Überforderte Demokratie
Das Vertrauen in Politiker und Parteien schwindet.Die Krise beginnt jedoch bei jedem von uns selbst.
Von Eidos Import
Wer Demokratie schlichtweg mit Volksherrschaft übersetzt, erntet allenfalls ein müdes Lächeln. Herrscht bei uns tatsächlich das Volk? Zweifel an diesem Ideal brachte schon Winston Churchill auf den Punkt: Demokratie sei „die schlechteste Regierungsform mit Ausnahme all der anderen“. 80 Jahre später klingt der berühmte Satz des früheren britischen Premierministers wie eine Mahnung.
Das Vertrauen in die Demokratie schwindet. Nach einer Umfrage der Körber-Stiftung ist eine Mehrheit der Deutschen eher skeptisch, ob die Demokratie den aktuellen Herausforderungen noch gewachsen ist. Ihr Anteil wächst rapide. Das Misstrauen richtet sich vor allem gegen Parteien, Politiker, demokratische Verfahren und Institutionen. Zwei Drittel der Bundesbürger bekunden, sie würden Parteien „eher nicht vertrauen“.
Auch namhafte Repräsentanten unserer Demokratie stimmen in dieses Klagelied ein. Die Warnungen kommen dabei von allen Seiten des politischen Spektrums. Das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates sei massiv geschwunden, sagte der ehemalige Bundesinnenminister Thomas de Maiziére (CDU) dieser Tage in einem Rundfunkinterview. Er sieht die Demokratie deswegen gefährdet. Von einer „grundlegenden Krise“ spricht der Linke Bodo Ramelow, ehedem Ministerpräsident von Thüringen, jetzt Vizepräsident des Bundestags. Steht die Demokratie vor einem Burnout?
Das Lamento ist nicht neu. „Wir sind es überdrüssig zu hören, dass die Demokratie in der Krise ist“, beschwerte sich der Politikwissenschaftler Crawford B. Macpherson schon vor 60 Jahren. Aktuell, so dessen Kollege Philip Manow, leide die Demokratie an einem scheinbaren Widerspruch: der gleichzeitigen „Entdemokratisierung und Demokratisierung“. Vor allem aber leidet sie an Missverständnissen, überzogenen Erwartungen und einer kommunikativen Unkultur.
Um hinten anzufangen: Wir durchleben gerade die größte Revolution der Kommunikation seit der Erfindung des Buchdrucks. Digitale Medien verändern auch die Demokratie: Sie geben jedem und jeder ein eigenes Sprachrohr, schüren aber zugleich Hass und Hysterie, verführen dazu, sich in Echoräumen der Gleichgesinnten zu verbunkern.
Das untergräbt die Bereitschaft, andere Ansichten als die eigenen überhaupt nur wahrzunehmen, geschweige denn zu tolerieren – Voraussetzung für jede Demokratie. Die Währung der Demokratie ist Vertrauen. Repräsentative Demokratien stützen sich auf einen Vorschuss an Vertrauen – Vertrauen in Parteien und Abgeordnete, woran es gerade hapert.
Wenn das Vertrauen in die Repräsentanten wankt, wankt auch die Demokratie selbst. Mit zwei Kreuzen an der vermeintlich richtigen Stelle lässt sich keine Politik erkaufen, die vollauf den jeweils eigenen Erwartungen genügt. Demokratien sind nicht immun gegen destruktive Kräfte. Deren Mobilisierung in Gestalt populistischer Parteien bedeutet auch eine Demokratisierung der Demokratie – die gleichwohl der Demokratie schaden, sie gar zerstören kann. 1933 ist das abschreckendste Beispiel dafür.
Was tun? Die Krise der Demokratie beginnt bei jedem selbst: dem demokratischen Souverän. Wie souverän nutzen wir die demokratischen Mitsprachemöglichkeiten, die größer sind denn je? Das beginnt nicht in der Wahlkabine, sondern in der Fragestunde des Bezirksbeirats – und sollte sich keineswegs auf lästerliche Kommentare in den sozialen Medien beschränken.
Und wie souverän gehen wir mit den Zumutungen der Demokratie um: mit Konflikten, konträren Meinungen und Frustrationen, wenn jene die Mehrheit bilden? An solchen Fragen entscheidet sich die Zukunft der Demokratie.