Umwelt- und Freizeitthemen hoch im Kurs

Beim Jugendforum bringen junge Murrhardter breite Palette an Anliegen und Ideen ein – Jugendzentrum zurzeit ohne offenen Treff

Auf einem der vielen Plakate aus den Workshops prangt das Stichwort „Juze“ und darunter ist ein Gesicht zu sehen, das den Tränen nahe ist. Die Situation im Jugendzentrum, das aufgrund der vakanten Sozialarbeiterstelle im Moment keinen offenen Treff anbieten kann, ist eines der Themen beim Murrhardter Jugendforum. Die jungen Leute suchen nach Räumen, in denen sie zusammenkommen können. Aber auch der Umwelt- und Naturschutz spielt eine wichtige Rolle.

Julian Schmid, Marian Eitel, Mateusz Slenczek und Laurin Strobel (von links) haben recherchiert, wie man neue Technik zur Energiegewinnung in der Stadt einsetzen könnte. Sie haben das Jugendforum dazu genutzt, um Vorschläge für ein „grünes, nachhaltiges Murrhardt“ zu machen. Foto: C. Schick

© Christine Schick

Julian Schmid, Marian Eitel, Mateusz Slenczek und Laurin Strobel (von links) haben recherchiert, wie man neue Technik zur Energiegewinnung in der Stadt einsetzen könnte. Sie haben das Jugendforum dazu genutzt, um Vorschläge für ein „grünes, nachhaltiges Murrhardt“ zu machen. Foto: C. Schick

Von Christine Schick



MURRHARDT. Julian Schmid, Marian Eitel, Mateusz Slenczek und Laurin Strobel haben den Vormittag genutzt, um Vorschläge für ein „grünes, nachhaltiges Murrhardt“ zu machen, erzählen sie. Das sei einfach besser, als nur Forderungen zu stellen, und man habe gleich konkrete Anhaltspunkte, was sich vielleicht wie umsetzen lasse. Zu ihren Überlegungen gehört beispielsweise, die Dächer von Bushaltestellen zu nutzen, und derer gibt es immerhin 114 Stück auf Murrhardter Gemarkung, wie sie recherchiert haben. Wenn man 38 mit Solarzellen ausstatten könnte, kämen 76000 Kilowattstunden zusammen, was etwa der Versorgung von 19 Haushalten übers Jahr entspreche. Ebenfalls angeschaut haben sie sich neue Technik: Tree Vents, teils als Windbäume bezeichnet, wandeln auch schwächere Luftzirkulation über eine Reihe von leichtgängigen Turbinen in Energie um. Und wo könnte man die platzieren? Einen gewissen Windkanal bräuchte man schon, aber denkbar seien beispielsweise der Feuersee, Stadtpark, Bahnhof oder Nägeleplatz. Alternativ gebe es auch noch Solar Trees. Sie sind mit geschätzten 38000 Euro zwar etwas teurer als die Windbäume (rund 30000 Euro), könnten zudem aber auch noch als Schattenspender genutzt werden – vielleicht im Freibad –, kombiniert mit einer Bank und an Orten, an denen man entspannen kann. Solarenergie sollte auch auf öffentlichen Dächern so flächendeckend wie möglich eingesetzt werden, findet das Team. Privat funktioniere das mittlerweile schon ziemlich gut, die vier haben bei ihrer Recherche festgestellt, dass beispielsweise im Kirchenkirnberger Baugebiet Strut IV fast jeder Solarzellen auf dem Neubau installiert hat.

Weniger Aufbruchsstimmung herrscht in der Gruppe, die sich mit der Lage im Jugendzentrum befasst hat. Bürgermeister Armin Mößner steht bei den Jugendlichen und erklärt, dass das Juze selbstverwaltet ist und sich insofern ganz eigenständig um die Stellenbesetzung kümmern darf und muss. Sozialarbeiterin Nicole Martin ist vor einiger Zeit in Mutterschutz gegangen und pausiert nach der Geburt ihres Kindes. Die Befristung der Elternvertretung mache die Suche sicher nicht ganz leicht, merkt er später auf Nachfrage an. Für die Jugendlichen ist klar: Da es keinen offenen Treff gibt und sich das Jugendzentrum ohne eine verantwortliche Aufsichtsperson nicht einfach öffnen lässt, haben sie im Moment kein warmes Plätzchen, wo sie sich treffen können, und suchen dringend nach einer Lösungsmöglichkeit. Auf einem weiteren Plakat ist das noch offener formuliert – gebraucht wird ein Raum, wo die jungen Leute zusammenkommen, etwas essen und reden können, idealerweise auch mit einer Bezugsperson, an die sie sich wenden können.

