Caren Miosga

„Wir müssen ringen“ – Spahn warnt vor Scheitern der Rentenabstimmung

Unionsfraktionschef Jens Spahn warnt vor Scheitern der Rentenabstimmung: Das wäre der Anfang vom Ende.

Unionsfraktionschef Jens Spahn bei Caren Miosga.

© ARD/Thomas Ernst

Unionsfraktionschef Jens Spahn bei Caren Miosga.

Von Christoph Link

Der Unionsfraktionschef Jens Spahn hat am Sonntag in der Talkrunde von Caren Miosga geschildert, mit welchen Argumenten er Renten-Rebellen aus der Jungen Gruppe der Union zur Stimmung zum Rentenpaket der Bundesregierung zu gewinnen versucht. Spahn sagte, man könne „stolz“ sein auf die Junge Gruppe mit ihrem Einsatz für Generationengerechtigkeit, aber die Bundesregierung müsse auch Realpolitik betreiben und eine „Gesamtschau“ auf die Lage haben. Richtig sei aber, dass in den vergangenen zehn Jahren zu wenig getan worden sei, „um uns auf die 2030er Jahre vorzubereiten“, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen. „Wir müssen ringen“, sagte Spahn über seine Überzeugungsarbeit. Er bestätigte, dass die Gespräche mit Abgeordneten zum Teil bei ihm daheim „freundlich und gemütlich bei Pizza und Wein“ geführt werden, er habe noch nicht mit allen 18 Gruppenmitgliedern gesprochen. Es sei im übrigen so, dass Widerstand gegen das Rentenpaket nicht alleine aus dem Kreis der Jungen Gruppe komme.

Spahn: „Ich drohe nicht“

Berichte von der FAZ, die Caren Miosga zitierte, und wonach Spahn Abgeordneten mit einem hinteren Listenplatz im Falle einer Ablehnung des Rentenpakets gedroht haben soll, dementierte Spahn. „Ich drohe nicht. Das gehört nicht zu meinem Handwerkszeug.“ Tatsache sei aber, „dass in Szenarien auch über Konsequenzen“ gesprochen werde. Auf Nachhaken der Moderatorin sagte Spahn, es handele sich um persönliche Gespräche, und „persönliche Gespräche führe ich mit Ihnen nicht, Frau Miosga.“

Der Unionsfraktionschef verwies darauf, dass das Rentenpaket für die SPD so wichtig sei wie die Eindämmung der illegalen Migration und das Wirtschaftswachstum für die Union. „Wir entscheiden nicht alleine, wir müssen schwere Kompromisse mittragen“, sagte Spahn. Den abweichenden Abgeordneten schildere er die Folgelasten eines negativen Stimmverhaltens: Die Regierung könne ihre Reform- und Handlungsfähigkeit einbüßen, und dass in einer Zeit einer drei Jahre anhaltenden Rezession, bei einer schrumpfenden Wirtschaft und einer instabilen außenpolitischen Lage Deutschlands und Europas. Es drohe ein „Stillstand“ auch in der Migrationspolitik, bei der Bürgergeldreform und in der Energiepolitik. Schlimmstenfalls könne ein Scheitern der Abstimmung „den Anfang vom Ende“ einläuten – gemeint war offenbar das der Koalition.

Kann es Spahn „den Kopf kosten“?

Ob er jetzt nach der gescheiterten Wahl der Richterin Frauke Brosius-Gersdorf „zum zweiten Mal im Bundestag eine Mehrheit nicht garantieren könne“, fragte Miosga. Für Spahn war die Formulierung der Frage nicht akzeptabel. Er sagte, dass es bei Brosius-Gersdorf ja gar nicht zur Abstimmung gekommen sei, im übrigen sei die dann zur Verfassungsrichterin gewählte Sigrid Emmenegger eine „gute Wahl“. Auch beim Rentenpaket werde es zu einem guten Ergebnis für Deutschland kommen, wenngleich es „auf dem Weg dahin ruckelt und knallt“. Die von Miosga angeschnittene Frage, ob ein Scheitern des Rentenpakets ihn als Fraktionschef „den Kopf kosten könnte“, wollte Jens Spahn nur indirekt beantworten. Es sei seine Aufgabe, für Mehrheiten zu sorgen, und dass sei ihm bisher immer gelungen und so werde es auch bei der nächsten Abstimmung laufen.

