Rede zur Lage Europas
Ursula von der Leyens Alleingang in Sachen Israel
In ihrer Rede zur Lage der Union fordert die EU-Kommissionspräsidentin zum Zusammenhalt in schwierigen Zeiten auf und macht dann sehr viele Ankündigungen.

© Pascal Bastien/AP/dpa
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen wird wegen ihrer harten Gangart gegen Israel aus der eigenen Partei kritisiert.
Von Knut Krohn
Ursula von der Leyen sah im Straßburger Europaparlament rot. Die EU-Kommissionschefin erblickte am Mittwoch vor allem auf den Rängen der sozialistischen Fraktion viele Politiker und Politikerinnen in leuchtend roter Kleidung. Mit diesem modischen Statement protestierten sie gegen das Vorgehen Israels in Gaza. Von der linken Seite des Plenums bekam Ursula von der Leyen während ihrer Rede zur Lage der Europäischen Union dann ungewöhnlich viel Applaus. Grund dafür war jene Passage, als sie verkündete, die EU-Kommission werde ihre Unterstützung für Israel aussetzen. Sichtlich beeindruckt von der täglichen Not in dem Krisengebiet forderte Ursula von der Leyen: „Eine menschengemachte Hungersnot darf niemals als Kriegswaffe dienen. Das muss enden – zum Schutz der Kinder, zur Wahrung der Menschlichkeit.“
Nicht alle Verbindungen zu Israel kappen
Im selben Atemzug betonte von der Leyen, dass sie nicht alle Verbindungen zu Israel kappen wolle. Die Entscheidung solle keine Auswirkungen für die Arbeit mit der israelischen Zivilgesellschaft oder der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem haben. Die Kommissionschefin kündigte aber auch an, den Mitgliedsländern Vorschläge für Sanktionen gegen extremistische Minister und gegen gewalttätige Siedler zu unterbreiten.
Ursula von der Leyen ließ durchblicken, wie schwer ihr persönlich dieser Schritt gefallen ist. „Ich fühle mich dem israelischen Volk schon seit Langem freundschaftlich verbunden“, sagte sie. Sie verurteile den „grauenvolle Angriff der Hamas-Terroristen vom 7. Oktober“, der Israel „bis ins Mark erschüttert hat“. Auch erinnerte sie an die Geiseln, die noch immer unter menschenunwürdigen Bedingungen festgehalten werden. Doch die Politikerin warb dafür, Israel nicht unwidersprochen weiter freie Hand zu lassen. Für manche Staaten gehe jede dieser Maßnahmen zu weit und für andere nicht weit genug. „Doch wir alle müssen unserer Verantwortung gerecht werden – Parlament, Rat und Kommission“, erklärte Ursula von der Leyen.
Entsetzen in der eigenen Partei
Wie uneinheitlich das Parlament beim Thema Israel ist, zeigte die Reaktion der CDU-Europaabgeordnete Hildegard Bentele. Sie äußerste sich „schockiert über die Einseitigkeit“ der Pläne ihrer Parteifreundin Ursula von der Leyen. „Keine klare Forderung an Hamas außer einem halbherzigen ‚Freilassen der Geiseln‘, kein Wort zu den Fortschritten bei der humanitären Hilfe, und das Assoziierungsabkommen wird geopfert – ohne Plan für den künftigen Dialog mit Israel“, kritisierte die Vorsitzende der EU-Israel-Delegation im Europäischen Parlament. Das sei verheerend für die EU-Israel-Beziehungen.
Während der gesamten Rede von der Leyens wurde offensichtlich, wie sehr die ständigen Blockaden innerhalb der EU an ihren Nerven zehren. Aus diesem Grund hatte sie gleich zu Beginn den Parlamentariern ins Gewissen geredet, dass Europa existenziellen Herausforderungen ausgesetzt sei. „Unterschätzen Sie das nicht – dies ist ein Kampf um unsere Zukunft“, warnte die Kommissionschefin. Die EU, die in „ihrem Wesen ein Friedensprojekt ist“, könne sich die Lage nicht länger schönreden. „Die Welt von heute ist gnadenlos.“
Den Kritikern fehlen die Inhalte
Entscheidend für die Bewältigung der aktuellen Krisen sei der Zusammenhalt innerhalb der Union. Immer wieder habe Europa in schweren Zeiten gezeigt, dass die Menschen zusammenstehen würden, das müsse nun auch der Fall sein. Nach dem anfänglichen, geradezu furiosen Appell verlor sich die EU-Kommissionschefin dann allerdings im Kleinklein der Ankündigungen. Sie stellte eine Drohnen-Allianz mit der Ukraine in Aussicht, eine Initiative für kleine und bezahlbare Autos oder die Verbesserung der Energieinfrastruktur und sie verteidigte das Zollabkommen mit den USA. Aus diesem Grund bezeichnete René Repasi, Vorsitzender der SPD-Europaabgeordneten, nach der Rede die Kommissionschefin als „Ankündigungs-Europameisterin“. „Anstelle von Ergebnissen gab es in Straßburg viel Bekanntes: Vorschläge ohne Finanzierung, Roadmaps ohne Fristen, Überschriften ohne Instrumente“, kritisierte er. Auch Liberale und Grüne appellierten, dass von der Leyen ihren Worten nun auch Taten folgen lassen müsse.