Die Themen Freizeitgestaltung und Treffpunkte spielen wie schon in den vorangegangenen Jugendforen eine wichtige Rolle. Zu den ausgearbeiteten Wunschideen zählt beispielsweise auch ein Open-Air-Kino für alle im Stadtgarten in Kooperation mit dem Kommunalen Kino. Die Jugendlichen haben dabei nicht nur allein den Filmabend im Kopf, sondern sehen solch ein Angebot auch als Möglichkeit, mit anderen zusammenzukommen. Das Interesse an Gemeinschaft und kulturellen Aktivitäten findet sich auch auf weiteren Plakaten: Eine Gruppe wünscht sich ein Kulturfestival (neben dem Sommerpalast, aber ähnlich in der Ausrichtung), bei dem Vielfalt und Integration über Kunst und Musik verwirklicht werden können.

Eine weitere Facette des Zusammenkommens und gemeinsamen Erlebens, bei der aber die Natur stärker im Fokus steht, sind folgende Szenarien: eine Art Gartenschau beispielsweise mit Wildblumenwiese und Erlebnispfad auch im Sinne einer Unterstützung der Tier- und Pflanzenvielfalt, ein Erlebniswald mit verschiedenen Sinnesangeboten bis hin zum interaktiven Garten, bei dem Grünflächen auch zum gemeinsamen Anbau von Obst und Gemüse genutzt werden. Ein anderer Vorschlag setzt ganz konkret auf Naturschutzaktionen wie das Anlegen von Blumenwiesen oder das Aufhängen von Nistkästen.

Manche Teilnehmer haben die Aspekte Sauberkeit und Sicherheit auf der Agenda, was schon vor zwei Jahren thematisiert wurde. Weggeworfene Kippen seien immer noch ein Problem, insbesondere für Kinder und Hunde gefährlich, weshalb beispielsweise im Stadtgarten mehr Mülleimer mit integriertem Aschenbecher aufgestellt werden sollen, so der Tenor. Bedarf an mehr Abfallbehältern sieht die Gruppe zudem in der Fornsbacher Straße, aber auch darin, die Menschen zu motivieren, Sachen nicht achtlos wegzuwerfen. Zwei Jungs würden es begrüßen, wenn im Stadtgarten hellere Lampen angebracht werden, ebenso an der Robert-Franck-Straße, besonders an der Bushaltestelle am Gymnasium, um bei Dunkelheit klarere Sicht zu haben.

Durch ein Praktikum in einem Murrhardter Alters- und Pflegeheim hat eine Schülerin mitbekommen, wie groß die Hürden für Menschen im Rollstuhl sind, in manchen Geschäften in Murrhardt einzukaufen. Ihr Team hat sich Gedanken gemacht, wie eine automatisierte Rampe Stufen überwinden könnte, wovon zudem Mütter mit Kinderwagen profitieren würden.

Die Jugendlichen haben auch Bedürfnisse und Hürden für ältere Menschen im Blick

Spannend: Auch bei einem Team, das sich eine größere Vielfalt an Vereinsangeboten wünscht – beispielsweise als neue Sparte Cheerleading –, spielt der generationsübergreifende Aspekt eine Rolle. In diesen Gruppen hätten ältere und jüngere Menschen Kontakt und die Senioren „können so sehen, dass die Jungen nicht nur Blödsinn machen“, sagt eine Teilnehmerin.

