Ungewisse Zukunft einer Adventstradition
Die Murrhardter Ortsgruppe des Deutschen Hausfrauenbunds löst sich mangels junger Nachwuchskräfte auf. Ob der beliebte Weihnachtsmarkt noch von anderer Seite weitergeführt werden kann, ist unklar und völlig offen.

© Elisabeth Klaper
Der Weihnachtsmarkt des Hausfrauenbunds war bisher eine feste Größe. Besucher konnten sich bei Adventsartikeln und Geschenken umschauen...
Von Elisabeth Klaper
MURRHARDT. Er war seit Jahrzehnten die Attraktion und Institution zum Beginn der Vorweihnachtszeit: Der Weihnachtsmarkt der Murrhardter Ortsgruppe im Deutschen Hausfrauenbund lockte immer am Freitag vor dem ersten Advent eine Vielzahl von Besuchern aus der Walterichstadt und dem Umkreis an. Heuer hätte er wegen der Coronapandemie nicht stattfinden können. Doch ist ungewiss, ob er überhaupt noch eine Zukunft hat, denn die Ortsgruppe löst sich auf.
Michèle Hartmann, seit 20 Jahren deren Vorsitzende, erläutert die Hintergründe: „Wir haben keine jungen Vereinsmitglieder als Nachfolgerinnen, und wir Aktiven werden alle immer älter. Deshalb haben nun auch einige Frauen, die seit Jahren wichtige Aufgaben übernahmen, aus Altersgründen ihre Tätigkeit beendet.“ Die Zahl der Mitglieder, darunter auch ein Mann, die bis vor einigen Jahren noch bei über 50 lag, sei mittlerweile auf 31 gesunken, nachdem mehrere verstorben sind.
Aber: Obwohl der Weihnachtsmarkt in diesem Jahr wegen Corona ausfallen muss, „bringen wir trotzdem wie schon seit vielen Jahren nochmals 300 Päckchen mit Süßigkeiten und Artikeln des täglichen Bedarfs Bewohnern in verschiedenen Pflegeheimen. Damit wollen wir uns von ihnen verabschieden“, betont Hartmann. Allerdings sei dies aufgrund der geltenden Coronaverordnungen, Abstands- und Hygieneregeln nur unter erschwerten Bedingungen möglich: „Es dürfen nur zwei Personen in einem Raum oder Mitglieder von zwei Familien zusammen tätig sein“, verdeutlicht die Vorsitzende.
Die Wurzeln des Engagements reichen bis 1918 zurück.
Seit 1969 ist die heute 85-jährige Klara Schif Mitglied. Von Anfang der 1980er-Jahre an war sie 14 Jahre Schriftführerin und anschließend zwölf Jahre für die Tombola verantwortlich, bevor sie 2008 ihr aktives Engagement beendete. Als eine der Ältesten in der Ortsgruppe skizziert sie die wichtigsten Ereignisse und Etappen für die Gruppe. Bereits gegen Ende des Ersten Weltkriegs hatten Murrhardter Hausfrauen eine Selbsthilfeorganisation zur Verbesserung der Lebensmittelversorgung gegründet.
Mitte der 1950er-Jahre erfolgte der Neuanfang: „Im Gasthof Engel gründeten Margarete Franke, die auch erste Vorsitzende war, und fünf weitere engagierte Murrhardterinnen, die sich immer wieder zum Kaffeekränzchen trafen, den Frauenfleiß“, erinnert sich Klara Schif. „Von Anfang an war es das Ziel der Gruppe, sich sozial-karitativ für ihre Mitmenschen einzusetzen, denn es gab damals noch so viele Flüchtlinge und Vertriebene, die dringend Hilfe benötigten.“ Die Familie von Margarete Franke war selbst aus dem Osten geflüchtet, „darum war es ihr ein besonderes Anliegen, diese zu unterstützen“. So legte das Gründerinnenteam unter der Regie von Margarete Franke in der Adventszeit den Grundstein für die ersten Weihnachtsbasare, die im Saal des Gasthofs Engel stattfanden. Deren Erlöse dienten dazu, Mitbürger zu unterstützen, die sich in einer schwierigen Lebenssituation befanden. „Innerhalb kurzer Zeit stießen immer mehr Frauen hinzu, sodass der Saal schon bald zu klein wurde.“
Michèle Hartmann erinnert sich, dass sie Ende der 1950er-Jahre erstmals diesen Weihnachtsbasar besuchte. Um mehr Platz zu haben, verlegte der Frauenfleiß Anfang der 1960er-Jahre den Weihnachtsbasar in die Stadthalle. Zur selben Zeit erfolgte auch die offizielle Vereinsgründung, Umbenennung des Frauenfleißes und dessen Eingliederung als Ortsgruppe in die übergeordneten Organisationen des Deutschen Hausfrauenbunds. Nach Margarete Franke war Marga Blum Vorsitzende, anschließend Irmgard Dinger und seit 2000 Michèle Hartmann.
