Die Lage im Überblick

Ukraine-Krieg: Rätselraten um Friedensgespräche in Istanbul

Kremlchef Putin lässt die Welt weiter zappeln - auch um seine eigene Macht zu demonstrieren. Ob er zu den Friedensgesprächen kommt, bleibt offen - und damit auch die Erfolgsaussichten eines Treffens.

Präsident Putin hält sich weiter zu seiner Teilnahme an Friedensgesprächen bedeckt. (Archivbild)

© Alexander Kazakov/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa

Präsident Putin hält sich weiter zu seiner Teilnahme an Friedensgesprächen bedeckt. (Archivbild)

Von dpa

Kiew/Moskau - Kurz vor geplanten Verhandlungen über die Beendigung des russischen Kriegs in der Ukraine sind Format und Zusammensetzung des Treffens weiter offen. Kremlsprecher Dmitri Peskow betonte zwar am Dienstag, dass eine russische Delegation am Donnerstag nach Istanbul zu dem von Präsident Wladimir Putin vorgeschlagenen Treffen reisen werde. Er ließ aber offen, wer zur Delegation gehört und ob der Kremlchef selbst anreisen wird.

Der Kremlchef selbst hielt sich bei einem Treffen mit russischen Wirtschaftsvertretern zu der Frage ebenfalls bedeckt. Dafür zeigte er sich sehr selbstbewusst in Bezug auf den russischen Markt. Eine Entschuldigung westlicher Investoren sei nicht ausreichend, um wieder nach Russland zurückkehren zu können, sagte er. Die Aussage legt nahe, dass er mit einem baldigen Ende der Sanktionen rechnet.

Selenskyj: Putin hat den Krieg begonnen, muss ihn auch beenden

Selenskyj wird in jedem Fall in die Türkei reisen. Derzeit ist aber nur ein Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Ankara geplant. Seine Forderung nach einer Teilnahme Putins an den geplanten Verhandlungen über ein Ende des russischen Angriffskriegs hat Selenskyj zuletzt mehrfach bekräftigt. 

Putin entscheide alles in Russland, also müsse er auch über die Frage des Kriegs entscheiden, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videobotschaft. "Es ist sein Krieg. Darum müssen auch die Verhandlungen mit ihm laufen." In einem vom "Spiegel" am Dienstagabend veröffentlichten Interview sagte Selenskyj: "Mir scheint, er (Putin) hat Angst." 

Seinen Angaben nach bereitet sich die Ukraine in enger Abstimmung mit den Partnern auf das Treffen in der Türkei vor. Selenskyj äußerte in seiner Videobotschaft Zweifel an Russlands Verhandlungsbereitschaft. "Russland redet viel über direkte Verhandlungen, aber wenn es zur Sache geht, dann verstecken sie sich", sagte er angesichts der Hinhaltetaktik Moskaus zu einer Anreise Putins. Sollte sich der Kremlchef tatsächlich nach Istanbul begeben, will auch der Ukrainer dorthin kommen.

Sollte Putin aber tatsächlich in Istanbul erscheinen, könnten nicht alle Fragen sofort geklärt werden. "Er und ich können im Moment nicht in allem übereinstimmen, das ist unmöglich", sagte Selenskyj in einem in der Nacht veröffentlichten Interview der französischen Zeitung "Libération". "Aber wir müssen auf die eine oder andere Weise ein Format finden, um den Krieg zu beenden." Sollte Putin aber nicht nach Istanbul kommen, "bedeutet das, dass er keinen politischen Erfolg anstrebt"

Selenskyj sagte, dass möglicherweise die Präsenz von US-Präsident Donald Trump den Kremlchef bewegen könnte, sich an den Verhandlungen zu beteiligen. "Wenn Putin nicht kommt, wird es für ihn wie eine totale Niederlage aussehen."

US-Außenminister Rubio nimmt an Gesprächen teil

Aus den USA reist Außenminister Marco Rubio zu den Gesprächen in die Türkei. Das teilte US-Präsident Donald Trump mit. Die Verhandlungen dort würden Ende dieser Woche stattfinden, wahrscheinlich am Donnerstag, sagte der Republikaner bei seinem Besuch in Saudi-Arabien. Er bezeichnete dies als "sehr wichtig" und gab sich optimistisch, dass dabei "sehr gute Ergebnisse" erzielt werden könnten. 

Neben Rubio werden nach Angaben des Weißen Hauses auch die US-Sondergesandten Steve Witkoff und Keith Kellogg zu den möglichen ukrainisch-russischen Gesprächen reisen. Trump hatte nach eigenen Angaben auch eine eigene Beteiligung erwogen, macht dies aber von der Anwesenheit Putins abhängig. 

Selenskyj sagte dem "Spiegel": "Wenn ich mich mit Putin treffe, dann muss das mit einem politischen Sieg enden – ein Waffenstillstand oder ein Gefangenenaustausch alle gegen alle." Auf die Frage, ob Trump mehr Druck auf ihn mache als auf den Kremlchef, sagte der Ukrainer: "Trump muss zur Überzeugung kommen, dass Putin lügt."

Pistorius: Putin will weiter bombardieren

Deutschlands Verteidigungsminister Boris Pistorius sieht bei Putin derzeit keinen Willen zu Verhandlungen über eine Waffenruhe. "Er will gar nicht verhandeln, er will weiter bombardieren und kämpfen und Geländegewinne machen", sagte der SPD-Politiker im ZDF-"heute journal" über Putin.

Auf die Frage, ob die Russland angedrohten neuen Sanktionen ein Bluff der Europäer gewesen seien, antwortete Pistorius: "Davon gehe ich nicht aus." Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und die anderen Staats- und Regierungschefs hätten sehr deutlich gemacht, "dass es Sanktionen und Reaktionen geben muss und geben wird, wenn diese Waffenruhe von Putin nicht eingehalten oder nicht mal begonnen wird".

Außenminister Johann Wadephul sieht aber schon eine Entwicklung darin, dass Putin überhaupt über Verhandlungen redet. Das sei "eine Reaktion auf die neue Lage". "Er wird wissen, dass sich seine Position in der nächsten Zeit eher verschlechtern wird", sagte der CDU-Politiker der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

Tote und Verletzte bei russischen Angriffen in Charkiw

Tatsächlich gehen die Kämpfe mit unverminderter Härte weiter. Auch Zivilisten werden weiter in Mitleidenschaft gezogen. So sind mindestens zwei Menschen nach Behördenangaben bei russischen Angriffen in der nordostukrainischen Region Charkiw ums Leben gekommen. Ein 80-jähriger Mann und eine 70-jährige Frau seien bei der Bombardierung der Ortschaft Netschwolodiwka westlich von Kupjansk getötet worden, teilte der Militärgouverneur von Charkiw, Oleh Synjehubow, auf Telegram mit. Seinen Angaben nach wurden drei weitere Frauen und ein Mann, alle im Rentenalter, durch den Abwurf der Gleitbomben verletzt.

Neben dem Kreis Kupjansk traf es auch die Gebietshauptstadt Charkiw selbst. Bei einem Drohnenangriff sei eine zivil genutzte Energieanlage getroffen worden, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. Menschen wurden demnach bei der Drohnenattacke nicht verletzt.

Selenskyj will in Istanbul auf Putin warten. (Archivbild)

© Evgeniy Maloletka/AP/dpa

Selenskyj will in Istanbul auf Putin warten. (Archivbild)

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Erstellt:
14. Mai 2025, 05:16 Uhr
Aktualisiert:
14. Mai 2025, 08:04 Uhr

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