Konkret auf den Inhalt des Rentenpakets ging Spahn knapp ein, nur einmal bat er die Gesamtkosten in Relation zu setzen zu den politischen Folgekosten eines Scheiterns der Reform. Die von der Jungen Gruppe genannten 120 Milliarden Euro an Mehrkosten für die Rente müssten auf zehn Jahr gerechnet werden, also zwölf Milliarden im Jahr, was eine zusätzliche Belastung des Rentensytems um zwei Prozent bedeute. Das sei zwar auch viel, man müsse aber abwägen, ob das nicht tragbar sei angesichts der politischen Folgekosten eines Scheiterns. Im übrigen rechnete es Spahn als Erfolg der Jungen Gruppe zu, dass die noch einzusetzende Rentenkommission mit ihren Reformvorschlägen früher – schon im Juni 2026 – fertig sein muss und weitere Prüfaufträge erhalten habe.

Heftige Kritik der Experten

Die als Experten geladene Journalistin Eva Quadbeck („Redaktionsnetzwerk Deutschland“) sowie der Ökonom Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts, zeichneten ein völlig anderes Bild der Lage. Für den Beitragszahler werde es mit dem Rentenpaket „wahnsinnig teuer“, meinte Quadbeck. Gerade auch für Arbeitnehmer mit mittleren und kleinen Einkommen. Im übrigen werde den Leuten von der SPD vorgegaukelt, dass eine Rentenkürzung bei Nichtannahme des Pakets drohe. Im nächsten Jahre aber werden die Renten um 3,7 Prozent steigen, mehr als die Inflation ausmacht. Quadbeck kritisierte, dass die SPD es nicht zugelassen habe, das Rentenpaket nochmals aufzuschnüren, denn es sei doch gute Parlamentsarbeit, einen Gesetzentwurf zu verändern und zu verbessern. „Ist schon putzig, dass SPD-Co-Chefin Bärbel Bas das jetzt bei der Bürgergeldreform verlangt und sagt, da gehen wir noch mal ran!“

Auch Clemens Fuest war der Ansicht, dass die Union „sich von der SPD über den Tisch“ hat ziehen lassen. Mit dem geplanten Rentenpaket werde der Bundeshaushalt „gegen die Wand“ gefahren, denn es werde künftig weniger Beitragszahler und weniger Steuerzahler geben. Der Koalition werde nichts anders übrig bleiben, als die Steuern zu erhöhen, das werde das Wirtschaftswachstum schwächen. Der auch von der SPD gebrachte Vorschlag, man möge auch auf Kapitaleinkünfte Rentenbeiträge erhöhen, führt laut Fuest nicht weiter. Ein neue Beitragserhebung führe auch zu neuen Rentenansprüchen. Es sei denn, man verstehe den diskutierten Boomer-Soli als Steuer. Aber schon jetzt gehe ein Drittel der Steuereinnahmen in die Rente, wenn es mal 40 oder 50 Prozent seien, dann werde das Wachstum zerstört.

Ökonom: Länger arbeiten!

Für Fuest führt kein Weg daran vorbei, dass eine Entlastung des Rentensystems nur geschehen könne, wenn jemand etwas weg genommen werde. Denkbar sei, dass die Renten langsamer steigen als die Löhne und denkbar sei auch, die Lebensarbeitszeit an die gestiegene Lebenserwartung anzupassen. „Dann wird der Kuchen größer.“ Für Jens Spahn waren die kritischen Beiträge von Quadbeck und Fuest allein einer „wissenschaftlich-journalistischen Perspektive“ geschuldet. Er müsse aber auch die vereinbarte Stabilität und Verlässlichkeit der Regierung im Blick haben. Am Dienstag soll es in der Unionsfraktion eine Probeabstimmung geben, am Freitag geht das Rentenpaket in den Bundestag. Solange will Spahn seine Überzeugungsarbeit fortsetzen. „Wie viel Pizza Sie da noch kaufen müssen, sehen wir in dieser Woche“, meinte Miosga zu Spahn. Der lächelte und meinte, daran solle es nicht liegen.

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Erstellt:
1. Dezember 2025, 06:50 Uhr
Aktualisiert:
1. Dezember 2025, 07:28 Uhr

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