Überirdisch und sehr bewegend
Konzert von Organist Thomas Haller und dem Kammerchor beeindruckt mit Auswahl und Präsentation ganz verschiedener Stücke

© Jörg Fiedler
Der Kammerchor bildete die zweite Dimension des Konzerts, das sich rund um Kompositionen von „Te Deum“, einem Lob-, Dank- und Bittgesang, rankte. Fotos: J. Fiedler
Von Petra Neumann
MURRHARDT. Thomas Haller hatte nicht nur als Organist für das fünfte Konzert in der Reihe des Murrhardter Orgelzyklus in der Stadtkirche zugesagt, sondern gleich eine Idee für das Thema beigesteuert. Wie wäre es mit Kompositionen zum „Te Deum“, das ist ein Lobpreis Gottes aus dem ganz frühen Christentum (um 387), fragte er sich. Darin werden neben dem Schöpfer auch die Engelshierarchien, die Apostel, Märtyrer sowie Jesus Christus geehrt. Am Ende steht eine Fürbitte für die Menschheit.
Thomas Haller erzählte in einer kurzen Einführung, wie sehr er die gregorianischen Gesänge schätze, die die Grundlage der abendländischen Musik bilden. Selbst protestantische Komponisten nahmen den sogenannten „Cantus firmus“ (feststehender Gesang, das heißt musikalisches Grundprinzip) in ihre Tonsetzungen auf. Dieser Gesang kreist um den Klang, der der Welt zugrunde liegt.
Die zehn vorgestellten Werke am Abend in der Murrhardter Stadtkirche waren mal für Orgel solo, mal kam der Kammerchor Murrhardt unter Leitung von Gottfried Mayer hinzu und ergänzte die Orgelklänge auf beeindruckende Weise. Der Renaissancekomponist Giovanni Gabrieli (1557 bis 1619) verfasste die Motette für zwei Chöre a cappella „Jam non dicam vos servos“ (Ich nenne euch hinfort nicht Knechte), deren Melodie direkt in himmlische Gefilde zu streben scheint. Sie ist von einer verhaltenen Klarheit, die dem Höchsten auch Ehrfurcht bezeugt. Das Halleluja gleicht einer musikalischen Wolke aus dem Geist der Freude heraus.
Dietrich Buxtehude (1637 bis 1707) nahm den „Cantus firmus“ in seinem „Te Deum laudamus“ (BuxWV 218) auf, veränderte ihn aber. Trotzdem erschallt die Melodie in einer Weise, als füge sich alles ineinander, um dem Lebensprinzip zu dienen. Gleich Kaskaden überirdischen Lichts fächern sich die Töne über dem ewig währenden Seinsgrund auf. Die Notensetzung ist eine ausdrucksstarke Hymne an den Quell des Lebens, die selbst, wenn sie zarte Klänge anschlägt, dem ununterbrochenen Schöpfungsprozess huldigt.
Auch die Mottete von Johann Sebastian Bach (1685 bis 1750) „Lobet den Herrn, alle Heiden“ (BWV 230) verdichtet das Strahlen eines zentralen Lichts musikalisch, das sich in alle Sphären ergießt. Ein inhärentes Fließen lässt die Noten wie auf einer Himmelsleiter hinauf- und hinabschweben.
Der französische Komponist Charles Tournemire (1870 bis 1939) wurde von staatlicher Seite beauftragt, dem gregorianischen Gesang nachzuspüren. Die „Improvisation sur le Te Deum“ wurde auf Schallplatte aufgenommen und von seinem Schüler Maurice Duruflé (1902 bis 1986) rekonstruiert. Sie ist gewaltig, umfasst alles und beinhaltet so auch Dissonanzen sowie die Schwere des Erdengebundenseins, aus dem sich das Schicksal ergibt. Der Komponist wurde als sehr exzentrisch angesehen und lehnte alle Musik ab, die nicht dem Lobpreis Gottes galt.
Von besonderer Schönheit ist eine jüngere Komposition des 1959 geborenen James MacMillan. Sie heißt „A new song“, wobei der Titel mehrere Bedeutungsebenen hat. Passend zu dem wunderbaren Gesang ist die Musik so entrückt, dass sie wie flirrend in Lichterfunken kreiselt. Die Vollkommenheit der Bewegung symbolisiert das Werden und somit das sich stets Erneuernde, das nur dann fruchtbar ist, wenn sich der irdische Grund, ausgedrückt durch tiefe Noten, Stalagmiten gleich, diesem goldenen Regen entgegenreckt.
Benjamin Britten (1913 bis 1976) beschäftigte sich in „Te Deum in C“ gleichfalls mit dem Thema, in dem die Menschheit sich dem Göttlichen widmet und sie ihm ihr Bewusstsein entgegen hebt – ganz fantastisch gesungen vom Chor.
Fazit: Ein ganz großes Konzert – die Musik und ihre Darbietung waren überirdisch und sehr bewegend.

© Jörg Fiedler
Thomas Haller, der auch den konzeptionellen Vorschlag zum Konzert mitbrachte.