Auch die Schule selbst ist Gegenstand von Verbesserungswünschen: Mit Blick auf die Mensa der Walterichschule ist die Vielfalt und Abwechslung des Speiseplans aus Sicht des zuständigen Teams noch ausbaufähig. Ebenso würden die Schüler es begrüßen, wenn die Räume frische Farbe und eine neue Möblierung bekommen könnten. Auch der Lärmpegel sei im Alltag ein Problem. Eine Überlegung wäre, zu testen, ob die Gruppierung von jüngeren und älteren Schülern Abhilfe schafft. Erstrebenswert findet das Team, dass es in milderen Zeiten auch die Möglichkeit gibt, draußen zu essen. „Wir haben schon davon gehört, dass die Stadt über Modernisierung und Umbau nachdenkt“, sagt eine Schülerin. Weitere Ideen: Ein Bildschirm, auf dem die Gerichte auch für die kommenden Tage angezeigt werden, sowie ruhige Musik.

Ein Duo hat sich zudem der Digitalisierung gewidmet. Die beiden Achtklässler finden, dass die Computerplätze an der Walterichschule noch ausbaubar sind, vor allem, weil so auch wichtige Kompetenzen wie Programmieren gefördert und die Schüler motiviert werden könnten. Klasse fänden sie, wenn man den Strombedarf mit Solarzellen beispielsweise auf dem Dach decken könnte.

Erik Flügge, der wie auch in den Jahren zuvor das Jugendforum begleitet, schätzt, dass rund zwei Drittel der Schüler neu dazugestoßen und der Rest Wiederholungstäter sind. Letztere hätten festgestellt, dass sie deshalb gerne wieder mit dabei sind, da die Stadt doch einige der Vorschläge umgesetzt hat.

Die Fraktionsvertreter hangeln sich bei der Vorstellungsrunde von Gruppe zu Gruppe und lassen sich die Anliegen und Ideen erklären. Brigitte Kübler (UL) nimmt ganz klar mit, dass die Jugendlichen dringend nach Räumen suchen. Da es zurzeit im Jugendzentrum keinen offenen Treff gibt, bräuchte es eigentlich eine möglichst kurzfristige Lösung. Gerd Linke (MDAL/Die Grünen) ist beeindruckt von der Themenvielfalt. Anknüpfen würde er gerne unter anderem an den Ideen rund um den Natur- und Umweltschutz sowie „grünes Murrhardt“. Sonja Allinger-Helbig (SPD) möchte so viele der Anliegen wie möglich in die Fraktion mitnehmen, spannend fand sie die Überlegungen zu einem gemeinsam genutzten Naturraum beziehungsweise auch die vielen Naturschutzideen.

Bürgermeister Mößner schließt das Treffen mit einem Kompliment an die Jugendlichen. „Es ist großartig, was ihr erarbeitet habt“, sagt er. Das zeige auch die Bereitschaft, sich in Murrhardt engagiert einzubringen.

Zum Artikel

Erstellt:
16. Januar 2020, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Lesen Sie jetzt!

Murrhardt und Umgebung

Herantasten an künftige Herausforderungen

Bei „Politik&Pizza“, einem Abend der Volkshochschule Murrhardt und der Landeszentrale für politische Bildung, geht es um Lösungsansätze drängender Probleme. Eine Stadträtin und drei Stadträte skizzieren ihre Positionen und die Stoßrichtung ihrer jeweiligen Gemeinderatsfraktion.

Murrhardt und Umgebung

Erlebnis, Vernetzung und starke Böden

Beim Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald sind drei neue Projekte angelaufen: der Aufbau von Trekkingcamps, die Etablierung von Partnerschaften mit Betrieben und die Kräftigung von Böden durch Erhöhung des Humusgehalts. Das Team berichtet über Pläne und Hintergründe.

Murrhardt und Umgebung

Erste barrierefreie Bushaltestellen fast fertig

In Murrhardt und Umgebung werden einige Bushaltestellen so umgebaut, dass das Ein- und Aussteigen für gehbehinderte oder in anderer Weise eingeschränkte Menschen möglich ist. In Fornsbach und in Murrhardt an zwei Schulen sind die Arbeiten schon weit fortgeschritten.