In den folgenden Jahrzehnten wuchs und entwickelte sich der Weihnachtsmarkt des Hausfrauenbunds weiter zum Besuchermagneten. Im Lauf der Zeit beteiligten sich immer mehr verschiedene soziale Vereine und Einrichtungen aus der Walterichstadt und Umgebung, von Pflegeheimen über Kindergärten bis zur Schülerfirma der Walterichschule. Nachdem die Festhalle 1996 fertiggestellt war, fand der Weihnachtsmarkt dort statt. „Die Vorbereitung und Organisation war stets eine sehr zeit- und arbeitsaufwendige Aufgabe. In der Anfangszeit gab es sonst erst wenige andere Basare und Weihnachtsmärkte in unserer Region. Doch in den vergangenen Jahren organisierten immer mehr Einrichtungen selbst solche Veranstaltungen“, erläutert Michèle Hartmann.
Die Zahl der Stände habe stets etwa zwölf betragen, wobei einige von Anfang an bis im Vorjahr dabei waren, indes gab es auch immer wieder Wechsel: Manche Teilnehmer hörten auf und andere kamen hinzu. „Aber es waren immer sozial-karitative Vereine oder Einrichtungen, weil es uns stets darum ging, Erlöse für den guten Zweck zu erzielen, Mitbürger in prekären Situationen zu unterstützen“, betont die Vorsitzende. Und das gelang auch jedes Jahr, sodass die Mitglieder mehrere Hundert Päckchen für Heimbewohner packten und verschenkten, hinzu kamen Einkaufsgutscheine für Familien.
Hartmann weist darauf hin, dass die Ortsgruppe auch eine ganze Reihe weiterer Aktivitäten unternahm: Besonders beliebt waren die „Fahrten ins Blaue“ im Mai für Heimbewohner. „Das waren kleine Rundfahrten durch die Gemarkung und die nähere Umgebung, damit die Heimbewohner den Frühling erleben konnten. Anschließend bewirteten wir sie mit Kaffee und Kuchen, in früheren Jahren in der Festhalle, in den vergangenen Jahren in der Gemeindehalle in Kirchenkirnberg. Regelmäßig übernahmen wir die Bewirtung im Sonntagscafé und bei der Mitgliederversammlung des Krankenpflegevereins. Im Sommer besuchten wir Bewohner des Pflegeheims Fritz in Klingen, da wir diese Personen nicht auf die ,Fahrt ins Blaue‘ mitnehmen konnten. Überdies unternahmen Mitglieder und Gäste zahlreiche Firmenbesichtigungen in Murrhardt und anderen Orten, ebenso Stadtführungen in Orten der Umgebung, um diese besser kennenzulernen. Hinzu kamen Ausflüge, die wir seit einiger Zeit auch gemeinsam mit der Schwerhörigengruppe der evangelischen Kirchengemeinde und dem Krankenpflegeverein machten“, berichtet Michèle Hartmann.
Und wie geht es weiter? „Die Mitglieder können nun natürlich privat unsere bisherigen Aktivitäten fortsetzen, aber auch neue beginnen, denn es gibt in unserer Stadt viele Möglichkeiten, um sich ehrenamtlich sozial-karitativ zu engagieren. Zwar sind wir sehr traurig darüber, dass wir nun alle Vereinsaktivitäten einstellen müssen und uns nicht mehr als Ortsgruppe im Sonntagscafé oder bei anderen Veranstaltungen einbringen können, aber der Kontakt zwischen den Mitgliedern bleibt weiter bestehen“, versichert die Vorsitzende. Vielleicht gibt es für die Zukunft eine Möglichkeit, den Weihnachtsmarkt und das sozial-karitative Engagement für Mitbürger in schwierigen Lebenssituationen oder Heimbewohner in anderer Form und mit anderen Akteuren fortzusetzen. „Das ist meine Hoffnung und mein Wunsch, dazu versuche ich mit verschiedenen bisherigen Kooperationspartnern und Bürgermeister Armin Mößner eine Lösung zu finden“, unterstreicht Michèle Hartmann. „Falls sich jemand findet, der oder die Interesse hat, die Organisation des Weihnachtsmarkts zu übernehmen, bin ich gerne bereit, unterstützend mitzuarbeiten.“

...und in der Murrhardter Festhalle gemeinsam etwas essen, trinken und ein Schwätzchen halten. Archivfotos: E. Klaper/privat