil: Eine Kooperation im Nachwuchsbereich gesellt sich ab sofort zur Partnerschaft im Aktivenbereich, die seit etwa eineinhalb Jahren intensiv gepflegt wird.

„Wir befinden uns in einem regelmäßigen Austausch“, sagt Backnangs Sportlicher Leiter Marc Erdmann und meint damit vor allem sich und seinen Mitstreiter Oguzhan Biyik sowie den Kickers-Sportdirektor Marc Stein. Im engen Miteinander sieht der TSG- Funktionär „eine Win-Win-Situation“, die bereits mit guten Beispielen belegt ist. Zum einen sei es „ein mögliches Sprungbrett für unsere Spieler“, nach Stuttgart zu wechseln, wie es die Zwillinge Leon und Loris Maier bereits vor der in Kürze zu Ende gehenden Runde getan haben. Zum anderen biete es Youngstern der Kickers, die noch zu oft ein Reservistendasein fristen, „die Möglichkeit, bei uns Spielpraxis auf hohem Niveau zu sammeln“. Das tut der 21-jährige Innenverteidiger Robin Schwemmle seit Februar 2022, wenige Monate später folgte ihm der 22-jährige Mittelfeldspieler Niklas Benkeser. Sich mit starken Leistungen im Murrtal für einen Vertrag auf Degerlochs Höhen zu empfehlen wird mit dem Regionalliga-Aufstieg der Kickers sicherlich schwieriger, zugleich aber auch noch reizvoller. Umgekehrt wäre Backnangs angestrebter Oberliga-Verbleib ein gutes Argument, auch künftig Kickers-Spieler für die so wichtigen Einsatzzeiten in den Etzwiesen zu parken.

Gianpaolo Gorgoglione und Julian Leist sind die anfänglichen Triebfedern

Angesichts des engen Drahts rund um die beiden Oberliga-Teams lag es beinahe auf der Hand, auch im Nachwuchsbereich näher zusammenzurücken. So richtig in die Gänge kam das dann, weil mit Gianpaolo Gorgoglione ein im vergangenen Sommer vom TSV Schmiden zur TSG Backnang gewechselter Jugendcoach seit Dezember auch beim Fördertraining der Fußballschule der Stuttgarter Kickers mitmischt. „Ich habe dort Julian Leist kennen- und schätzen gelernt“, erzählt der aktuelle U-17-Trainer der Roten, der als Spieler insbesondere das Trikot von Calcio Leinfelden-Echterdingen trug. Im Gespräch mit dem früheren Kapitän der SG Sonnenhof Großaspach, der bei den Blauen mittlerweile zum Trainerstab von Mustafa Ünal gehört und sich bei der Fußballschule um die Kooperationen mit anderen Klubs kümmert, stellte sich heraus, dass ein beiderseitiges Interesse an einer engen Partnerschaft besteht. TSG-Jugendleiter René Klauß holte sich bei der Vorstandschaft um Sprecher Joachim Pfisterer grünes Licht; deshalb kann die Kooperation nun an den Start gehen.

Die Fußballschule des ehemaligen Erst- und Zweitligisten habe vor allem „den Auftrag, Ferien- und Wochenendcamps zu organisieren und Talente zu finden und zu fördern“, erklärt Julian Leist. Die Camps gehen auch fernab der Landeshauptstadt über die Bühne – und zwar bei inzwischen 14 Vereinen inklusive der TSG Backnang (siehe Infotext), mit denen die Stuttgarter Kickers den Schulterschluss üben. Die einen begnügen sich damit, die anderen wollen mehr – zur zweiten Kategorie zählt der Etzwiesenklub, der als einziger Oberligist unter den Partnern mit Blick auf die schon geschilderten Synergieeffekte bei den Aktiven ohnehin einen speziellen Stellenwert hat. „Wir bieten Trainerschulungen und Hospitationen in unserem Nachwuchsleistungszentrum“, nennt Julian Leist einen besonderen Mehrwert, den Vereine wie die TSG aus der Kooperation ziehen können: „Auch Leistungsvergleiche sind angedacht.“ Oder Spieltagscamps mit Besuch eines Kickers-Heimspiels, bei dem die Kinder aus der Region als Einlaufkids an den Händen der Profis vor dem Anpfiff auf den Rasen marschieren dürfen. Michael Kittelberger, der früher Jugendleiter beim TSV Grötzingen war, vor fünf Jahren nach seinem berufsbedingten Umzug bei den Backnangern eingestiegen ist und derzeit die Bambinis trainiert, hält zudem auch Wechsel im Nachwuchsbereich für möglich. Sein exemplarisches Beispiel: Die Kickers sichten ein Talent in Winnenden, das es bei ihnen nicht sofort schafft, und legen ihm daher eine Zwischenstation bei der TSG ans Herz. Damit das eine Option sein kann, müssen die Roten zumindest in einigen Altersklassen zwar noch zulegen, doch Julian Leist sieht darin kein Problem: „Die Kooperation ist nicht auf ein Jahr angelegt, sondern sie ist unbefristet. Wir wollen auf Augenhöhe miteinander umgehen.“